Fußball

Rekordtrainer Funkel im Interview "Hertha weiß, wen sie fürchtet"

"Es hing am seidenen Faden, dass wir es trotz allem in Berlin nicht geschafft haben": Friedhelm Funkel.

"Es hing am seidenen Faden, dass wir es trotz allem in Berlin nicht geschafft haben": Friedhelm Funkel.

(Foto: picture alliance / dpa)

Er ist der Trainer mit den meisten Einsätzen im deutschen Profifußball, über 1000 Spiele sind es mittlerweile. Und Friedhelm Funkel, 57 Jahre alt, ist Spezialist für Aufstiege. Fünf Mal hat er eine Mannschaft ins Oberhaus geführt. Auch mit dem VfL Bochum ist er, nach neun Spielen ohne Niederlage, auf einem guten Weg zurück in die erste Liga. Mit n-tv.de spricht Funkel über sein Erfolgsgeheimnis, sein dickes Fell und die Journaille in Berlin, die ihm immer noch ankreidet, dass er mit der Hertha in der vergangenen Saison abgestiegen ist.

n-tv.de: Herr Funkel, fünfmal sind Sie mit einer Mannschaft von der zweiten in die erste Liga aufgestiegen. Und auch jetzt mit dem VfL Bochum sind Sie auf einem guten Weg. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Friedhelm Funkel: Das gibt's nicht. Es sind immer wieder neue Situationen, denen man sich stellen muss, ob außerhalb des Platzes oder auf dem Rasen. Ein Patentrezept gibt's da nicht.

Aber spielt da Ihre Erfahrung nicht eine entscheidende Rolle? Schließlich gibt es kaum eine Situation, die Sie als Trainer nicht schon einmal erlebt haben.

Auch das ist von Verein zu Verein anders, weil sie andere Spieler haben, ein anderes Umfeld und möglicherweise eine andere Erwartungshaltung. Trotzdem hilft es, auch einmal zurückzublicken. Die Erfahrung, die ich im Laufe der Jahrzehnte gesammelt habe, hilft mir vor allem dabei, Ruhe zu bewahren, nie etwas in Hektik zu machen, nicht nervös zu werden, sondern alles sorgfältig zu überdenken.

Weil die Mannschaft dann ruhig bleibt, auch wenn's schlecht läuft?

Ich glaube schon, dass es sich auf die Mannschaft überträgt, wenn man sachlich bleibt. Dennoch habe ich im Verlauf der Hinrunde konkret angesprochen, was mir missfällt. Dass ich nach der 1:4-Niederlage gegen Ingolstadt nicht mehr bereit war, diesen Weg weiterzugehen, sondern dass es Veränderungen geben wird. Die haben wir in der Weihnachtspause durchgezogen. Und die waren zu 100 Prozent richtig.

"Ich weiß nicht, ob die Berliner glauben, dass sie ein Problem kriegen."

"Ich weiß nicht, ob die Berliner glauben, dass sie ein Problem kriegen."

(Foto: picture alliance / dpa)

Ist es so, dass sich ein Absteiger erst einmal auf die neue Liga einlassen muss?

Das wird mir ein bisschen zu hochgehangen. In der zweiten Liga wird auch Fußball gespielt. Anders für Absteiger wie Hertha und Bochum ist in erster Linie, dass wir jetzt auf einmal der Favorit sind. In der Bundesliga waren wir das nie. Anders ist, dass die Gegner sich in der Regel defensiver verhalten, dass sie besonders motiviert sind. Damit hatten wir anfangs schon Probleme mit. Aber eine Saison dauert ja nicht 14 oder 15 Spiele, sondern 34. Und am Ende stehen die Auf- und Absteiger fest.

Jetzt ist der VfL Bochum wieder im Aufstiegsrennen dabei. Und die Berliner "BZ" titelte jüngst: "Hertha hat Angst vor Funkel". Werden die in Berlin jetzt nervös?

Ich weiß nicht, ob die Berliner glauben, dass sie ein Problem kriegen. Die haben ja nicht nur den VfL Bochum im Kopf. Der FC Augsburg hat eine ganz starke Mannschaft, der MSV Duisburg, Energie Cottbus, Greuther Fürth – und auch wir sind stark. Diese sechs Vereine machen die ersten drei Plätze unter sich aus.

Und wer macht das Rennen?

Alle Mannschaften, die oben stehen, haben schon eine erfolglose Phase hinter sich. Und die Mannschaft, die jetzt in den letzten zwölf Spielen die konstanteste Form hat, steigt auf. Wer das ist, weiß ich nicht.

Wir nehmen an, dass Sie Ihr Team, was die Konstanz betrifft, auf gutem Niveau sehen?

Zurzeit, keine Frage. Aber ich weiß ja nicht, wie lange das anhält. Dass wir noch mal ein Spiel verlieren, steht für mich außer Frage. Aber Du darfst jetzt nicht eine Serie von fünf sieglosen Spielen haben. Das wäre fatal, egal für welche Mannschaft.

