Fußball

Schreibe Real NIEMALS ab! City begeht den größten Fehler im Weltfußball

Ekstatischer Jubel der Königlichen.

Ekstatischer Jubel der Königlichen.

(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Manchester City steht unmittelbar vor dem Einzug ins Finale, wird aber auf dem letzten Halbfinal-Meter noch auf erstaunliche Weise von Real Madrid überrannt. Die Königlichen können ihr Comeback selbst nicht glauben und beschwören ihren ganz besonderen Geist.

Real Madrid auch nur eine verdammte Sekunde zu früh abzuschreiben, das ist der größte Fehler im Weltfußball. Begangen haben ihn am Mittwochabend Manchester City und Trainer Josep Guardiola. 210 Minuten hatten sich die Skyblues mit den Königlichen in zwei faszinierenden Halbfinalspielen der Champions League duelliert, 178 Minuten davon hatten sie in Führung gelegen – und waren am Ende doch kollabiert. Auf dramatische Weise. Bis zur 90. Minute führten die Engländer in der Addition aus beiden Spielen 5:3 (Hinspiel 4:3), ehe Rodrygo binnen 55 Sekunden zweimal traf und die Citizens in die Verlängerung zwang.

Das Estadio Santiago Bernabéu, Ort magischer Europapokal-Schlachten, entfaltete nach dem Doppelpack-Irrsinn seine ganze Kraft und bedrängte Manchester zu einer fatalen Dummheit. Rúben Dias brachte Karim Benzema zu Fall, im eigenen Strafraum. Elfmeter für Real. Elfmeter für den Franzosen, der wohl derzeit der beste Fußballer dieses Planten ist. Ein Déjà-vu. Auch im Hinspiel, im Etihad, war dem 34-Jährigen der finale Akt in dieser fulminanten Auseinandersetzung der so unterschiedlichen Teams vorbehalten. Dieses Mal entschied sich Benzema für die Variante Präzision und nicht für die Variante Kunst. Auf das Panenka-Kunststückchen folgte nun ein harter Schuss ins rechte untere Eck – der Siegtreffer.

Die Mannschaft von Pep Guardiola hatte zwar noch 25 Minuten Zeit, die Dinge zu regeln. Sie tat es aber nicht. Sie war von der Kraft der Giganten übermannt worden und hatte keinen Plan B mehr. Die folgenden Angriffe waren von einer verstörenden Kreativ- und Mutlosigkeit. Sie waren anders als viele Attacken in den 180 Minuten zuvor gewesen. Besonders im Hinspiel, in dem dieses Luxus-Ensemble die Welt mit seiner so kunstvollen Darbietung aus Dominanz, Technik und Torhunger fasziniert hatte.

Eine erstaunliche Metamorphose

Tatsächlich ist in diesem Duell nicht die Mannschaft weitergekommen, die den geistreicheren und schöneren Fußball gespielt hatte, sondern jene, die mehr für sich und den Traum gekämpft hat. Es ist die beeindruckende Metamorphose eines Ensembles, das früher für Belleza und Magia stand, also für Schönheit und Magie, und das sich nun über ihre Leidenschaft und Gier definiert. Und über einen unerschütterlichen Glauben. Im Achtelfinale gegen Paris St. Germain soll Benzema seinen Jungs in der Kabine gesagt haben, dass der Gegner nervös werde. Und so kam es. Real regelte die Dinge. Wieder auch an diesem Mittwochabend. Geschichte wiederholt sich.

Nun ist City nochmal ein ganz anderes Kaliber im Weltfußball. Besser ausbalanciert als das katarische Milliarden-Ensemble aus Frankreich. Aber auch das Team von Guardiola hat eine Achillesferse. Den genialen Künstlern fehlt der Typ, der sie alle mitreißt, der sie aufrichtet, wenn etwas in eine falsche Richtung läuft. Den Citizens fehlt ein Mann wie Benzema. Als die Nachspielzeit der regulären 90 Minuten angebrochen war, als Jack Grealish gerade zwei Riesenchancen zum 2:0 vergeben hatte – der erste Schuss wurde gerade noch so von der Linie gekratzt, der zweite von Thibout Courtois bemerkenswert stark mit dem Fuß pariert – da brachen die Gäste zusammen.

