"Den Deutschen ein Haxerl stellen" Koller hat schon feuchte Hände
11.09.2012, 11:03 Uhr
Der Schweizer Marcel Koller wurde auf Österreichs Trainerbank nicht mit Jubelstürmen empfangen. Die entfacht er aber nun so langsam mit den ersten Resultaten.
(Foto: dpa)
Wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation in Wien gegen Österreich spielt, trifft sie auf einen Gegner, der sich durchaus selbstbewusst gibt. Mit einem Trainer Marcel Koller, der auf mehr Bundesliga-Profis setzt als Joachim Löw. Und der einen Plan hat. Das scheint beim Nachbarn etwas ganz Neues zu sein.

Denn Koller ist nicht nur Schweizer, sondern auch ein Fußballfachmann. Das wird anerkannt.
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Direkt hat Joachim Löw auf die Frage nicht geantwortet, Kollegenschelte ist nicht seine Sache. Das erledigte er eleganter. Ob es nicht so sei, dass Österreichs Fußballer nun viel planvoller zu Werke gehen würden, seitdem Marcel Koller sie trainiert? Unter seinem Vorgänger Dietmar Constantini sei das ja eher nicht der Fall gewesen. "Fest steht, dass Österreich jetzt viel, viel strukturierter spielt, mit Spielern, die Selbstvertrauen haben", sagte der Bundestrainer und zog sich damit aus der Affäre, ohne einen Namen zu nennen.
Fest steht aber auch: Wenn die deutsche Nationalmannschaft nach dem Sieg gegen die Färöer heute ab 20.30 Uhr (im n-tv.de Liveticker) im Wiener Ernst-Happel-Stadion gegen Österreich ihr zweites Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft in Brasilien bestreitet, trifft sie auf einen Gegner, dem etwas zuzutrauen ist. Mit einem Trainer aus der Schweiz, dem ein guter Ruf vorauseilt. Und der trotz des Fehlens seines besten Spielers, Linksverteidiger David Alaba vom FC Bayern, ankündigt: "Jetzt geht es um die Wurst. Wir haben Spieler mit Siegergenen, die reißen die anderen mit und geben den Weg vor." Das gepaart mit einer gewissen Gelassenheit - dann könne es etwas werden mit dem ersten Sieg gegen die DFB-Elf seit 26 Jahren. Kapitän Christian Fuchs vom FC Schalke 04 ist einer, der Marcel Koller schon aus gemeinsamer Zeit beim VfL Bochum kennt. "Alles läuft sehr positiv, und im Moment macht es riesig Spaß, für Österreich zu spielen", sagte er dem "Kicker". Das liege auch am neuen Trainer. "Wir funktionieren als Mannschaft viel besser, seit er das Amt übernommen hat. Alles läuft professionell und konzentriert ab. Das Selbstvertrauen jedenfalls ist da, um den Deutschen ein Haxerl zu stellen."
Dabei war die Begeisterung nicht ungeteilt, als Marcel Koller, vor 51 Jahren in Zürich geboren, am 1. November vergangenen Jahres antrat, um nach Österreichs grandiosem Scheitern in der Qualifikation zur Europameisterschaft einen neuen Anfang zu wagen. Also eher im Gegenteil. Ausgerechnet ein Schweizer! "Es hat Stimmen gegeben, die gemeint haben, ein österreichischer Nationaltrainer müsste ein Österreicher sein", sagte der ehemalige Teamchef Josef Hickersberger der "Rheinischen Post". Doch nach nur fünf Testspielen und dem ersten Sieg gegen die Türkei nach 24 Jahren am 15. August hat die Stimmung sich gedreht. "Im Grunde genommen ist jeder Fan zufrieden, weil die Mannschaft mit Koller sehr gute Resultate erzielt hat und eine Aufwärtsentwicklung zu erkennen ist."
