Vogelwildes England-Spektakel Klopps Pausen-Ansprache kontert Peps Power-Fußball
10.04.2022, 19:31 Uhr
Die Teams von Jürgen Klopp (links) und Pep Guardiola trennten sich 2:2.
(Foto: IMAGO/PA Images)
Was. Für. Ein. Spiel. Manchester City und der FC Liverpool geben es sich im Kampf um den Titel in der Premier League so richtig. Pep Guardiolas Team überrollt die Reds förmlich in Halbzeit eins. Aber dann zeigt Jürgen Klopps Halbzeitansprache Wirkung - und der Verfolger macht das Titelrennen weiter spannend.
Wehmütig dachten wohl manche Fans von Manchester City vor dem Topspiel in der Premier League an den Januar zurück. Mit 14 Punkten führte der englische Meister damals vor Verfolger Liverpool. Nun aber reiste Jürgen Klopps Mannschaft mit einer Serie von zehn Ligaspiel-Siegen im Gepäck ins Etihad Stadium und der Rückstand betrug nur noch einen Zähler. Dabei blieb es auch nach einem atemberaubenden 2:2 (2:1), das keinem der Beteiligten und der Zuschauer Luft zum Atmen ließ.
Damit bestätigten die Citizens eine Serie ihrerseits: Von ihren vergangenen 13 Heimspielen gegen Liverpool in der Premier League haben die Skyblues nur eines verloren, bei sieben Siegen und fünf Unentschieden. Vor der Partie tauschten beide Star-Trainer Respektbekundungen aus. "Er ist der beste Trainer der Welt", urteilte Klopp über Kollege Pep Guardiola. Der Katalane bedankte sich für die Würdigung, entgegnete aber: "Ich bin nicht der Beste. Ich würde gerne sagen, dass ich der Beste bin, aber ich bin es nicht." Klopp sagte weiter, er sei "nicht unbedingt dankbar", dass Manchester stets so gut spiele, aber generell wäre eine Rivalität hilfreich, um sich weiterzuentwickeln und besser zu werden.
Nach dem Hinspiel, das ebenfalls 2:2 ausgegangen war, empfing diesmal die beste Defensive (City, 18 Gegentore) die beste Offensive (Liverpool, 77 Treffer) der Liga. Klar war, dass die Meisterschaft nach dem Spiel noch nicht komplett entschieden sein würde - aber dass Manchester mit einem Sieg wieder auf vier Punkte davonziehen und dem Konkurrenten einen empfindlichen Hieb in die Magengrube versetzen könnte.
Unfassbarer Druck
Mit Ex-Bayer Thiago in der Startaufstellung auf der Seite von Liverpool, Gabriel Jesus auf dem Platz (nur zwei Treffer in 21 Liga-Spielen in dieser Saison) und Riyad Mahrez und Ilkay Gündogan auf der Bank bei City geht es schließlich los - und das Topspiel hält, was es verspricht. Beide Teams beginnen mit mächtig Dampf. Es gibt kein Abtasten, es gibt nur Vollgas.
In der 5. Minute hat City bereits das 1:0 auf dem Fuß, aber Alisson Becker pariert großartig gegen Raheem Sterling in der Mitte. Sekunden danach darf aber Kevin De Bruyne durchs Mittelfeld spazieren und aus 20 Metern abziehen. Joel Matip fälscht den Schuss entscheidend ab, der Ball klatscht an den rechten Innenpfosten und der Meister führt mit 1:0 (6.). Drei Minuten darauf kommt es zu einer brenzlichen Szene, als Becker und Virgil van Dijk sich nicht entscheiden können, wer den Ball klären soll und Jesus beinahe der Nutznießer ist.
Acht Minuten nach dem Rückstand schlägt Liverpool aber bereits eiskalt zurück: Andrew Robertson flankt aus dem linken Halbfeld auf den rechts durchstartenden Trent Alexander-Arnold, der volley von der Grundlinie auf Diogo Jota zurücklegt. Der Portugiese und Mann für die wichtigen Treffer vollendet per Direktabnahme zu seinem 15. Saisontor (13. Minute). Jürgen Klopp dreht erstmals mit verzerrtem Gesicht jubelnd ab. Intensität pur im Etihad Stadium.
