Staatsanwalt und DFB ermitteln Guerrero tut es furchtbar leid
06.04.2010, 15:00 UhrDer DFB-Kontrollausschuss nimmt nach Paolo Guerreros Flaschenwurf die Ermittlungen gegen den HSV-Stürmer auf. Man habe den Bundesliga-Profi des Hamburger SV angeschrieben und um eine "zeitnahe Antwort" gebeten, erklärt ein Sprecher des Verbandes. Und Guerrero? Dem tut alles furchtbar leid.

"Es ist total schlecht, was ich gemacht habe, ich weiß, dass ich damit kein Vorbild für die Jugend bin": Paolo Guerrero.
(Foto: dpa)
Paolo Guerrero spricht leise, sein Deutsch ist auch nach fast sechs Jahren in der Bundesliga nicht ganz sicher. Der 26-Jährige wirkt außerhalb des Fußballplatzes oft wie ein großer, schüchterner Junge. "Er ist in vier Jahren bei uns in dieser Art nie auffällig geworden", sagt Bernd Hoffmann, der Chef seines Arbeitgebers Hamburger SV.
Am Sonntag aber mutierte Paolo Guerrero für einen kurzen Moment zum unberechenbaren Rüpel, der mit seinem Wasserflaschenwurf gegen einen Fan für einen der größten Bundesliga-Skandale gesorgt hat. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat inzwischen Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der gefährlichen Körperverletzung aufgenommen. Was ist da los?
Wie ein Häufchen Elend
Wie ein Häufchen Elend saß Guerrero in seinem Sessel, als er seine Entschuldigung gegenüber der Öffentlichkeit formulieren musste: "Ich möchte mich zuerst bei der Person entschuldigen, die ich mit der Flasche getroffen habe. Es ist total schlecht, was ich gemacht habe, ich weiß, dass ich damit kein Vorbild für die Jugend bin", sagte er. Mea maxima culpa. Er habe auch ganz schlecht geschlafen, erklärte der Stürmer.
Sicherung durchgebrannt muss wohl die Diagnose für den Vorfall nach dem 0:0 gegen Hannover 96 lauten. Bei der Einwechslung nach der Halbzeit schon wurde er ausgepfiffen. Teilweise weil die Fans sauer waren, dass Trainer Bruno Labbadia Ruud van Nistelrooy rausnahm. Teilweise weil einige Guerreros vierteljährigen Peru-Aufenthalt, den die Flugangst des Stürmers erzwang, für einen eigenmächtig verlängerten Urlaub halten.
Nun steht er unter Druck
Guerrero hat ohnehin keinen guten Stand bei den Anhängern. Als es im Herbst gut lief, verweigerte er nach vier Toren in vier Spielen die Verlängerung seines auslaufenden Vertrages. Er ließ stattdessen seinen Berater ein Wunschgehalt von vier Millionen Euro jährlich aufrufen. Dann kam der Kreuzbandriss. Noch immer aber hat Guerrero nicht unterschrieben. Der HSV verpflichtete inzwischen van Nistelrooy, und Hoffmann sagte: "Guerreros Verhandlungsposition hat sich nicht verbessert."
Also will der Peruaner so viel spielen wie möglich, um Werbung für sich zu machen bei Klubs, die vielleicht bereit sind, sich seinen Gehaltsvorstellungen anzunähern. Er steht unter Druck, er vergibt wegen fehlender Handlungsschnelligkeit eine hundertprozentige Chance gegen Hannover - sicher auch wegen der fehlenden Spielpraxis nach sieben Monaten Pause.
HSV plädiert für zweite Chance
"Ich war geladen", sagt er, "wegen meiner vergebenen Chance, wegen der Pfiffe, wegen des schlechten Spiels unserer Mannschaft." Und eben überhaupt, und dann pöbelt ihn auch noch einer wüst persönlich mit üblen Schimpfwörtern an. "Südamerikaner und Afrikaner sind sehr stolz", sagte Bruno Labbadia, "die reagieren auf solche Beleidigungen schon mal heftiger".
Beim HSV ist Guerrero nach Würdigung der Gesamtsituation noch einigermaßen glimpflich davongekommen. Eine Geldstrafe im hohen fünfstelligen Bereich muss er an soziale Einrichtungen zahlen. Auf eine vereinsinterne Sperre aber verzichtete der Klub. Laut Hoffmann, um Guerrero "eine zweite Chance" zu geben. Tatsächlich spielen aber auch pragmatische Gründe eine Rolle: Der Angreifer wird am Donnerstag in der Europa League bei Standard Lüttich gebraucht.
Und der DFB ermittelt
In der Bundesliga ist wahrscheinlich erst einmal Pause, und damit könnte auch seine Liga-Karriere beim HSV zu Ende sein. Wie nicht anders zu erwarten, hat der DFB-Kontrollausschuss am Dienstag ein Ermittlungsverfahren gegen den Peruaner wegen einer "Tätlichkeit gegen einen Zuschauer" eingeleitet.
"Auch wenn Guerrero von einem Zuschauer provoziert worden sein sollte, gilt für ihn das, was auch auf dem Platz gilt: Ein Sportler kennt keine Rache. Wer sich nicht daran hält, wird bestraft", sagte der DFB-Kontrollausschuss-Vorsitzende Anton Nachreiner. Guerrero muss schriftlich zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Anschließend kommt es zu einem Urteil.
Der DFB betritt bei der Bemessung des Strafmaßes Neuland. Vergleichbares hat es in 47 Jahren Bundesliga schließlich nie gegeben. Paolo Guerrero hat sich seinen Platz in der deutschen Fußball-Geschichte auf jeden Fall gesichert - stolz darauf ist er nicht.
Quelle: ntv.de, Andreas Hardt, sid