DFB-Elf in der Einzelkritik Käpt'n Müller vermasselt's, Götze groovt
16.11.2016, 05:29 Uhr
Ciro Immobile zirkelt den Ball um Benedikt Höwedes' Knie.
(Foto: imago/Insidefoto)
War okay, mehr aber auch nicht. Die deutsche Fußball-Nationalelf ist nach dem 0:0 in Italien dennoch zufrieden. Gündogan glänzt, Hummels schont sich - und die Italiener pfeifen. Die Einzelkritik
Joachim Löw klagte nicht: "Insgesamt haben sich die Spieler, hat sich die Mannschaft hervorragend geschlagen. Taktisch gesehen haben wir es über weite Strecken sehr gut gemacht." Was sollte der Fußball-Bundestrainer auch sagen? Er hatte das deutsche Team ja selbst so aufgestellt. Und bemüht haben sich wirklich alle an diesem kühlen Dienstagabend in Mailand. So stand am Ende vor 48.600 im längst nicht ausverkauften Guiseppe-Meazza-Stadion ein 0:0 im Testspiel gegen Italien, mit dem letztlich alle zufrieden waren.
Italien: Buffon (46. Donnarumma) - Rugani, Bonucci, Romagnoli (46. Astori) - Zappacosta, de Rossi, Parolo, Darmian - Eder (68. Bernardeschi), Belotti (88. Sansone), Immobile (89. Zaza)
Deutschland: Leno - Höwedes, Mustafi, Hummels (46. Tah) - Kimmich, Rudy, Weigl (70. Götze), Gerhardt - Gündogan, Goretzka (60. Gnabry) - Müller (60. Volland)
Schiedsrichter: Artur Soares Dias (Portugal)
Zuschauer: 48.600 in Mailand
Benedikt Höwedes fasste es so zusammen: "Das war ganz ordentlich." In der Tat, das war es. Nicht weniger, dafür waren in San Siro zu viele gute Fußballer dabei; aber ganz bestimmt auch nicht mehr. Und je länger das Spiel dauerte, desto mehr ging es für das deutsche Team darum, zum Abschluss dieses Länderspieljahres nicht doch noch zu verlieren - nicht gegen Italien. Um so viel Prestige ging es dann doch beim dritten Aufeinandertreffen in diesem Jahr. Mit dem Glück von Mailand und der Spielkunst in den Partien zuvor kann das was werden mit dieser DFB-Elf. Die Spieler in der Einzelkritik:
Bernd Leno: Nachdem sein ebenfalls 24 Jahre alter Konkurrent und Kollege Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona beim 8:0 in San Marino sein erstes Pflichtspiel für die DFB-Elf absolviert hatte und so zu seinem insgesamt achten Länderspiel gekommen war, war nun in Mailand der Leverkusener an der Reihe, in seinem dritten Länderspiel den maladen Manuel Neuer zu vertreten. Und er trug, obwohl nicht überbeschäftigt, seinen Teil dazu bei, dass die deutsche Mannschaft auch im sechsten Spiel nach der Europameisterschaft ohne Gegentor blieb: Nach 26 Minuten in telepathischer Manier, als er mit der Kraft seiner Gedanken dafür sorgte, dass der ehemalige Dortmunder Ciro Immobile den Ball aus 13 Metern über sein Tor schoss. Zugegeben, Leno hatte auch nicht ungeschickt den Winkel verkürzt. Kurz vor Beginn der Schlussviertelstunde setzte er dann auf die Kraft seiner Hände, als er einen Schuss von Federico Bernardeschi abwehrte. Und als er acht Minuten vor dem Ende der Partie dann doch geschlagen war, prallte der Ball bei einem Schuss des Italieners Andrea Belotti an den Pfosten. Fazit: Kein Gegentor, alles richtig gemacht. Oder wie er es formulierte: "Wir können mit dem Ergebnis leben. Wir wollten zu Null spielen, das haben wir geschafft. Vorne hätten wir mehr Durchschlagskraft gebraucht, dann hätten wir das Spiel gewinnen können."
Benedikt Höwedes: Der leidenschaftliche Zweikämpfer hatte am rechten Ende der neu formierten Dreierabwehrkette mit besagtem Immobile einen Gegner, an dem er sich messen konnte - und meist Sieger blieb. Das war jetzt nicht alles brillant vom 28 Jahre alten Schalker in seinem 43. Länderspiel, bisweilen rannte er auch einfach hinterher. Aber insgesamt hat er wieder einmal bewiesen, dass der Bundestrainer sich auf ihn verlassen kann: Und nachdem Thomas Müller raus war, durfte er gar für eine halbe Stunde die Kapitänsbinde tragen. Sein Fazit, wie oben erwähnt: "Das war ganz ordentlich." Weil: "in der ersten Halbzeit waren wir dominant, hatten viel Ballbesitz und ein gutes Positionsspiel. In der zweiten Halbzeit war Italien bei Kontern gefährlich, das ist ihre Stärke. Da hatten sie Übergewicht. In der Summe geht das 0:0 in Ordnung."
