Littbarski und die Weltmeister Generation Glücklos 1-9-9-0
13.04.2010, 13:48 UhrSie sind Fußball-Weltmeister - und arbeiten heute in Fanshops, verkaufen Sportartikel, organisieren Reisen - oder sind ganz ohne Arbeit. Wie Pierre Littbarski. Oder wie Andreas Brehme sagt: "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß." 20 Jahre danach: Die Generation Glücklos 1-9-9-0. Eine Bilanz.
Nun hat es also Pierre Littbarski getroffen. Er ist rausgeflogen, nach anderthalb Jahren beim Liechtensteiner Verein FC Vaduz. Der spielt in der zweiten Schweizer Liga und war mit seiner Arbeit nicht mehr zufrieden. Nur zwei Punkte aus acht Spielen, von Platz drei auf Rang zehn abgerutscht - da half es auch nicht, dass Pierre Littbarski das ist, was viele gerne wären. Fußball-Weltmeister nämlich.
Nun ist er arbeitslos. Und wenn es nicht ein wenig gehässig klingen würde, könnten man sagen: Willkommen im Klub. Denn vielen seiner Kollegen, die mit ihm 1990 in Italien den WM-Pokal gewannen, ergeht es ähnlich. Sie haben keinen oder nur mäßigen Erfolg. Sie arbeiten in Fanshops, verkaufen Sportartikel, organisieren Reisen – oder sind ganz ohne Arbeit. Die Generation Glücklos zwanzig Jahre danach – eine Zwischenbilanz.
LOTHAR MATTHÄUS, 48 Jahre alt. Frisch getrennt von Liliana und seit Jahren selbsternannter Nationaltrainer auf Abruf. Bis es so weit ist, wartet der Kapitän der Weltmeistermannschaft auf einen Job in der Bundesliga – und beklagt die fehlende Wertschätzung in seiner Heimat. "Überall in dieser Welt genieße ich großes Ansehen. Vielleicht als Fußballer das größte Ansehen nach Franz Beckenbauer." Nur eben in Deutschland nicht. "Andere Länder wären froh, wenn sie so einen Sportler gehabt hätten, würden mit ihm umgehen wie die Argentinier mit Diego Maradona."
Müssen wir uns Sorgen machen? Nein. Wir tippen mal gegen den Trend und sagen: Lothar Matthäus hat das Zeug zu einem guten Trainer und hat eine Chance in der Bundesliga verdient. Nur wo? Selbst die Stelle in Vaduz ist schon wieder besetzt.
JÜRGEN KLINSMANN (45). Momentan TV-Experte, der wo gerne Dialekt spricht. Kommentiert mit Jürgen Klopp bei RTL die WM in Südafrika. Schoss 1990 im Achtelfinale gegen die Niederlande das 1:0. Dafür gebührt ihm ewiger Dank. Ansonsten leidet er unter der großen Fallhöhe, denn im Gegensatz zu Matthäus stieg er nach seiner Karriere als Fußballer gleich ganz groß ein. Trainierte erst die Nationalmannschaft, erreichte als Sommermärchenonkel immerhin Platz drei bei der WM 2006, war dann beim FC Bayern, der ihn nach zehn Monaten feuerte. Versteigerte zuletzt sein altes Fahrrad zugunsten der SOS-Kinderdörfer in Südafrika.
Müssen wir uns Sorgen machen? Absolut nicht. Jürgen Klinsmann geht seinen Weg. Die Welt ist voller Projekte, er wird schon was finden. Und irgendwann sehen wir ihn als Trainer beim FC Chelsea.

Ton in Ton: Andreas Brehme und Giovanni Trapattoni in Stuttgart.
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
ANDREAS BREHME (49). Verwandelte vor zwanzig Jahren im Finale gegen Argentinien den Elfmeter zum Sieg. Schuf den für seine Generation prägenden Satz: "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß". Und sonst? Seit seinem Rauswurf als Co-Trainer von Giovanni Trapattoni im Februar 2006 ohne Job. Scheiterte zuvor in Kaiserslautern und Unterhaching. Zurzeit arbeitet er für den Deutschen Fußball-Bund als Botschafter und leitet die Aktion 1000 Mini-Spielfelder für Kinder und Jugendliche.