Elf Legionäre - das gab's noch nie
Die voraussichtlichen Aufstellungen | |
Irland: Westwood (FC Sunderland/27 Jahre/12 Länderspiele) - Coleman (FC Everton/24/6), O'Shea (FC Sunderland/31/81), O'Dea (FC Toronto/25/16), Ward (Wolverhampton Wanderers/27/16) - McGeady (Spartak Moskau/26/55), Cox (Nottingham Forest/25/18), Andrews (Bolton Wanderers/32/32), McCarthy (Wigan Athletic/21/6), Fahey (Birmingham City/29/15) - Walters (Stoke City/29/12) | |
Deutschland: Neuer (Bayern München/26/33) - Boateng (Bayern/24/26), Mertesacker (FC Arsenal/28/82), Badstuber (Bayern/23/28), Schmelzer (Borussia Dortmund/24/8) - Khedira (Real Madrid/25/35), Schweinsteiger (Bayern/28/95) - Müller (Bayern/23/35), Özil (Real/23/41), Reus (Dortmund/23/11) - Klose (Lazio Rom/34/124) Trainer: Joachim Löw | |
Schiedsrichter: Nicola Rizzoli (Italien) |
Gegen Deutschland wird er eine Mannschaft aufbieten, in der beim Anpfiff vermutlich neun Spieler stehen, die in der Bundesliga ihr Geld verdienen - mehr als im deutschen Team: Torwart Robert Almer, der allerdings beim Aufsteiger Fortuna Düsseldorf nur auf der Bank sitzt. Emanuel Pogatetz vom VfL Wolfsburg und der Bremer Sebastian Prödl in der Innenverteidigung sowie eben jener Fuchs als linker Außenverteidiger. Vor der Abwehr spielt Julian Baumgartlinger vom FSV Mainz, im zentralen Mittelfeld Zlatko Junuzovic vom SV Werder Bremen, auf den Außen sein Vereinskollege Marko Arnautovic und der Mainzer Andreas Ivanschitz. Und ganz vorne soll Stuttgarts Martin Harnik die Tore schießen. Hinzu kommen der rechte Außenverteidiger Gyuri Garic vom FC Bologna und der defensive Mittelfeldspieler Veli Kavlak von Besiktas Istanbul. Elf Legionäre in der Startelf - das gab's noch nie. Für Marcel Koller aber angeblich kein Thema. "Ich stelle die Spieler auf, mit denen wir die besten Chancen haben." Ein Zufall sei das dennoch nicht. "Wenn sich ein Spieler im Ausland durchsetzt, ist das eine Erfahrung, die uns weiterhilft."
Zum Beispiel in der höchsten Spielklasse des Nachbarlandes. "Es ist bestimmt kein Hindernis, dass ich die deutsche Liga kenne", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Er wisse, "wenn jemand dort regelmäßig zum Einsatz kommt, dann muss er auf seinem sehr hohen Level spielen. Diese Spieler sammeln dort internationale Erfahrung, auf die wir im Nationalteam ungern verzichten". Im November 2003 heuerte er beim 1. FC Köln an – und verlor gleich das erste Spiel. Also hat er "dann mal bei der A-Jugend reingeschaut." Dort fiel ihm ein Spieler auf, der einen starken linken Fuß hatte. "Dann habe ich ihn eingeladen und gesagt, zeig mir, was du kannst. Nach vier Tagen Trainingslager musste ich ihm mitteilen: Du kannst leider nicht mehr zurück zur A-Jugend." Also spielte Lukas Podolski fortan in der ersten Mannschaft. Allerdings stiegen die Kölner in die zweite Liga ab, nach der Saison war für Marcel Koller Schluss im Rheinland.
Ende Mai 2005 trat er seinen Job beim VfL Bochum an, mit dem ihm der direkte Wiederaufstieg gelang. Viermal vermieden die Bochumer mit ihm den Abstieg, wurden in der Saison 2006/2007 gar Achter, die drittbeste Platzierung in der Vereinsgeschichte. Dennoch musste Marcel Koller Ende September 2009 gehen, angeblich, weil die Mannschaft nicht attraktiv genug spielte. Klarer Fall von Selbstüberschätzung - und ein schwerer Fehler. Am Ende der Spielzeit stiegen die Bochumer ab und dümpeln seitdem in der Zweitklassigkeit.
"Alle Österreicher werden sich heiser schreien"
Und Marcel Koller? Schlug danach etliche Angebote aus und hat nun seinen Platz gefunden. "Er hat genaue Vorstellungen, was er will, und er teilt diese frühzeitig mit. Wir können uns danach orientieren und alles umsetzen", sagte Alfred Ludwig, der Generaldirektor des Österreichischen Fußball-Bundes. Unter Vorgänger Constantini soll es dem Vernehmen nach eher nach der Beckenbauer'schen Maxime "Geht’s raus und spielt Fußball" zugegangen sein. Marcel Koller hingegen arbeitet mit einem langfristigen Plan und lässt seine Mannschaft laufintensiven, offensiv ausgerichteten Fußball spielen, konsequent gegen den Ball arbeiten und den Gegner früh angreifen. Und er denkt schon wie ein Österreicher. Gegen Deutschland, das sei eine Partie, "da bekommt man feuchte Hände. Alle Österreicher werden sich heiser schreien". Einen Plan hat er auch: Seine Mannschaft müsse "konsequent sein, nicht nur zehn, sondern 90 Minuten. Wenn wir das hinkriegen, werden wir auch im Spiel sein".
Das sieht Kapitän Fuchs ähnlich: "Wir dürfen uns nicht zu klein machen. Wir haben einige Qualitäten, auf die wir uns berufen können." Überhaupt scheinen sich die Österreicher in ihrer Rolle als selbstbewusster Außenseiter außerordentlich wohlzufühlen. "Das gefällt mir schon, dass sie etwas Respekt haben", sagte Fuchs. "Aber so wie ich unserer deutschen Freunde kenne, gehen sie von einem Sieg aus." Joachim Löw jedenfalls weiß, was ihn erwartet.
Quelle: ntv.de