Gegen Real, gegen Ronaldo, gegen den Trend Guardiolas Bayern legen Meisterprüfung ab
23.04.2014, 13:38 Uhr
Damals, April 2012: Arjen Robben hat im Halbfinal-Rückspiel bei Real Madrid soeben per Elfmeter das 1:2 erzielt. Bastian Schweinsteiger freut's.
(Foto: imago sportfotodienst)
In Madrid verdichtet sich die gesamte Saison. Wenn der FC Bayern in der Champions League bei Real aufläuft, könnte in 90 Minuten das Urteil über das erste Jahr Guardiolas gesprochen werden. Der Gegner strotzt vor Kraft, Robben schlägt Alarm.
Real Madrid: Casillas - Carvajal, Pepe, Sergio Ramos, Fabio Coentrao - Modric, Xabi Alonso, di Maria - Bale, Benzema, Cristiano Ronaldo. - Trainer: Ancelotti
FC Bayern München: Neuer - Lahm, J. Boateng, Dante, Alaba - Javi Martinez - T. Kroos, Schweinsteiger - Robben, T. Müller, Ribery. - Trainer: Guardiola
Schiedsrichter: Webb (England)
"Die Meister, Die Besten, Les grandes équipes, The champ ions." Die Hymne der Champions League ertönte gestern schon einmal in Madrid, im Vicente-Calderon-Stadion, vor dem Halbfinale zwischen Atlético Madrid und dem FC Chelsea. Vierundzwanzig Stunden später wird sie wieder erklingen, nur sieben Kilometer entfernt, im legendären Bernabeu, wenn die Mannschaften von Real Madrid und Bayern München (ab 20.45 Uhr im ZDF und im Liveticker auf n-tv.de)im Gigantenduell aufeinandertreffen.
Die spanische Hauptstadt ist in diesen Tagen die Welthauptstadt des Fußballs. So viel Klasse auf engstem Raum sieht man im Vereinsfußball selten. Zwei Tage lang fühlt es sich an, als würde die Champions League in einem Final-Four-Turnier ausgespielt. Umso besser lässt sich diskutieren, wer denn nun die beste Mannschaft Europas ist - was wiederum weitere Fragen beantworten könnte: Führt Atléticos bemerkenswerter Lauf durch Spanien und Europa nach ganz oben? Mauert Mourinho sich zum Titel? Liefert Weltfußballer Cristiano Ronaldo Real Madrid endlich "La Decima", den zehnten europäischen Meisterpokal? Und schließlich: Wie gut sind diese Bayern wirklich, im Jahr eins unter Josep Guardiola?
Wo ist der Esprit?
Wer sich das Spiel am südlichen Rang des Autobahnringes von Madrid angesehen hat, könnte dazu neigen, Atlético Madrid und den FC Chelsea frühzeitig aus der Diskussion zu verabschieden. Sicher, eine der beiden Mannschaften wird das Champions-League-Finale erreichen, ob sie es auch spielerisch bereichern werden, ist ernsthaft zu bezweifeln. Bei aller spielerischen Limitierung, die Hausherren zeigten wenigstens, dass ein Herz in ihnen schlägt - dort, wo bei den Londonern nur Batterien ihr Werk verrichten. Chelsea kam ohne Vision, dafür mit einer Mission: Die Null halten. Dafür versagte Trainer Jose Mourinho seinem bedauernswerten Stürmer Fernando Torres jegliche Unterstützung. An diesem Abend, als der portugiesische Erfolgscoach seine schlimmste Mauertaktik auspackte, verstand man wieder, warum sich Mourinho und Guardiola so gar nicht verstehen.
Man könnte allerdings auch auf die Idee kommen, die beiden mögen sich nicht, weil sie sich so sehr ähneln. Mourinho will die totale Spielkontrolle, und lässt dafür seine Spieler gegen den Ball verschieben. Guardiola will die totale Spielkontrolle, und lässt dafür seine Spieler den Ball verschieben. Am Ende kommt dabei der schönere Fußball heraus - wenn es funktioniert. Wenn nicht, entstehen end- wie ziellose Passfolgen, die in Guardiolas letztem Jahr in Barcelona zusehends Fans und Zuschauer ermüdeten.
