Fußball

Lachen, Demos, Respekt Klinsmanns nächstes Missverständnis bricht auseinander

Diesmal live bei Zoom, nicht Facebook: Jürgen Klinsmann.

Diesmal live bei Zoom, nicht Facebook: Jürgen Klinsmann.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Das Aus im Halbfinale des Asien-Cups und einige andere Geschichten: Jürgen Klinsmann steht vor dem Aus als Fußball-Nationaltrainer in Südkorea. Eine Kommission empfiehlt seine Entlassung.

Alles begann mit einem Witz. Die Geschichte, wie Jürgen Klinsmann plötzlich Nationaltrainer in Südkorea wurde, erzählte der WM-Held von 2006 einmal im "Spiegel". Sie fängt an bei der Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Klinsmann und der mächtige Präsident des südkoreanischen Fußballverbands, Chung Mong Gyu, hätten sich in nach dem Achtelfinal-Aus gegen Brasilien in einer VIP-Loge gesehen. Beide sollen sich schon lange kennen. Scherzhaft habe Klinsmann dann gerufen, ob Chung einen Trainer suche. Und wie das so ist: Eins führte in den nächsten Tagen und Wochen zum anderen.

Demo gegen Klinsmann.

Demo gegen Klinsmann.

(Foto: picture alliance / YONHAPNEWS AGENCY)

Anderthalb Jahre später scheint es so, als würden sich die Dinge wieder auseinandersortieren. Zwar läuft Klinsmanns Vertrag noch zwei Jahre bis zur WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko. Aber in der Welt des Fußballs muss das bekanntlich nichts heißen. Denn in der Hauptstadt Seoul kam die Beratungskommission des Verbands zusammen, um über die Zukunft des Deutschen nachzudenken. Das Gremium kam zu der Empfehlung, die Zusammenarbeit mit dem deutschen Trainer zu beenden.

Eine Entscheidung, die auf mehreren Perspektiven gründet: Sportlich konnte der 59-Jährige bislang nur bedingt Argumente für sich sammeln. Von seinen ersten fünf Spielen gewann Klinsmann keines, die Elf spielte seiner Ansicht nach jedoch guten Fußball. Rechtzeitig zum Asien-Cup folgten auch die Resultate, nur passte nicht mehr das Spielerische. Südkorea mühte sich in die K.-o.-Runde. Mit der Zeit hatte das Team in eine Horde "Zombies" verwandelt, weil es Tore vor allem in den letzten Sekunden erzielte. Doch im Halbfinale ging den Untoten der Hunger aus, es starb der Titeltraum. Die Nationalelf scheiterte überraschend chancenlos gegen den Außenseiter Jordanien mit 0:2.

Eine Frage des Respekts

Der Unmut ist außerdem Ausdruck einer historischen Dimension: Die zweite große Fußballmacht in Asien, neben Japan, wartet seit 1960 auf den Triumph in dem Kontinentalwettbewerb. Die Sehnsucht ist nach wie vor groß, auch deshalb probierten sie zahlreiche Trainer aus. Guus Hiddink, Dick Advocaat, Uli Stielike, Paulo Bento. Und nun Klinsmann. Wer Klinsmann als Trainer habe, müsse damit rechnen, "dass die Mannschaft nie aufgibt und es bei entsprechenden Rahmenbedingungen immer eine Euphorie geben wird", schrieb dessen Berater Roland Eitel auf der Karriereplattform Linkedin. Mitgebracht hat er Welttrainer daneben zahlreiche bekannte Namen: Werner Leuthard, Andreas Köpke, Du-Ri Cha, den Sohn des legendären Bum-Kun Cha.

Doch der Plan ging bislang nicht auf. Am Mittwoch war bekannt geworden, dass es während des Turniers Machtkämpfe innerhalb der Mannschaft gegeben haben soll. Vor dem Halbfinale seien zwei Spieler aneinandergeraten und Kapitän Heung-Min Son habe sich am Finger verletzt.

