Traditionsklub vor "Trümmern" Hamburger SV droht neuer, unrühmlicher "Dino"-Titel
21.04.2024, 14:58 Uhr
HSV-Trainer Steffen Baumgart fordert nach der Niederlage gegen Kiel, dass sein Team seine "Hausaufgaben" macht.
(Foto: Marcus Brandt/dpa)
Nach der Pleite gegen Holstein Kiel kann der Hamburger SV den Aufstieg wieder einmal abhaken, der taumelnde Traditionsklub droht nun zum Zweitliga-Dino zu werden. Trainer Steffen Baumgart reagiert gereizt. Aber aufgeben wollen sie erst, wenn nichts mehr geht.
Während aus der Kabine von Holstein Kiel die Party-Musik dröhnte, Jubelschreie zu hören waren und einige Siegerbiere flossen, stapften Sebastian Schonlau und Co. geschlagen und frustriert durch die Katakomben des Volksparkstadions. Denn: Der Hamburger SV kann den Aufstieg abhaken. Wieder einmal. "Es ist schon ganz bitter, wenn man hier im eigenen Stadion die andere Mannschaft feiern sieht", sagte Schonlau, der Kapitän des einst so großen HSV, nach dem 0:1 (0:0) gegen den Tabellenführer. Die Störche stehen da, wo die Hamburger unbedingt hin wollten, der Aufstieg ist zum Greifen nahe. Und der HSV? Kann wohl selbst den Relegationsrang abhaken.
"Realisten sind wir auch alle. Die Jungs, die vor uns sind, machen ihre Hausaufgaben und wir nicht. Das ist erst einmal Fakt", sagte Trainer Steffen Baumgart gereizt. "Wir sollten aber anfangen, unsere Hausaufgaben zu machen. Sonst brauchen wir über nichts zu reden." Dass die HSV-Konkurrenz plötzlich einbricht, erscheint im Moment schwer vorstellbar. Der Tabellendritte Fortuna Düsseldorf hatte vor dem Top-Spiel in Hamburg seine Pflicht gegen die SpVgg Greuther Fürth mit den 1:0 erfüllt und holte den sechsten Sieg nacheinander.
Sechs Punkte beträgt nun der Rückstand auf Fortuna, nur noch zwölf Punkte sind zu vergeben. Dazu kommt, dass der HSV eine um 16 Tore schlechtere Tordifferenz als die Düsseldorfer aufweist. "Mit der Niederlage und der Ausgangslage muss ein Wunder her", sagte Angreifer Robert Glatzel.
Fans pfeifen Team gnadenlos aus
Der Druck vor der Partie war immens, da Düsseldorf vorgelegt hatte, und der HSV gab auch alles. Aber der Baumgart-Elf fehlten schlicht das Tempo, die Ideen, einfach die Klasse, um die Kieler zu knacken. Nach der Partie feierten die Kieler ausgelassen mit ihrem Anhang, darunter auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther im Trikot, die HSV-Fans pfiffen ihr Team hingegen gnadenlos aus. Das hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Der HSV "steht vor den Trümmern einer völlig missratenen Saison", schrieb der "Kicker".
Dass es für den HSV trotz starker Einzelspieler derzeit nicht für ganz oben reicht, ist eine bittere Feststellung kurz vor dem Saisonende. Wenn, wie gegen Holstein Kiel, der Topscorer Laszlo Bénes kurzfristig ausfällt, kann dies nur schwer kompensiert werden. "Wir haben heute nicht schlecht gespielt", sagte Mittelfeldspieler Jonas Meffert. Einsatzbreitschaft war keinem Spieler abzusprechen. Doch "nicht schlecht gespielt" ist eben nicht aufstiegsreif.
Dass das Gegentor durch Tom Rothe (59.) wegen eines vermeintlichen Fouls von Kiels Marko Ivezic an HSV-Torwart Matheo Raab ("Für mich ist es unbegreiflich, wie man da nicht pfeifen kann") zumindest diskutabel war, war unglücklich für die Hamburger. Dass ihnen nach der Gelb-Roten Karte für den Ex-HSVler Lewis Holtby (73.) in Überzahl nicht viel einfiel, war aber ein Beleg für die Defizite vor allem in der Offensive. Die Situation der Kieler erscheint wie ein Gegenentwurf zum HSV. Spielerisch hatten sie nicht geglänzt. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der sie agierten, das Selbstbewusstsein und die Einsatzlust waren ständig zu spüren. Die verletzungsbedingte Auswechslung von Finn Porath (24.) wurde durch Siegtorschütze Rothe bestens ausgeglichen.
Kämpfen, auch wenn es aussichtslos erscheint
Mit ziemlicher Sicherheit geht der HSV im Sommer in sein dann siebtes Zweitliga-Jahr, es droht damit der unrühmliche Titel des "Zweitliga-Dino". Sollten es Kiel und der Stadtrivale St. Pauli in die Bundesliga schaffen, wäre der HSV nämlich der dienstälteste Zweitliga-Klub. Doch "aufgeben" ist für Baumgart keine Option. Und Glatzel meinte: "Solange noch etwas möglich ist, muss man bis zum Ende immer alles versuchen. Aber klar ist, dass jetzt alles zusammenkommen muss." Voll überzeugt, klangen sie dabei aber nicht.
Die Kieler schweben hingegen nach sechs Siegen in Serie ohne Gegentor dem ersten Bundesliga-Aufstieg der Vereinsgeschichte entgegen, doch das A-Wort wollte noch niemand so richtig in den Mund nehmen. Zweimal waren sie schon knapp dran, zweimal klappte es in der Relegation (2018 und 2021) dann doch nicht. Doch nun soll es endlich was werden mit der ganz großen Party. "Wenn wir weiter solche Leistungen bringen, stehen die Chancen gut", sagte Kapitän Philipp Sander.
Quelle: ntv.de, tno/dpa/sid