Anzeichen dieser Krankheit zeigten sich auch in dieser Saison schon beim FC Bayern. Im Champions-League-Viertelfinale gegen Manchester United schafften es die Münchner in beiden Spielen lange nicht, ihre Überlegenheit in klare Chancen umzusetzen. Und seit Josep Guardiola die Bundesliga nach der schnellsten Meisterschaft aller Zeiten für "vorbei" erklärte, scheint es so, als schonten sich einige Spieler auf dem Platz. Es fehlt der Esprit, zu beobachten besonders an Franck Ribéry, der in der Liga gegen Braunschweig keine einzige gefährliche Aktion zustande brachte - gegen Omar Elabdellaoui. Heute abend bekommt er es mit Luka Modric, Daniel Carvajal und Pepe zu tun.
Madrid kürt sich zur "Bestia Blanca"
Kein Wunder also, dass Kapitän Philipp Lahm "Leidenschaft und Herz" von seinen Kollegen fordert. Und das von der ersten Minute an, mahnt Stürmer Arjen Robben: "Wenn du eine Schwächephase hast oder zehn Minuten nicht da bist, dann kassierst du drei Tore. Dann kann es schon vorbei sein", sagte der Niederländer. Er stand auf dem Platz, als die Münchner das bisher letzte Mal im Bernabeu gastierten, am 25. April 2012, im Rückspiel des Champions-League-Halbfinals. Damals dauerte es sechs Minuten, da ging Real durch einen Handelfmeter von Cristiano Ronaldo in Führung. Acht Minuten später legte Mesut Özil dem Portugiesen den zweiten Treffer auf. Ronaldo wird nach seiner Verletzungspause wohl wieder spielen, was das ohnehin große Selbstbewusstsein der Königlichen weiter aufpumpt. Von wegen Angstgegner, von wegen "Bestia Negra". Eine "Bestia Blanca" beschwört die Sportzeitung "As" heute, die Kollegen von der "Marca" geben sich Mühe, die Torstatistiken von Ronaldo, Karim Benzema und Gareth Bale so zusammenzurechnen, dass der Traumsturm besser dasteht als Franck Ribéry, Arjen Robben und Thomas Müller.
Reals Trainer Carlo Ancelotti hat noch nie gegen die Bayern verloren, auch das deutet die spanische Presse als gutes Omen. Der Italiener aber gibt wenig auf die Statistik. Nur mit "solidarischem und kompaktem Spiel und harter Arbeit" könne sein Team den Titelverteidiger aus dem Turnier werfen. Immerhin spiele seine Mannschaft "viel besser als zu Saisonanfang". Das zeigte Real zuletzt im Finale des Copa del Rey mit einer überzeugenden Leistung gegen Barcelona - nicht aber im Rückspiel gegen Dortmund, das die Madrilenen nur mit Ach und Krach überstanden. Welches Madrid auch immer auf dem Platz steht, der FC Bayern muss eine "überragende Leistung" zeigen, sagte Philipp Lahm.
In jenem Rückspiel im April 2012 schlugen die Münchner übrigens zurück. Arjen Robben erzielte per Handelfmeter das 1:2, was für die Verlängerung reichte. Schließlich ging es ins Elfmeterschießen. Sergio Ramos hatte vergeben, Bastian Schweinsteiger konnte seinen FC Bayern ins Finale Dahoam schießen. Sein denkwürdiger Kommentar: "Ich hab kurz vor meinem Elfmeter meine Eier vergessen oder verloren, aber sie dann rechtzeitig wiedergefunden." Für heute Abend wird es seinem Trainer sicher reichen, wenn der FC Bayern wieder seine Meisterform findet.
Quelle: ntv.de