"Aus verschiedenen Gründen ist man zu dem Schluss gekommen, dass Trainer Klinsmann nicht länger die Führung der Nationalmannschaft ausüben kann und ersetzt werden muss", sagte Hwang Bo-Kwan, der technische Direktor des Verbandes, nach der Sitzung der Kommission. Es gebe Kritik an Taktik und Führungsstil. So wie es bei Klinsmanns Verpflichtung nicht nur um das Sportliche ging, ist er es auch bei seiner möglichen Entlassung. Auch Südkorea wollte nicht eine bestimmte Vorstellung von Fußball, sondern einen Motivator, jemanden mit Visionen.

Und so fügte Hwang in seiner Stellungnahme hinzu, dass einige die Einstellung von Klinsmann zu seiner Arbeit, einschließlich der fehlenden Zeit, die er in Südkorea verbringt, als "respektlos" gegenüber der Öffentlichkeit empfänden. Respekt. In Südkorea war das in seiner Amtszeit ein großes Thema. Den Fans war es ein Dorn im Auge, dass Klinsmann nicht in Südkorea wohnt. Es ist die gleiche Debatte, die die auch die deutsche Öffentlichkeit bei der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Lande führte.

Der Visionär

Nur, in Südkorea gab es weitere Aktionen, die ihm nicht gerade freundlich ausgelegt wurden. Schon von Beginn an. Nach einem Freundschaftsspiel sicherte er sich im vergangenen Jahr das Trikot eines Walisers. Der Unmut im fernen Südkorea war groß, Klinsmann musste daraufhin seine Pläne umschmeißen. Er flog aus England, wo das darauffolgende Testspiel gegen Saudi-Arabien stattfand, nicht zurück in die USA, sondern nach Südkorea, um eine Pressekonferenz an einem Flughafen zu absolvieren.

Doch dabei blieb es nicht. Neben der Dauerdebatte um den Wohnort hatte Klinsmann auch seinen ganz eigenen Armin-Laschet-Moment. Nicht im Ahrtal, sondern nach dem verlorenen Asien-Cup-Halbfinale schaute "Klinsi" nicht traurig genug. Schlimmer noch: Er grinste. Die Bilder zeigen jedoch auch, dass es kein unbedingter Ausdruck von Freude war. In der südkoreanischen Presse hieß es dagegen, sein Gesicht sei "von einem Lachen erfüllt" gewesen, er selbst erklärte, er sei enttäuscht und wütend gewesen.

Es sind solche kleinen Missverständnisse, die sich durch die Trainerkarriere Klinsmanns ziehen - nicht nur in Südkorea. Nicht überall kommt es gut an, wenn da jemand ist, der sich nicht an Normen hält. Der die Dinge sieht, wie sie sein könnten, nicht wie sie sind. Problematisch wird es, wenn dann auch noch die Ergebnisse nicht stimmen, wie bei seiner Zeit beim FC Bayern.

Vor wenigen Jahren sah er in Hertha BSC nach dem Investoreneinstieg Lars Windhorsts einen "schlafenden Riesen". Nachdem der Klub weiter im Dämmerschlaf verharrte und drohte, sogar die Erstliga-Zugehörigkeit zu verschlafen, sprang Klinsmann kurzerhand selbst auf die Trainerbank. Das Engagement dauerte nur 76 Tage. Die wilde Episode endete mit einem Facebook-Live-Video, in dem er seinen Rücktritt erklärte. Hahohe, Euer Jürgen. Sie erinnern sich.

Diesmal war Jürgen Klinsmann nicht vor Ort, als in Seoul seine Zukunft verhandelt wurde. Doch er geht mit der Zeit, diesmal war er per Zoom zugeschaltet- kein Facebook Live mehr. Er bekam aus erster Hand nichts davon mit, dass vor dem Gebäude sogar demonstriert wurde. Er äußerte sich auch nicht öffentlich. Doch noch ist nicht alles sicher, die Kommission kann nicht über sein Schicksal befinden, sie kann nur Empfehlungen äußern. Über sein Schicksal entscheidet am Ende nur einer: Verbandspräsident Chung Mong Gyu.

Quelle: ntv.de

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