Salah eiskalt nach der Pause
Der Treffer führt bei den Reds aber nicht gerade zu Selbstvertrauen, Liverpool agiert in der Folge zunehmend unruhig. Immer wieder brennt es am und im Strafraum. Auch, weil die Skyblues weiter ein atemberaubendes Tempo gehen, schnelle Pässe spielen und ständig hoch pressen und stressen. Nach einem Freistoß von De Bruyne hoppelt der Ball am rechten Liverpooler Pfosten vorbei, wenig später schießt der Belgier selbst nur knapp neben den linken Pfosten. In der 35. Minute rausch t auch Joao Cancelos Schuss nur knapp am Aluminium vorbei. Das Team von Jürgen Klopp findet kaum Entlastung und hat in dieser Phase nur selten mal einen längeren Ballbesitz.
Dann schlägt Cancelo wieder einen dieser langen Bälle hinter die Abwehrkette der Reds, die der Tabellenzweite an diesem Nachmittag so gar nicht verteidigen kann. Gabriel Jesus startet im perfekten Zeitpunkt und steht daraufhin nicht im Abseits, sondern allein vor Becker. Akrobatisch schön hebt der Brasilianer das Leder aus kurzer Distanz über den Torwart zur erneuten und verdienten Führung (37.). Es ist sein erster Ligatreffer seit September. Kurz vor der Pause klärt Robertson noch einmal grandios, bevor Sterling einschieben kann.
Kollektives Kopfschütteln bei Liverpool, das mit dem knappen Rückstand zur Halbzeit noch gut bedient ist. Vogelwild mit dem Ball, überfordert gegen den Ball, keine Spielkontrolle - Klopp dürfte genügend Themen für die Halbzeitansprache gehabt haben. Und diese zeigt direkt Wirkung. Nur 45 Sekunden brauchen die personell unveränderten Reds nach dem Wiederanpfiff für die perfekte Antwort auf die miserable erste Halbzeit: Ein traumhafter Ball durch die Abwehrreihe von Mohamed Salah, in der ersten Halbzeit überhaupt nicht sichtbar, findet in Sadio Mané einen dankbaren Abnehmer. Der Senegalese bleibt cool und schlenzt zum Ausgleich ein (46.). Guardiola verdreht entnervt die Augen.
Wiedersehen im CL-Finale?
Nur fünf Minuten später scheitert Jota an Keeper Ederson. Liverpool tritt nun ganz anders auf, kommt in die Zweikämpfe und zeigt eine viel bessere Körpersprache. Frühes Pressing verhindert den Spielaufbau der Skyblues. Aber genau in diese Phase hinein bekommen die Reds fast die kalte Dusche: De Bruyne steckt auf Sterling durch, der ins Tor schießt, aber zuvor minimal knapp im Abseits steht (63.). Der VAR kassiert den Treffer wieder ein.
Es geht zunächst mit offenem Visier weiter. Salah hat Pech, dass sein Schlenzer noch abgefälscht wird (71.) und Gabriel Jesus, dass sein Schuss knapp am Pfosten vorbeirauscht (72.). Anschließend gönnen sich beide Teams eine kurze Pause, die Fouls häufen sich. Keine Mannschaft will jetzt noch den entscheidenden Fehler machen. In der Schlussphase klatscht noch ein Freistoß des eingewechselten Mahrez an den Außenpfosten (90.) - dann erfolgt der Abpfiff nach einem abenteuerlichen Spiel.
Die beiden mit Real Madrid wohl besten Mannschaften der Welt kämpfen nun weiter um den Premier-League-Titel, einen Ausrutscher kann sich keines der Teams mehr erlauben. Ende Mai könnten Klopp und Guardiola sich auch im Finale der Champions League wiedertreffen, denn beide Mannschaften haben sich in der Königsklasse bereits beste Aussichten aufs Erreichen des Halbfinals herausgeschossen. Vorher messen sich aber beide Teams schon im Halbfinale des FA-Cups am Samstag miteinander.
Quelle: ntv.de