Sechs Dinge, die wir gelernt haben Guardiola zeigt Größe, Löw lacht heimlich
30.04.2014, 12:37 Uhr
Trainer, nimm mich in den Arm: Franck Ribéry such Zuflucht bei Josep Guardiola.
(Foto: imago/Ulmer)
Nach dem Debakel des FC Bayern gegen Real braucht Guardiola zwar einen Plan B, zeigt sich aber als großer Verlierer. Das mit dem Hexenkessel müssen sie auch noch üben. Nur Löw darf sich als Gewinner fühlen.
1. Josep Guardiola ist ein Großer
Exakt 17 große Titel hat Josep Guardiola in knapp fünf Jahren als Trainer des FC Barcelona und des FC Bayern gewonnen, mehr als jeder andere in Europa. Was Guardiola auszeichnet, ist aber nicht nur, dass er ein großartiger Gewinner ist. Der Spanier ist auch ein großer Verlierer. Nach dem Halbfinal-K.o. mit seinem FC Bayern gegen Real Madrid redete er nicht lange drum herum und benannte die größte Schwachstelle: seine Taktik. Guardiola hatte der Versuchung widerstanden, gegen Real einfach die Jupp-Heynckes-Bayern aufs Feld zu schicken. Jene Formation also, die 2013 im Finale gegen den BVB den Titel gewonnen hatte und in Angriff und Abwehr perfekt ausbalanciert war.
Er rückte seinen Lieblingsspieler Philipp Lahm zwar wieder vom defensiven Mittelfeld zurück in die Abwehr, weil er dort gegen Weltfußballer Cristiano Ronaldo gebraucht wurde. Im defensiven Mittelfeld verzichtete Guardiola aber auf das Comeback der Doppelsechs aus Bastian Schweinsteiger und Javi Martinez, die in der Triple-Saison unter Vorgänger Heynckes brillante Auftritte in Serie abgeliefert hatte. Stattdessen setzte Guardiola auf das offensivere Duo mit Schweinsteiger und Toni Kroos - und das ging schief. Auch mit Kroos fehlte es den Münchnern an Ideen, um die extrem diszipliniert verteidigenden Madrilenen hinten auszuhebeln. Erst in der 76. Minute erspielten sich die Bayern ihre erste echte Torchance durch Joker Mario Götze. Gleichzeitig fehlte den Münchnern aber die Balance zwischen Abwehr und Angriff, um trotz eigener Offensivbemühungen nicht ständig in die Konter von Ronaldo & Co. zu laufen. Das perfekte Spiel, von dem Guardiola geträumt hatte, glückte den Bayern nicht - weil er seinem Team nicht die richtige Taktik an die Hand gab. Aber immerhin hatte Guardiola die Größe, das hinterher zuzugeben.
2. Real gewinnt die Champions League

Immerhin dürfen sie hoffen, gegen den neuen Titelträger ausgeschieden zu sein: Bastian Schweinsteiger und Arjen Robben.
(Foto: imago/Jan Huebner)
Auch nach der "Riesenenttäuschung" (Arjen Robben) im eigenen Stadion bleibt das System Guardiola in der Champions League prägend. In den vorherigen vier Saisons, in denen er mit einer Mannschaft in der Königsklasse antrat, zog Guardiola wie auch mit den Bayern mindestens ins Halbfinale ein. Und am Ende gewann entweder sein FC Barcelona (2009, 2011) - oder die Mannschaft, die Barcelona aus dem Wettbewerb geworfen hatte. 2010 waren das José Mourinhos Maurermeister von Inter Mailand, 2012 die Abwehrspezialisten des FC Chelsea von Roberto di Matteo. Beide Male hieß der Finalgegner übrigens FC Bayern, aber das nur am Rande. Wichtiger ist: Setzt sich diese Reihe fort, heißt der Champions-League-Sieger 2014 Real Madrid. Das sehnsüchtige Warten von Verein und Fans auf "La Decima", den zehnten Titel, das Superstar Cristiano Ronaldo als positive Obsession bezeichnet, es hätte endlich ein Ende. Nach dem starken Auftritt in beiden Halbfinals gegen den FC Bayern sind die Madrilenen im Endspiel Favorit, auch wenn Sturmstar Gareth Bale warnt: "Wir haben noch nichts gewonnen, wir werden ein schweres Spiel im Finale haben, egal gegen wen es geht." Ein denkwürdiges Endspiel ist nach Madrids Weiterkommen garantiert. Denn entweder kommt es in Lissabon nun zum Madrider Derby gegen Atletico - oder zum Wiedersehen mit Mourinho. Der war im vergangenen Sommer aus Madrid weggelobt worden, weil er einst nicht geschafft hatte: Real "La Decima" zu bescheren.
3. Ein Hexenkessel lässt sich nicht planen
Ganz so trostlos, wie es der Schalverkäufer an der U-Bahn gegen 18.30 Uhr behauptet hatte, war die Angelegenheit an diesem Mittwoch in München dann doch nicht. "Das ist kein Halbfinale, das ist eine Beerdigung", hatte der Mann gesagt. Aber ganz so toll, wie sie es sich beim FC Bayern erhofft hatten, war die Stimmung im mit 68.000 Zuschauern ausverkauften Stadion dann auch nicht. Sie war gut, vor allem vor und nach dem Anpfiff, in der ersten Viertelstunde war es richtig laut, aber sie hielt nicht an - weil die Profis auf dem Rasen nicht das lieferten, was sich die Kundschaft erhofft hatte. Da halfen auch all die Appelle nicht, die die Verantwortlichen des FC Bayern vor diesem Halbfinale an die Anhänger gerichtet hatten. Von Hölle und Hexenkessel war die Rede, die Klatschpappen lagen bereit und die Choreographie vor der Partie beeindruckte in der Tat. Die Südkurve zeigte den Champions-League-Pokal, die Gegentribüne ein überdimensionales FCB-Logo, die Nordkurve bildete den Schriftzug "Immer weiter". Zudem erstreckte sich über die Unterränge ein rot-weißer Schal, unter dem teilweise ein schwarz-gelber Hintergrund lag. Was nichts mit der Dortmunder Borussia zu tun hatte, sondern damit, dass das die Farben der Stadt München sind. Dazu erklang die alte Bayern-Hymne "Forever Number One." Es war angerichtet - aber wenn so die Hölle aussieht, muss es dort ganz gemütlich sein.
