Fußball

Podolski tarnt sich, van Marwijk schämt sich Magic Müller und der zauberhafte Özil

Große Freude beim deutschen Team.

Große Freude beim deutschen Team.

(Foto: dpa)

Bundestrainer Joachim Löw fühlt "Freude und Befriedigung", Thomas Müller ist "bester Laune" und die Zuschauer singen "Oh, wie ist das schön". Die deutsche Elf zeigt den Niederländern beim 3:0-Sieg im letzten Länderspiel des Jahres, was sie unter totalem Fußball versteht. Bert van Marwijk schämt sich deswegen ein bisschen.

Schönen Fußball hatte Bundestrainer von im letzten Länderspiel des Jahres gefordert. Und was zeigt die DFB-Elf in Hamburg bei der 3:0-Demonstration gegen die ? Schönen Fußball und noch schönere Tore. So viel Spaß war selten, Joachim Löw fühlt " Freude und Befriedigung" und bedauert es, dass die Europameisterschaft nicht schon morgen beginnt. Nur Bert van Marwijk, Trainer der Gäste und im Sommer 2010 noch zweiter Sieger im Weltmeisterschaftsendspiel gegen Spanien, zeigt sich beschämt. "Das war für uns natürlich ein peinliches Spiel." Oder "pijnlijk", wie der Niederländer sagt. Die deutschen Nationalspieler in der Einzelkritik.

Hat ein leichtes Spiel: Manuel Neuer.

Hat ein leichtes Spiel: Manuel Neuer.

(Foto: dpa)

Manuel Neuer: Machte alles andere als einen peinlich berührten Eindruck, auch wenn Deutschlands bester Torhüter in seinem tadellosen 25. Länderspiel nicht wirklich viel zu tun hatte. Aber das kennt er ja vom FC Bayern. Aus München kennt er auch, dass er zu null spielt. Der DFB-Elf allerdings war das zuletzt Ende März beim 4:0 (3:0) in Kaiserslautern gegen Kasachstan in der Qualifikation zur Europameisterschaft gelungen.

Dazwischen lagen zehn Spiele, in denen Mannschaften wie Australien, Uruguay, Österreich, Aserbaidschan, Brasilien, Polen, die Türkei, Belgien und zuletzt die Ukraine insgesamt 16 und jede für sich mindestens ein Tor pro Partie gegen die Deutschen erzielten. Nur den Niederländern gelang das nicht. Wie pijnlijk. Apropos: In der 52. Minute hatte Neuer dann doch seinen großen Auftritt, als er seinen Schalker Ex-Kollegen Klaas-Jan Huntelaar mal eben ausspielte. Und dann auch noch darüber lachte.

Boateng mausert sich.

Boateng mausert sich.

(Foto: dpa)

Jerome Boateng: Machte seine Sache als rechter Außenverteidiger in seinem 19. Länderspiel sehr ordentlich. Dabei spielt der Münchner eigentlich viel lieber in der Mitte. "Innen macht es mir ein bisschen mehr Spaß", vertraute er jüngst dem "Kicker" an. Und: "Ich finde, innen bin ich besser." Dennoch spricht einiges dafür, dass er sich auf der Problemposition der deutschen Mannschaft zur EM-Lösung mausert. Aber das kennt er ja vom FC Bayern, wo Trainer Jupp Heynckes ihn in den bisherigen 16 Saisonspielen sieben Mal rechts und neunmal in der Mitte verteidigen ließ. Boatengs Problem ist, dass er beides ganz gut kann. Nach 65 Minuten durfte der Schalker Benedikt Höwedes für ihn ran. Kann das auch.

Per Mertesacker: Der Mann, der zu Arsenal nach London ging, um seinen Horizont zu erweitern, spielte als Ex-Bremer in Hamburg da, wo Boateng gerne gespielt hätte, nämlich in der Innenverteidigung. Auch in seinem 89. Einsatz für die DFB-Elf solide, war allerdings der deutsche Abwehrspieler, dem die meisten Fehler unterliefen und dem auch schon mal der Ball im eigenen Strafraum versprang. Wirklich pijnlijk war das aber nicht.

Badstuber zeigt, was er kann.

Badstuber zeigt, was er kann.

(Foto: AP)

Holger Badstuber: Der Münchner kann bis auf weiteres den inoffiziellen Titel des Abwehrchefs für sich beanspruchen. Spätestens nach seinem 18. Länderspiel steht fest: Er ist gesetzt. Die Frage ist nur, wer neben ihm in der Innenverteidigung spielt. Jerome Boateng würde ja gerne, darf aber nicht. Per Mertesacker darf, ist aber nicht unumstritten. Und Mats Hummels? Der Dortmunder durfte nach der Pause für Badstuber mitwirken und zeigte, dass er ebenfalls ein guter Innenverteidiger ist.

Dennis Aogo: Durfte als einziger aktueller deutscher Nationalspieler des HSV in Hamburg das gesamte Spiel über Kapitän Philipp Lahm auf der linken Abwehrseite ersetzen. Hatte seinen Anteil daran, dass die meisten Angriffe über die rechte Seite initiiert wurden, sehr zum Nachteil von Lukas Podolski, der vor ihm im Mittelfeld vergeblich auf Unterstützung in der Offensive wartete. Ansonsten fiel Aogo in seinem neunten Länderspiel nicht negativ auf, weiß aber, dass er demnächst wieder auf der Bank sitzt. Und trotzdem gute Chancen hat, im nächsten Sommer mit zur EM nach Polen und die Ukraine zu fliegen.

Khedira zeigt sich überragend.

Khedira zeigt sich überragend.