Die Madrilenen, die schon japsend am Boden lagen, die ja kaum noch Kraft hatten, die personell mit offensiven Wechseln All-in gegangen waren, fanden nach dem knapp verhinderten Knockout plötzlich zwei Lücken. Und Carlo Ancelotti, der so oft abgeschriebene und doch wiederauferstandene Kaugummi-Coach, darf für sich erneut beanspruchen, alles richtig gemacht zu haben. Er hatte überraschend früh sein altes Helden-Mittelfeld Toni Kroos, Luka Modrić sowie Casemiro vom Platz kommandiert und dafür so junge Leute wie Eduardo Camavinga und Rodrygo gebracht. Auch so ein Phänomen. Der 21-Jährige hat in dieser Saison fast nichts getroffen, ehe er in der Liga am Wochenende einen Doppelpack erzielte. Camavinga flankte vor dem 1:1 auf Benzema, der sehr artistisch für den Brasilianer ablegte. Ancelotti verfolgte die Szene mit seiner ihm innewohnenden Gemütlichkeit – und hob die legendäre Augenbraue. Ahnte er etwas? Spürte er etwas?

Die Tänzer am Abgrund

Natürlich tat er das. Denn der Italiener ist der Mann, der Real zu Überlebenskünstlern am Abgrund gemacht hat. Magisch nicht mehr in der Art ihres Spiels. Sondern magisch darin, Partien zu drehen. In den letzten Minuten, in der Nachspielzeit. Egal. Dieser Glaube an die eigene Kraft, diese Euphorie, die sich in der Mannschaft entfachen kann, sie bildet den Gegenentwurf zu den Citizens. Die waren nach dem 1:1 schlicht überfordert, taumelten, niemand fand mehr Zugriff auf das Spiel, auf das Team. Auch nicht Guardiola, der wieder einmal gescheitert war. Dieses Mal nicht an einem taktischen Experiment, sondern an der Leidenschaft der Überlebenskünstler.

Die spanische Presse, die in schöner Regelmäßigkeit zwischen Euphorie und Gnadenlosigkeit changiert, fällte nun nur hymnische Urteile. Die Zeitung "Marca" schrieb: "Real Madrid schreibt die größte Heldengeschichte, die je erzählt wurde." Die "El Mundo Deportivo" staunte: "Versuchen Sie nicht, es zu erklären, denn ehrlich gesagt gibt es keine Erklärung für das mit Real Madrid und der Champions League. In der 89. Minute waren die Weißen aus dem Finale raus, und in der 95. Minute standen sie im Finale der Champions League." Und die "La Vanguardia" schwärmte: "Der Mythos des Bernabeu verschlingt auch Guardiolas City." Die Wahrheit in Worten.

"Glauben kann man das irgendwo nicht. Wozu wir fähig sind, haben wir in dieser Saison gezeigt. Unfassbar, wie die Mannschaft zurückgekommen ist. Das ist geisteskrank. Wir haben einen Charakter innerhalb der Mannschaft, der sehr speziell ist", befand der verletzte Abwehrchef David Alaba später bei DAZN. "Wir waren während der K.-o.-Phase schon 26 Mal raus und haben uns 26 Mal zurückgekämpft. Es ist manchmal schwer zu erklären, was in den letzten Minuten passiert", staunte Kroos, der in diesen Minuten gemeinsam mit Modrić, Casemiro und Marcelo zu einem agilen Co-Trainer mutierte. "Das ist der Glaube, der uns gegen Paris St. Germain und den FC Chelsea weitergebracht hatte, und das ist das Stadion. Die Kombination ist magisch."

Ancelotti berät sich mit seinen Helden

Ebenso wie die Verbindung der Spieler zu ihrem Trainer. Der seine Mannschaft nicht mit taktischer Genialität überhäuft, sondern mit seiner besonderen Gabe, ein Star-Ensemble bei Laune zu halten, sie das tun zu lassen, womit sie sich am wohlsten fühlen. Er vertraut ihnen – und sie vertrauen ihm. So erklären sich auch die Szenen am Seitenrand, als Ancelotti seine alten Helden zu einer Art Beratung um sich geschart hatte. "Der Trainer hatte selbst ein paar Zweifel, wen er noch bringt. Wir draußen haben auch alle ein paar Fußballspiele gesehen, von daher kann man sich da auch ein bisschen austauschen", verriet Kroos. "Wenn er leichte Zweifel hat, dann nimmt er uns mit rein. Das beschreibt ihn ziemlich gut und zeigt, warum es mit der Mannschaft so gut funktioniert. Am Ende entscheidet er es, aber natürlich interessiert ihn unsere Meinung."

Der ehemalige deutsche Nationalspieler kann nun am 28. Mai in Paris gegen den FC Liverpool zum fünften Mal in seiner Laufbahn den Henkelpott gewinnen, während Ancelotti als erster Trainer zum fünften Mal im Finale steht. Real und Liverpool standen sich übrigens schon 2018 im Endspiel der Königsklasse gegenüber, damals gewann Madrid mit Kroos 3:1.

Quelle: ntv.de

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