Pfannenstiel-Fazit zum Afrika-Cup "Ich hab mir Malaria eingefangen"
11.02.2012, 06:23 Uhr
Die Elfenbeinküste kann sich im Finale nur selber schlagen, glaubt Lutz Pfannenstiel.
(Foto: REUTERS)
Mit dem Finale zwischen Topfavorit Elfenbeinküste und Überraschungsfinalist Sambia endet der Afrika-Cup 2012. Lutz Pfannenstiel ist ein Kenner des afrikanischen Fußballs, mehrere Jahre spielte der einstige Welttorhüter auf dem schwarzen Kontinent. Vor dem Finale des Turniers, das in Gabun und dem diktatorisch regierten Äquatorialguinea ausgetragen wurde, zieht er im Gespräch mit n-tv.de Bilanz. Er erzählt von den Überraschungen und Enttäuschungen, dem Schatten der Angst auf dem Fußball in Äquatorialguinea, Problemen des afrikanischen Fußballs, dem Stellenwert des Cups auf dem Kontinent - und zieht ein überraschendes Fazit.

Lutz Pfannenstiel scoutet für 1899 Hoffenheim Talente in Afrika. In seiner aktiven spielte der frühere Torwart auf allen Kontinenten.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
n-tv.de: Herr Pfannenstiel, im Afrika-Cup steht das Finale an: Elfenbeinküste gegen Sambia. Wer wird gewinnen?
Lutz Pfannenstiel: Ich denke, die Elfenbeinküste. Ich habe mir beide Halbfinals angeschaut und ich muss sagen, dass Sambia im Spiel gegen Ghana sehr viel Glück hatte. Ghana war eigentlich die bessere Mannschaft. Das Team, das den Ton angeben hat und die meisten Chancen hatte. Sambia hat im ganzen Spiel nur zwei Mal aufs Tor geschossen – und am Ende 1:0 gewonnen, weil Ghana auch noch einen Elfer verschossen hat. Die Elfenbeinküste wiederum hat das stärkste Team dieses Turniers und einen überragenden Didier Drogba. Das knappe 1:0 im Halbfinale gegen Mali täuscht etwas über die gezeigte Leistung: Die Ivorer hatten bereits in den ersten 20 Spielminuten zwei Aluminiumtreffer. Und Malis Mannschaft war nach dem schweren Viertelfinale gegen Gabun einfach noch zu müde. Die Elfenbeinküste sind im Finale daher mein klarer Favorit. Sambia hat eigentlich gar keiner auf der Liste, trotz des erfrischenden Offensivfußballs.
Einige Topteams des Kontinents konnten sich überraschend nicht qualifizieren: Nigeria, Ex-Sieger Ägypten etc. Wie war das sportliche Niveau des Turniers? Konnten kleinere, unbekanntere Teams in die Bresche springen?
Die kleineren Teams wie Niger oder Botswana konnten sich nicht so in Szene setzen, wie man sich das erhofft hatte. Aber mit Sambia oder dem Sudan waren schon Mannschaften dabei, die überraschend guten Fußball gespielt haben. Riesenenttäuschungen waren für mich der Senegal, vor dem Turnier einer der Mitfavoriten auf den Titel, und Burkina Faso. Die haben gar nichts gerissen, keinen einzigen Punkt geholt. Das Niveau ganz klar bestimmt haben die Elfenbeinküste und Ghana. Auch wenn Ghana sich letzten Endes an Sambia die Zähne ausgebissen hat.
Apropos Jugendstil. Der ist in Europa nicht zuletzt wegen der deutschen Nationalelf derzeit absolut in. Gibt es taktische Unterschiede zwischen dem afrikanischen und europäischen Fußball?
Auffällig war beim Afrika-Cup, dass relativ wenig junge Spieler dabei waren. Sehr viele Mannschaften haben auf Erfahrung gesetzt und auf das Alter gebaut. Auch Sambia und die Elfenbeinküste haben keine jungen Mannschaften. Im Gegensatz zu vielen europäischen Teams stellt bei afrikanischen Mannschaften die Torwartposition weiterhin ein großes Problem dar. Da gab es wieder einige katastrophale Aussetzer.
Gibt es auch Unterschiede in der Fankultur? Feiern die Afrikaner anders als die Europäer, die Deutschen?