Bleiben Sie dabei, dass Hertha die unangefochtene Nummer eins ist?

Das sehe ich immer noch so. Weil sie die besten Einzelspieler haben, die Spiele entscheiden können. Ob das Rafael ist, Ramos oder der junge Lasogga. Mit den Zuschauern, mit der Heimstärke wird Hertha unangefochten aufsteigen. Davon bin ich fest überzeugt.

"Aber das wollen einige Berliner Journalisten nicht wahrhaben."

"Aber das wollen einige Berliner Journalisten nicht wahrhaben."

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Boulevardzeitungen in Berlin sprechen von Ihnen noch immer als den Mann, der Berlins Fußball in die Zweitklassigkeit abstürzen ließ. Beschäftigt Sie so etwas?

Das hat mich weder da beschäftigt, noch beschäftigt mich das jetzt. Wer aufmerksam und unvoreingenommen die komplette Rückserie durchleuchtet, sieht: Damals haben uns nur Kleinigkeiten gefehlt. Wir haben eine richtig gute Rückrunde gespielt. Nur die Ergebnisse haben nicht gestimmt.

Ergebnisse sind aber im Fußball nicht unwichtig.

Ich kann das an einem einzigen Punkt festmachen: Wenn Theofanis Gekas in Berlin nur halb so glücklich agiert hätte wie jetzt in der Hinrunde bei Eintracht Frankfurt, wären wir nie abgestiegen. Wir haben in der Rückrunde gute Arbeit gemacht. Wir hatten eine Mannschaft auf dem Platz, die jedes Mal ihre Leistung abgerufen hat. Es gab nicht ein Spiel, wo wir hoffnungslos unterlegen waren. Es hing am seidenen Faden, dass wir es trotz allem nicht geschafft haben. Aber das wollen einige Berliner Journalisten nicht wahrhaben.

Setzt Ihnen persönliche Kritik denn gar nicht zu?

Die Berliner Journaille war da etwas bösartig im Umgang mit mir. Aber das hat mir letztendlich nichts ausgemacht. Vor zehn Jahren hätte mir das was ausgemacht.

Haben Sie sich im Laufe der Jahre ein dickes Fell zugelegt?

Vielleicht liegt das ein bisschen auch am Typ, da muss man mit umgehen können. Ich habe das nie persönlich an mich rankommen lassen, nie. Wenn man sieht, dass die das heute noch so sehen, kann ich nur darüber schmunzeln. Weil ich genau weiß, wie wir gearbeitet haben. Sie wissen in Berlin schon, warum sie den einen oder anderen Gegner fürchten.

Ist es da eine kleine Genugtuung, wenn die Berlin Journaille nun schreibt, dass Hertha Angst vor Ihnen hat?

Nein, dann würde ich mich ja darüber freuen. Das interessiert mich wirklich nicht, ganz bestimmt nicht. Ich kann das einschätzen und weiß, dass die meisten Dinge, die geschrieben wurden, nicht richtig waren.

Welche Rolle spielt denn das Umfeld? Ist es in Bochum, wo der VfL nicht so im Fokus der Medien steht, einfacher als in Berlin?

Einfacher macht's das nicht – weil die Medien für mich letztendlich nicht entscheidend sind. Du musst von dem Weg, den du gehst, überzeugt sein. Egal, was da geschrieben und geredet wird. Für die Spieler ist es vielleicht etwas einfacher, in Bochum mit so einer schwierigen Situation umzugehen als es in Köln oder Berlin ist, wo die Medien wesentlich härter mit einem umgehen.

Und wie haben Sie das mit der Rückendeckung hier in Bochum empfunden?

Wir intern haben den Aufstieg ja nie aus den Augen verloren. Und Rückendeckung habe ich übrigens auch in Berlin immer gehabt – vom Verein. Das ist das Entscheidende. Hier in Bochum ist das nicht anders.

Und was ist mit den unzufriedenen Bochumer Fans?

Es gibt überall Fans, die unzufrieden sind und die Spieler kritisieren. Wie die Mannschaft sich das Vertrauen jedoch zurückgeholt hat, ist beeindruckend. Zumal hier nach dem Abstieg eine ganz schlechte Stimmung zwischen Mannschaft und Verein auf der einen sowie den Fans auf der anderen Seite herrschte. Das Team hat aber an sich gearbeitet, was dann auch von den Fans honoriert wurde. Das ist ein fast noch größerer Erfolg als die Punkte auf dem Platz. Wir haben gegen Oberhausen erstmals über 16.000 Zuschauer gehabt. Und erwarten heute gegen Düsseldorf an die 25.000 Zuschauer. Auch das ist ein Indiz, dass es wieder aufwärts geht.

Quelle: ntv.de, mit Friedhelm Funkel sprach Stefan Giannakoulis

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