4. Ballbesitz schießt keine Tore - verhindert aber auch keine
Dass Ballbesitz keine Tore schießt, das dürften bereits nach dem Hinspiel zwischen Real Madrid und dem FC Bayern auch absolute Fußballlaien mitbekommen haben. Gebetsmühlenartig wurde diese Erkenntnis wiederholt, nachdem die Münchner mit 72 Prozent Ballbesitz einen Rekord in der Champions League aufgestellt, das Spiel aber mit 0:1 verloren hatten. Mehr am Ball war bei einer Niederlage zuvor kein Team gewesen. Nach dem Rückspiel muss die Erkenntnis erweitert werden, in München zeigte sich an diesem Dienstagabend nämlich: Ballbesitz verhindert auch keine Tore. Zumindest dann nicht, wenn die Spieler bei Standardsituationen für den Gegner das Fußball-Einmaleins vergessen und nicht verteidigen. Zweimal war Sergio Ramos zur Stelle, erst nach einem Eckball, dann nach einem Freistoß - und die Partie nach 20 Minuten zu Ungunsten des FC Bayern gelaufen. Um nicht zu sagen: Die Sache war durch. Und Reals Trainer Carlo Ancelotti durfte hinterher sagen: "Natürlich haben wir diese Standards einstudiert. Wir wussten ja um die Raumdeckung der Bayern."
5. Der FC Bayern braucht einen Plan B - und den Pokal
Kaum hatte Real Madrid in München auf 2:0 erhöht, kursierten auf Twitter bereits die Lewandowski-Witze. Der Transfer des Stürmers, im Halbfinal-Hinspiel 2013 in Dortmund für die Borussia gleich viermal gegen Real erfolgreich, komme drei Monate zu spät. Aber ein neuer Angreifer allein dürfte das Problem der Münchner gegen Mannschaften wie Real Madrid auch nicht lösen - auch wenn es davon nur wenige auf diesem Planeten gibt. Das dürfte Trainer Guardialo ein wenig beruhigen, direkt nach der Partie übernahm er nicht nur die Verantwortung, sondern rang auch um eine Erklärung für die erlittene Demütigung. "Wir haben nicht gegen Madrid verloren, weil wir den Ball hatten. Wir hatten ihn in der ersten Halbzeit nämlich gar nicht. Wir haben nicht miteinander gespielt, deshalb haben wir verloren." Er wird die Angelegenheit noch ausführlich analysieren.
Und wie sagte Mittelfeldspieler Thomas Müller: "Real Madrid müssen wir dieses Jahr nicht mehr knacken." Aber die Borussia aus Dortmund. Die freut sich wie Bolle auf den 17. Mai, dann findet im Berliner Olympiastadion das Endspiel des DFB-Pokals statt. Das bisher letzte Spiel gewann der BVB mit 3:0 in München, allerdings in einem Wettbewerb namens Bundesliga, den Guardiola nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft bekanntlich ja als beendet erklärt hatte. Spätestens nach dem Debakel gegen Madrid aber gilt: Retten können die Bayern ihre Saison eh nicht mehr, nicht eine Spielzeit, in der die erfolgreiche Verteidigung des Titels in der Champions League das höchste Ziel war. Aber um sie einigermaßen versöhnlich zu beenden, braucht es nun den deutschen Pokal. Für die Freunde des Fußballs wird das ein großer Spaß an diesem 17. Mai.
6. Und am Ende lacht … Joachim Löw
Der FC Bayern schon wieder im Champions-League-Finale, das hätte ganz Deutschland erfreut. Nun ja, fast: Es dürfte auch Menschen geben, denen das Aus der Münchner nicht völlig ungelegen kommt - auch wenn sie das nie zugeben würden und sich höchstens heimlich eins ins Fäustchen lachen. Zwar stoßen die jetzt leicht demoralisiert zur Nationalmannschaft, wie vor der Fußball-EM 2012 nach dem traumatisch verlorenen "Finale dahoam". Aber diesmal tun sie das immerhin nicht erst auf den letzten Drücker. Und das ist gut für Bundestrainer Joachim Löw, der am Dienstagabend ebenfalls im Stadion war. Nach der Niederlage beeilte er sich, die Spieler ein wenig aufzumuntern: Eine ganz starke Saison hätten sie gespielt. Und: "Gemeinsam haben wir ja noch große Ziele." Die Münchner würden nach der Enttäuschung im Halbfinale gegen Madrid "nun den Blick nach vorn richten". Am 16. Juni beginnt für das DFB-Team mit dem ersten Gruppenspiel gegen Portugal die Weltmeisterschaft in Brasilien, vom 21. Mai an absolviert die Nationalmannschaft ein zehntägiges Trainingslager in Südtirol. Und alle werden sie dabei sein: Manuel Neuer, Jerome Boateng, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos, Thomas Müller und Mario Götze. Zusammen können sie dann für die WM üben - und sich am 24. Mai im Fernsehen das Finale der Champions League ansehen.
Quelle: ntv.de