Fußball

DFB-Elf: Spiel des Jahres in Moskau Kein Alibi auf dem Teppich

Er ist giftgrün und völlig eben. Und er liegt im Moskauer Luschniki-Stadion, das früher Lenin-Stadion hieß und seinerseits an der schönen Moskwa liegt. Dort, im Stadion, nicht im Fluss, werden ab 17 Uhr am Samstag 85.000 Menschen zusehen, wie die deutsche Fußballnationalmannschaft gegen die aus Russland spielt und versucht, sich für die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika zu qualifizieren. Sie werden das auf Kunstrasen tun.

Kunst auf Rasen? Am Samstag spielt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Moskau - auf Kunstrasen. Bundestrainer Jochim Löw, Co-Trainer Hansi Flick, links, und Manager Oliver Bierhoff sehen sich die Plastikhalme ganz genau an.

Kunst auf Rasen? Am Samstag spielt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Moskau - auf Kunstrasen. Bundestrainer Jochim Löw, Co-Trainer Hansi Flick, links, und Manager Oliver Bierhoff sehen sich die Plastikhalme ganz genau an.

(Foto: dpa)

Für die deutschen Spieler ist das eine Premiere. Aber eigentlich ist das gar nicht so wichtig. Sagt Joachim Löw. Er muss es wissen – schließlich ist er der Bundestrainer. Er sagt: "Der Kunstrasen darf kein Alibi sein." Und weil das nicht so wichtig ist, stellen wir hier all die anderen wichtigen Fragen, die sich vor dem wichtigsten Spiel des Jahres stellen – und versuchen uns auch gleich an den Antworten.

Kunstrasen hin, Kunstrasen her. Da heißt es einfach, schön auf dem Teppich, respektive dem grünen Synthetik-Boden zu bleiben. Einer, der sich damit auskennt, ist Oliver Bierhoff. Der kümmert sich bei der deutschen Nationalmannschaft als Manager zwar um alles, was nicht direkt mit dem Fußballspielen zu tun hat. Aber immerhin hat er früher selber gespielt, wenn auch nicht auf Kunstrasen. Er sagt: "Wir sollten daraus kein Thema machen und uns ein Alibi verschaffen."

Warum ist das Spiel in Moskau so wichtig?

Es geht darum, wir erwähnten es, sich für die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika zu qualifizieren - und das möglichst ohne Umweg. Dazu ist es hilfreich, die Gruppe vier zu gewinnen. Deutschland führt die Tabelle mit 22 Punkten vor Russland mit 21 Punkten an. Das heißt: Spielt die DFB-Elf in Moskau auf den giftgrünen Teppich unentschieden und gewinnt am Mittwoch, 14. Oktober, in Hamburg gegen Finnland, ist sie in Südafrika dabei. Das gilt natürlich auch, wenn Deutschland in Russland gewinnt. Dann hat das Spiel gegen Finnland allenfalls freundschaftlichen Wert.

"Wer sich auf uns verlässt, ist verlassen": Berti Vogts.

"Wer sich auf uns verlässt, ist verlassen": Berti Vogts.

(Foto: REUTERS)

Verliert die deutsche Mannschaft am Samstag, wird es eng mit dem Gruppensieg. Dann muss sie gegen Finnland unbedingt gewinnen und darauf hoffen, dass Aserbaidschan am letzten Spieltag im Heimspiel gegen Russland zumindest einen Punkt holt. Trainer der Aserbaidschaner ist Berti Vogts. Er sagte, nachdem seine Mannschaft mit 0:4 gegen die deutsche verloren hatte: "Wer sich auf uns verlässt, ist verlassen." Und er hat auch gesagt: "Man sollte aufhören, ständig über den Kunstrasen zu mäkeln."

Abgesehen davon bedeutet aber auch Platz zwei in der WM-Qualifikationsgruppe vier nicht, dass die Deutschen in Südafrika nicht mitspielen dürfen. Sie müssen sich halt im November in zwei Ausscheidungsspielen gegen einen der anderen sieben europäischen Gruppenzweiten durchsetzen. Der Weltverband Fifa hat beschlossen, dass die vier besten Zweiten gesetzt sind, also nicht gegeneinander spielen. Gegner wie Vize-Weltmeister Frankreich und der ehemalige WM-Dritte Kroatien würden nach derzeitigem Stand nicht gegen Deutschland spielen. Die Setzliste wird am 16. Oktober veröffentlicht - zwei Tage nach den entscheidenden Qualifikationsspielen. Der sicherste Weg ist aber immer noch, in Moskau auf dem Teppich zu bleiben und möglichst zu gewinnen.

Bereit für das Spiel des Jahres?

Es gibt Menschen, die sich als Kunstrasenexperten ausgeben, und sagen, kleine, wendige Spieler seien auf den sechs Zentimeter langen Plastikhalmen im Vorteil, weil die Spieler auf diesem Untergrund einen besonders guten Halt haben. Der österreichische Nationalspieler Andreas Ivanschitz ist so einer, schließlich hat er mal in Salzburg gespielt – auf Kunstrasen. "Wer sich ohnehin gut und schnell drehen kann, der kommt da noch besser zur Geltung als sonst", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Das hieße für Bundestrainer Joachim Löw, dass Mesut Özil, Piotr Trochoski und Marko Marin die Richtigen sind. Ein anderer Kunstrasenexperte sagt aber auch: "Das Problem ist der Kopf. Wenn man aber Profi ist, muss man überall spielen können." Das Zitat ist von Alexander Zickler. Und der spielt in Salzburg.

Darf kein Alibi sein: der Kunstrasen im Moskauer Luschniki-Stadion.

Darf kein Alibi sein: der Kunstrasen im Moskauer Luschniki-Stadion.