Die Unterstützung der Fans ist hier ganz anders. Als die beiden Gastgeber Gabun und Äquatorialguinea ausgeschieden waren, war das Turnier praktisch stimmungsmäßig tot. Beim Spiel Elfenbeinküste gegen Mali, zwei absolute Schwergewichte des Kontinents, und immerhin ein Halbfinale des Turniers, waren nur knapp 10.000 Zuschauer. Das Stadion war fast leer (Fassungsvermögen: 40.000 Zuschauer Anm. der Red.). Das ist natürlich enttäuschend. Wenn dagegen Gastgeber Gabun gegen irgendeine Micky-Maus-Elf gespielt hätte, wäre das Stadion ausverkauft gewesen. Darunter leidet natürlich die Stimmung. Das ist aber ein bekanntes Problem. Auch beim Afrika-Cup in Angola war das so. Das ist natürlich schade, weil der Afrika-Cup als viertgrößtes Fußballturnier der Welt gilt - nach WM, EM und Südamerika-Meisterschaft. Der Stellenwert weltweit ist also schon recht hoch.
Der Afrika-Cup wird seinem Stellenwert also nicht gerecht?
Gut, ich sage es mal so. Die Menschen hier würden sich natürlich liebend gern die Spiele anschauen, aber wenn ein Halbfinalticket 25 bis 30 Euro kostet, dann kann sich das ein normaler Mensch hier, der fast nichts verdient, natürlich nicht leisten. Wenn die Veranstalter meinen, dass sie diese Ticketpreise verlangen müssen, müssen sie auch damit rechnen, dass kaum einer im Stadion ist. Die Fans schauen sich die Spiele lieber zu Hause vor dem Fernseher an, dank dieser Preispolitik.
Stichwort Politik: Der Vorwurf an Co-Gastgeber Äquatorialguinea lautet, dass der dort seit 1979 herrschende Machthaber Teodoro Obiang mit dem Afrika-Cup von der Diktatur und den Problemen des Landes ablenken will. Ist ihm das gelungen?
Der Afrika-Cup wurde natürlich als politische Propaganda benutzt. Das ist gar keine Frage. Ebensowenig wie die, dass sich Obiang damit bestimmte Sympathien erarbeiten wollte. Ob ihm das gelungen ist, weiß ich nicht. Ich selbst bin nie gern zu Spielen in das Land geflogen. Ganz einfach weil der Spaßfaktor dort sehr schnell abhandenkommt: Du spürst bereits nach der Ankunft im Flughafen, dass die Menschen Angst haben. Das setzt sich bis vor und in die Stadien fort. Bewaffnete Sicherheitskräfte stehen dort an jeder Ecke. Beim kleinsten Gedränge wird Tränengas eingesetzt. Die Menschen sind einfach eingeschüchtert.

Der Star des Turniers: Didier Drogbas Präsenz, Ballbeherrschung und Technik sind unerreicht.
(Foto: REUTERS)
Zurück zum Fußball: Wer war der Star des Turniers?
Es gab sehr viele interessante Spieler, die sich in den Vordergrund spielen konnten. Aber letzten Endes - über das ganze Turnier betrachtet – ist der Großmeister, Didier Drogba, noch immer das Maß der Dinge. Durch seine körperliche Präsenz, seine Stärke am Ball, seine Lufthoheit ist er über 90 Minuten brandgefährlich. Da kommt in Afrika derzeit kein anderer Spieler heran.
Sie arbeiten auch als Scout für 1899 Hoffenheim. Haben Sie Talente gesehen, die es nach Deutschland schaffen könnten?
Natürlich. (Lacht) Wobei sich die Situation geändert hat: Vor 15 Jahren spielten fast alle afrikanischen Spieler in heimischen Ligen. Heute verdient der Großteil der Spieler bereits sein Geld außerhalb des Kontinents, in Belgien, England, Deutschland. Aber der ein oder andere interessante Spieler ist mir natürlich aufgefallen.
Was lautet Ihr Fazit zum Afrika-Cup 2012? Was nehmen Sie persönlich von diesem Turnier mit?
Ich habe mir Malaria eingefangen. (Lacht) Nein, im Ernst: Von der Organisation her war der Afrika-Cup 2012 deutlich besser als sein Vorgänger in Angola. Alles in allem war der Cup ein relativ angenehmes, schönes Turnier - und auch wieder ein Turnier, wo man viel über den afrikanischen Fußball und die afrikanische Mentalität lernen konnte.
Quelle: ntv.de, Mit Lutz Pfannenstiel sprach Thomas Badtke