Shkodran Mustafi: Der 24 Jahre alte Innenverteidiger des FC Arsenal hatte in seinem 15. Länderspiel an zentraler Stelle in der Dreierabwehrkette vor allen in der zweiten, nicht mehr so guten Halbzeit doch einiges zu klären, wegzuschlagen und abzugrätschen. Das alles machte er sehr gut, war passsicher, bissig in den Zweikämpfen und - fix auf den Beinen und im Kopf - oft schon dort, wo der Ball dann erst hinkam. Nur einmal passte er nicht auf und ließ sich von Belotti austanzen. Dass der Angreifer des FC Turin dann den Ball zwar am deutschen Torhüter Leno vorbei, aber an den Pfosten schoss, darf Mustafi ruhig unter der Rubrik "Glück des Tüchtigen" abbuchen.
Mats Hummels: Der Bundestrainer hatte angekündigt, dass keiner seiner Spieler völlig überlastet von dieser Länderspielreise zu seinem Klub zurückkehren wird. Und da Mats Hummels, 27 Jahre alt, am Samstag in der Bundesliga mit dem FC Bayern bei seinem alten Verein in Dortmund spielt, war sein 54. Länderspiel im Grunde nur ein halbes, da er in der Halbzeit in der Kabine bleiben durfte. Bis dahin hatte er seine Arbeit am linken Ende der Dreierkette abgezockt wie stets erledigt, Citadin Martins Eder war für ihn kein Problem. "Alles in allem war das noch mal ein sehr guter Test für uns. Am Ende des Tages kann man sagen, dass wir mehr gute als schlechte Sachen gesehen haben." Für ihn spielte nach der Pause der 20 Jahre alte Leverkusener Jonathan Tah. Der machte in seinem dritten Länderspiel nach zehn Minuten erstmals auf sich aufmerksam, als er gemeinsam mit dem Kollegen Mustafi Italiens Angreifer Andrea Belotti zu Fall brachte - allerdings nicht auf unerlaubte Art und Weise, wie der portugiesische Schiedsrichter Paulo Santos Soares entschied. Sechs Minute später aber zeigte er Tah nach einer Grätsche gegen Eder zurecht die Gelbe Karte.
Joshua Kimmich: Der 21 Jahre alte Überallspieler des FC Bayern fungierte in seinem elften Länderspiel im Löw'schen 3-4-2-1 auf der rechten Seite im Mittelfeld, rückte aber wie sein Pendant Yannick Gerhardt auf der anderen Seite im Verteidigungsfall zurück, so dass aus der Dreierabwehrkette eine Fünferkette wurde. Vier Minuten vor der Pause machte er Bekanntschaft mit Davide Zappacosta, der es allein wegen des Namens wert ist, erwähnt zu werden. Zappacosta jedenfalls, Mittelfeldspieler des FC Turin, schubste ihn in der 38. Minute beim Kampf um den Ball einfach mal weg. Und Kimmich? Schien arg verdutzt und mag gedacht haben: Das ist sie also, diese internationale Härte. Der Schiedsrichter ließ es jedenfalls durchgehen. Drei Minuten später hätte er allerdings Ciro Immobile die Gelbe Karte zeigen müssen, als er dem armen Kimmich einfach vor die Brust schlug. Der aber bewahrte die Ruhe und löste seine Aufgaben so souverän, als sei er ein ganz alter Hase.
Julian Weigl: Fleißig ist er ja, schon zur Halbzeit hatte der 21 Jahre alte Dortmunder bei seinem Startelfdebüt im vierten Länderspiel auf seiner Position im defensiven Mittelfeld mit 57 Ballkontakten die meisten aller 22 Spieler. Aber er ist auch stark im Zweikampf, und seine Pässe finden meist ihren Adressaten. Schnörkellos ist zwar ein Attribut, das heutzutage nur noch Sportreporter verwenden, aber bei ihm passt es halt, auch wenn in San Siro nicht alles klappte. Nach einer knappen Stunde passte er gut auf, als der bereits mehrfach erwähnte Belotti in den Strafraum eindrang und Weigl ihm geschickt den Ball wegspitzelte. In der 70. Minute ging er raus, für ihn kam sein 24 Jahre alter Vereinskollege Mario Götze in die Partie und zu seinem 62. Länderspiel, um sich schon einmal für das Topspiel gegen den FC Bayern am Samstag (ab 18.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) im Westfalenstadion einzugrooven.