(Foto: dpa)

Sami Khedira: Sehr starkes 24. Spiel für die Auswahl des DFB. Der Madrilene fing im defensiven Mittelfeld die Bälle ab, war häufiger als sonst vorne am Spielaufbau beteiligt und wirkte auch dynamischer als zuletzt. Technisch gut, überragend im Zweikampf. Und harmonierte prächtig mit Toni Kross, der anderen Hälfte der Doppelsechs. Gab die letzten beiden Spielminuten an den Leverkusener Lars Bender ab.

Toni Kroos: Während er beim FC Bayern weiter vorne spielt, etabliert er sich in der Nationalmannschaft als eine Hälfte der Doppelsechs. In Hamburg bei seinem 24. Länderspiel tat er das in prächtiger Harmonie mit Sami Khedira, allerdings nur, weil Bastian Schweinsteiger verletzt fehlte. Stellt sich die Frage, was passiert, wenn Schweinsteiger wieder dabei ist. Das könnte für Sami Khedira mit einem Platz auf der Bank enden. Von dort kam der Leverkusener Simon Rolfes und spielte die letzten acht Minuten für Toni Kroos.

Müller freut sich nach seinem Tor.

Müller freut sich nach seinem Tor.

(Foto: dpa)

Thomas Müller: Gibt es eigentlich das Wort Teufelskerl noch? Der Niederländer sagt ja eher "waaghals". Wie dem auch sei. Wer sich immer noch fragen sollte, warum die DFB-Elf einst in Südafrika das Halbfinale gegen die Spanier verlor, der sei daran erinnert, dass der Münchner Magic Müller gesperrt war und ein Spieler namens Piotr Trochowski seinen Platz im rechten Mittelfeld einnahm. Um es kurz zu machen: War gegen die Niederlande der beste deutsche Spieler, und das nicht nur, weil er nach einer Viertelstunde das erste Tor erzielte - sein zehnter Treffer im 25. Länderspiel. Fast alle erfolgversprechenden Angriffe liefen über ihn, brillantes Wechselspiel mit Mesut Özil, aber auch mit Sami Khedira und Toni Kroos.

Mesut Özil: Spielte auf der Position im zentralen Mittelfeld so, wie man es sich vorstellt, dass ein Spieler von Real Madrid spielt. Zum Beispiel beim Tor zum 3:0 - zauberhaft. Und, Sie ahnen es: Er spielte in seinem 30. Länderspiel ganz vorzüglich mit Thomas Müller, aber auch mit Sami Khedira und Toni Kroos zusammen. Was schlicht und ergreifend bedeutet, dass das Mittelfeld der DFB-Elf einen großartigen Abend erwischt hatte. Die Niederländer dürften staunend zur Kenntnis genommen habe, dass die deutsche Version des totalen Fußballs zurzeit einfach die bessere ist.

Lukas Podolski: Der Kölner spielte auf der linken Seite im Mittelfeld, die er kaum verließ, in seinem 95. Länderspiel mit Tarnkappe, was ein wenig verdeckte, dass er defensiv außerordentlich eifrig arbeitete. Aber die meisten deutschen Angriffe liefen an diesem Abend über die rechte Seite, da wo der "waaghals" wirkte. Ob es daran lag, dass Podolski ernsthaft darüber nachdenkt, nach Wolfgang Overaths Rücktritt beim FC als erster Spielerpräsident in die Bundesligageschichte einzugehen? Halten wir nicht für ausgeschlossen. Kann aber auch sein, dass ihm ein wenig die Unterstützung von Dennis Aogo fehlte. Oder daran, dass er zwar nicht schlechter ist als früher, die anderen aber besser. Nach 65. Minuten durfte der Dortmunder Mario Götze für ihn ran.

Klose arbeitet sich immer mehr in die Nähe Gerd Müller vor.

Klose arbeitet sich immer mehr in die Nähe Gerd Müller vor.

(Foto: REUTERS)

Miroslav Klose: Der immer noch Neu-Römer lief in seiner 113. Partie für Deutschland als Ersatz-Ersatzkapitän auf, weil Kapitän Philipp Lahm sich mit bundestrainerlicher Erlaubnis daheim in München schonte und Ersatzkapitän Bastian Schweinsteiger aus schlüsselbeintechnischen Gründen fehlte. Litt anfangs sehr darunter, dass die Niederländer viel daran setzten, ähnlich rustikal aufzutreten wie im verlorenen WM-Endspiel gegen Spanien. Erzielte dann mit perfektem Kopfball nach 25 Minuten das 2:0 - Treffer Nummer 63. Und bevor es jemand anders tut, weisen wir an dieser Stelle kurz darauf hin, dass nun nur noch fünf Tore fehlen, bis er tatsächlich Gerd Müller eingeholt hat. Es spricht viel dafür, dass er das locker schafft. Dass für ihn nach 81 Minuten Marco Reus eingewechselt wurde, ist nur deswegen bemerkenswert, weil 51.500 Zuschauer im Stadion sahen, dass der Mönchengladbacher tatsächlich einmal nicht verletzt ist, wenn die Nationalelf spielt.

Deutschland - Niederlande 3:0 (2:0)

Tore: 1:0 Müller (15.), 2:0 Klose (25), 3:0 Özil (66.)
Deutschland: Neuer – Boateng (65. Höwedes), Mertesacker, Badstuber (46. Hummels), Aogo – Kroos (82. Rolfes), Khedira (88. L. Bender) - Müller, Özil, Podolski (65. Götze) - Klose (81. Reus)
Niederlande: Stekelenburg - van der Wiel, Heitinga, Mathijsen, Braafheid - van Bommel, Strootman (64. de Jong) - Kuyt (87. Wijnaldum), Sneijder (87. Luuk de Jong), Babel - Huntelaar (76. Beerens)
Schiedsrichter: Cakir (Türkei) - Zuschauer: 51.500 (ausverkauft)

Quelle: ntv.de

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