(Foto: dpa)

Abgesehen davon spricht einiges dafür, dass dem Bundestrainer der Kunstrasen herzlich egal ist. Hat er schließlich gesagt. Nicht gesagt hat er bisher, wer denn nun spielt. Sicher ist nur, dass René Adler im Tor steht. Er sagt: "Ach, dass wir in Russland auf Kunstrasen spielen, ist kein großes Ding, wir wollen uns damit kein Alibi verschaffen." In der Abwehr ist Per Mertesacker, übrigens sehr groß (1,98 Meter) und nicht übermäßig wendig, in der Innenverteidigung gesetzt, ebenso Philipp Lahm, eher klein (1,70 Meter) und sehr wendig, auf der Außenbahn, links oder rechts, er kann ja beides.

Im Mittelfeld dürfen Kapitän Michael Ballack ("Der Ball rollt, es ist eben. Es gibt auch Vorteile. Man sollte dem nicht zu viel Bedeutung schenken"), Bastian Schweinsteiger ("Das Spiel ist ein ganz anderes als auf normalem Rasen.") und Mesut Özil getrost davon ausgehen, dass sie spielen. Und im Sturm gilt das voraussichtlich für Miroslav Klose. Der Rest ist Spekulation. Wir bringen allerdings gerne Lukas Podolski ins Spiel. Auch, weil er gesagt hat: "Das wird natürlich nicht dasselbe sein wie auf einem normalen Rasen, aber für mich keine Ausrede."

Deutsche zu weich für Kunstrasen?

Neben dem Kunstrasen, der kein Alibi und erst recht kein Problem sein darf, gibt es noch eine Sache, über die Joachim Löw bestimmt schon nachgedacht hat: Die Russen können richtig gut Fußball spielen. Das haben sie im Hinspiel gezeigt, das sie allerdings in Dortmund mit 1:2 verloren, weil auch die Deutschen an diesem Tag zumindest eine Halbzeit lang richtig gut Fußball spielten. Das bisher letzte Mal. Das war am 11. Oktober 2008.

Der Bundestrainer hat ein, wenn nicht schönes, so doch interessantes Wort für die Spielweise des Teams seines Kollegen Guus Hiddink gefunden: Umschaltmannschaft. Das heißt nicht, dass die Russen in der Lage sind, sich schnell auf den Wechsel von Natur- auf Kunstrasen einzustellen. Sondern des sie ganz besonders fix von Angriff auf Verteidigung umschalten können. Und umgekehrt. Darin sind sie besser als jede andere Mannschaft auf der Welt – sagt Joachim Löw.

Der kleine Zar: Andrej Arschawin, hier gegen Heiko Westermann beim Hinspiel in Dortmund.

Der kleine Zar: Andrej Arschawin, hier gegen Heiko Westermann beim Hinspiel in Dortmund.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Russlands Schlüsselspieler heißen Andrej Arschawin (FC Arsenal, 1,72 Meter, sehr wendig), Wladimir Bystrow (Zenit St. Petersburg, 177 Meter, ebenfalls wendig, vor allem aber schnell) und Igor Akinfejew (ZSKA Moskau, 1,85 Meter, Torwart halt). Arschawin nimmt eine Position zwischen Mittelfeld und Angriff ein und ist der Chef der Mannschaft. Bystrow ist der beste Rechtsaußen der russischen Premier League. Und Torhüter Akinfejew ist auf der Linie herausragend, hat allerdings Schwächen beim Herauslaufen, egal wie der Rasen beschaffen ist.

Als Vater des Erfolges gilt aber der niederländische Trainer Guus Hiddink. Nachdem er mit der Mannschaft bei der Europameisterschaft 2008 das Halbfinale erreicht hat, gilt er als einer der beliebtesten Nicht-Russen im Land. Sein Spieler Arschawin drückt das so aus: "No Guus, no team." Hiddink warnt übrigens seine Spieler davor, sich allein darauf zu verlassen, dass die Deutschen mit dem Kunstrasen nicht so vertraut sind. Auf jeden Fall dürfte seine Mannschaft stärker sein als eine Auswahl Mainzer Amateure und Jugendspieler, die am Dienstag gegen die DFB-Elf in einem Trainingsspiel mit 1:0 gewann. Grund genug für die Schweizer Zeitung "Blick", mit einer uns völlig unverständlichen Portion Häme zu titeln: "Deutsche zu weich für Kunstrasen". So etwas wollen wir nie wieder lesen.

Und wie geht's denn nun aus?

Wissen wir auch nicht. Die "Bild"-Zeitung aber hat Andreas Möller gefragt. Der hat früher einmal in der Nationalmannschaft gespielt und gilt, Sie ahnen es nicht, als Kunstrasenexperte. Warum auch immer. Andreas Möller sagt: "Eines vorab: Der Rasen gilt nicht als Ausrede. Der Platz ist kein Alibi. Unsere Jungs werden das packen und 2:1 gewinnen!" Dem ist definitiv nichts hinzuzufügen – dachten wir. Doch dann lasen wir, was Matthias Börger gesagt hat. Matthias Börger ist Kapitän des Fußball-Sechstligisten FC Junkersdorf aus Köln. Der Verein spielt auf der Ostkampfbahn direkt neben dem Kölner WM-Stadion – auf Kunstrasen. Und er hat den ultimativen Hinweis zu einem Thema, das eigentlich keines ist: "Man bringt nicht soviel Dreck nach Hause, da die Klamotten nicht schmutzig werden. Für diejenigen, die noch selber waschen müssen, ist das ein großer Vorteil." Jetzt wissen wir auch, was Sepp Blatter, Präsident des Fußball-Weltverbandes meinte, als er sagte: "Die Zukunft liegt im Kunstrasen." Giftgrün und völlig eben.

Quelle: ntv.de

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