Sebastian Rudy: Das war eine starke Partie des 26 Jahre alten Hoffenheimers, den der Bundestrainer noch kurz vor der EM aussortiert hatte. In seinem zwölften Länderspiel nun war er an der Seite Weigls vor allem vor der Pause auffällig oft am Ball und mühte sich redlich um den Spielaufbau. Löw hatte schon vorher angekündigt, dass er Rudy eher im Mittelfeld als in der Abwehr einsetzen möchte. Und in dieser Form ist er für den Posten des Sechsers eine echte Alternative; robust, zweikampfstark, ruhig am Ball und mit einem guten Auge für seine Mitspieler. Sein Problem dürfte nur sein, dass Toni Kroos demnächst ja auch wieder mitmacht. Und dass Ilkay Gündogan nicht immer so weit vorne spielt.
Yannick Gerhardt: Nach dem Leverkusener Benjamin Henrichs und dem Bremer Serge Gnabry beim 8:0 in San Marino war es nun der 22 Jahre alte Wolfsburger, der auf dieser Länderspielreise sein allererstes Länderspiel bestreiten durfte. Er ist, so viel für die Freunde der gepflegten Statistik, der 86. Debütant in der Löw´schen Amtszeit. Und Gerhardt machte seine Sache auf der linken Seite durchaus solide und mit großem Engagement. Ihm hat es dann auch gefallen: "Ich bin gerade einer der glücklichsten Menschen auf diesem Planeten."
Leon Goretzka: Der Bundestrainer hatte vor diesem Testspiel den 21 Jahre alten Schalker und Ex-Bochumer als einen der Besten seines Jahrgangs geadelt. Er möge sich doch bitte nur nicht so häufig verletzen. In der Tat lässt sich gefahrlos behaupten, dass sein drittes Länderspiel sein bestes war. Mit der geschichtsträchtigen Nummer 10 auf dem Rücken war er ständig unterwegs, holte sich in vielen Situationen den Ball vom Gegner, hatte meist das Tor der Italiener im Blick, hatte nach zwölf Minuten die erste Chance und bereitete kurz vor der Pause mit einem kunstvollen Hackentrick eine durchaus gute Möglichkeit seines Kapitäns Thomas Müller vor. Wir würden uns freuen, ihn demnächst wieder im Nationalteam zu sehen. Allerdings steht das nächste Spiel erst am 22. März 2017 an, wenn es in Dortmund gegen England geht. Nach einer starken Stunde war Schluss, für ihn schickte Löw den 21 Jahre alten Serge Gnabry vom SV Werder auf den Rasen. Und was machte der dreifache Torschütze von San Marino in seinem zweiten Länderspiel? Jedenfalls kein Tor.
Ilkay Gündogan: In seinem erst 20. Länderspiel deutete der 26 Jahre alte Feingeist von Manchester City an, dass er einer ist, der im Ernstfall ein Spiel prägen kann. Und ob er nun auf der Sechs oder wie nun im Mailand im offensiven Mittelfeld spielt, sei ihm eher egal, hatte er jüngst gesagt. Seine Pässe, seine Dribblings, seine Torschüsse - das sah alles gut aus. Um nicht zu sagen: Er ist tatsächlich ein Spielmacher. Sein Kommentar: "So souverän hier aufzutreten, das zeugt schon von Qualität." Da hatte er wohl verdrängt, dass es die Italiener waren, die in der zweiten Halbzeit das Tor des Gegners bedrängten. Sechs Minuten vor dem Ende der Partie sah er eine Gelbe Karte, weil er mit einer Schwalbe versucht hatte, einen Elfmeter zu provozieren. Alles in allem aber: guter Mann!
Thomas Müller: Dank seiner Ader für diplomatisches Geschick und der Abwesenheit von Manuel Neuer durfte der 27 Jahre alte Liebhaber des Amateurfußballs in seinem 83. Länderspiel das Abzeichen des Kapitäns am linken Oberarm tragen. "Ich bin stolz, dass ich diese Jungs aufs Feld führen durfte. Das ist etwas Besonderes für mich." Und kurz vor der Pause hätte er tatsächlich beinahe ein Tor geschossen. Der Kollege Rudy hatte den Ball in des Gegners Strafraum schön mit der Hacke abgelegt, Müller schoss - und schoss den Italiener Daniele Rugani an. Wieder nichts. Es war auch seine letzte Chance an diesem für ihn glücklosen Abend in San Siro, an dem er sich die Pfiffe der italienischen Fans anhören musste, weil er die Amateure aus San Marino Amateure genannt hatte. Hinterher ließ er ausrichten, das habe er keineswegs despektierlich gemeint, auch der Bundestrainer verteidigte ihn: "Er hat gemeint, dass sie keine Profis sind, sich hinten reinstellen und nur die Höhe unseres Sieges in Grenzen halten wollten. Aber natürlich sind das Amateure. Ich halte die ganzen Reaktionen für ein wenig überzogen." In der zweiten Halbzeit versuchte sich der 24 Jahre alte Leverkusener Kevin Volland in seinem zehnten Länderspiel als vorderster Angreifer. Knapp 20 Minuten später erzielte er glatt ein Tor - allerdings stand er dabei im Abseits.
Quelle: ntv.de