Müssen wir uns Sorgen machen? 1000 Mini-Spielfelder ist doch schon mal ein Anfang, wenn auch kein weltmeisterlicher. Und er bleibt bis heute der bestgekleidete Co-Trainer in der Geschichte der Bundesliga. Stets im gleichen hellbraunen Mantel wie sein Chef, stets zwei Meter hinter Trapattoni. Darauf lässt sich aufbauen.

Kritisch beäugt: Guido Buchwald.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
GUIDO BUCHWALD (49). Trägt seit 1990 wegen seiner grandiosen Übersteiger zurecht den Spitznamen Diego. Ihn zog es, wie Pierre Littbarski, als Trainer nach Japan. Gewann dort mit den Urawa Red Diamonds das Double aus Pokal und Meisterschaft, ging 2007 zur Alemannia nach Aachen – und wurde entlassen. "Ich habe es unterschätzt, wie argwöhnisch man als Weltmeister in der zweiten Klasse beäugt wird. Ich hatte in Aachen noch gar nicht angefangen, da war ich schon wieder weg." Der ehemalige Abwehrspieler ist nun Gesellschafter eines Unternehmens für Management-Systeme.
Müssen wir uns Sorgen machen? Es muss ja nicht immer Fußball sein.
JÜRGEN KOHLER (44): War damals Vorstopper, wurde von den Fans in Dortmund als Fußballgott gefeiert, dann Trainer der U-21-Nationalmannschaft, Sportdirektor bei Bayer Leverkusen und Trainer des MSV Duisburg. Schließlich erst Trainer und dann Sportdirektor beim VfR Aalen in der dritten Liga – und trat wegen gesundheitlicher Probleme zurück, eine Herzattacke. Nun sucht er einen Job. Ansonsten ist er Repräsentant für eine große Firma, leitet ein Immobilienbüro und "lasse alles andere auf mich zu kommen".
Müssen wir uns Sorgen machen? Jürgen Kohler sagt: "Mir geht es wieder gut." Das ist das Wichtigste.
Und die anderen?
Raimond Aumann (46), 1990 Ersatztorwart ohne Einsatz, leitet beim FC Bayern München die Abteilung Fan und Fanklubbetreuung. Bodo Illgner (42), die Nummer eins bei der WM, mittlerweile TV-Experte beim Bezahlsender Sky. Und immer noch hauptberuflich Ehemann von Bianca. Klaus Augenthaler (52), Libero, danach Bundesliga-Trainer, heute Radioexperte in München – und Trainer beim Drittligisten in Unterhaching. Stefan Reuter (43), Verteidiger, ist seit Oktober Geschäftspartner von Franz Beckenbauers Manager Marcus Höfl. Hans Pflügler (49), Abwehr, heute Leiter im Fanshop des FC Bayern. Uwe Bein (49), Mittelfeld, betreibt eine Fußballschule und arbeitet für die Sparkassen-Versicherung. Frank Mill (51), Stürmer, betreibt 74 Fußballschulen in Deutschland. Paul Steiner (53), Abwehr, mittlerweile Scout beim 1. FC Köln. Thomas Berthold (45), Verteidiger, scheiterte als Manager bei Fortuna Düsseldorf, organisiert nun WM-Reisen. Andreas Köpke (47), dritter Torhüter, heute im Team von Joachim Löw Torwarttrainer der Nationalmannschaft. Andreas Möller (42), Mittelfeldspieler, jetzt Sportdirektor in der 3. Liga bei Kickers Offenbach. Olaf Thon (43), Mittelfeld, nun Trainer beim VfB Hüls in der fünften Liga. Karl-Heinz Riedle (44), Stürmer, inzwischen Besitzer von Hotel und Fußballcamp. Günter Hermann (49), spielte 1990 keine Minute. Heute Oberliga-Trainer und Shop-Betreiber im Internet. Rudi Völler (49), Stürmer, danach Bundestrainer, heute Sportdirektor bei Bayer Leverkusen. Thomas Häßler (43), Mittelfeld, jetzt Jugendtrainer beim 1. FC Köln. Franz Beckenbauer (64), 1990 der Teamchef, heute Ehrenpräsident des FC Bayern und Lichtgestalt. Berti Vogts (63), damals Co-Trainer, danach Bundestrainer, mittlerweile Trainer von Aserbaidschan. Holger Osieck (61), 1990 einer der beiden Co-Trainer, jetzt Funktionär beim Weltverband Fifa. Sepp Maier (66), früher der Torwarttrainer, heute gehören ihm Tennishalle und Agentur.
Quelle: ntv.de