Fußball

Er ist für immer der Jogi Mehr Bundestrainer als Löw geht nicht

Keine Pressekonferenz ohne Espresso.

Keine Pressekonferenz ohne Espresso.

(Foto: picture alliance/dpa)

Tägliches Kleinklein auf dem Trainingsplatz? Wöchentlicher Kick an der Seitenlinie? Das ist nichts für Joachim Löw. Es ist auch kein Problem, dass alle ihn Jogi nennen. Das ist sein Markenkern. Hätte es den Job des Bundestrainers nicht schon gegeben, er hätte ihn für sich erfunden.

Es gehört zu den vielen Unarten des Sportjournalismus, alle möglichen Mannschaften und Menschen beim Spitznamen zu nennen. Es gibt die Fohlen, die Störche, die Roten Teufel, die Geißböcke und die Alte Dame. Es gibt Uns Uwe, die Susi, Tante Käthe, den Kokser, den Sepp, den Berti, den Hansi - und eben den Jogi. Der heißt eigentlich Joachim Löw und trainiert seit 2006 die deutsche Fußballnationalelf. 2014 gewann er mit ihr die Weltmeisterschaft in Brasilien. Er hat also alles erreicht, das kann man ruhig mal sagen. Nicht nur, weil er heute Geburtstag hat. Doch die Frage muss erlaubt sein, ob ein gestandener und mittlerweile leicht angegrauter Mann mit 60 Jahren nicht langsam zu alt dafür ist, für alle nur der Jogi zu sein. Oder wie die Reporter schreiben: der nette Herr Löw.

Die Antwort ist so schlicht wie eindeutig. Nein, er ist nicht zu alt für diese Koseform. Denn am besten war er stets, wenn er einfach der Jogi war. Also fast immer. Das ist sein Markenkern, der funktioniert seit Jahren. Nur einmal hat er versucht, nicht der nette Herr Löw zu sein, sondern - wir wissen es nicht. Das ging in die Hose. Bei der WM 2018 in Russland entfernte er sich so sehr von sich selbst, dass er sich in Sotschi an der Strandpromenade am Schwarzen Meer lässig an eine Laterne lehnte und fotografieren ließ. Da hätte das DFB-Team schon seinen Titel erfolgreich verteidigen müssen, damit die Kritiker ihm das durchgehen lassen. Sie schied aber in der Vorrunde aus. Ein Desaster.

Nach acht Jahren als Bundestrainer hält Löw 2014 den WM-Pokal in der Hand.

Nach acht Jahren als Bundestrainer hält Löw 2014 den WM-Pokal in der Hand.

(Foto: picture alliance/dpa)

Ganz kurze Zeit nach dem Turnier sah es so aus, als müsste der Mann, der der liebsten Mannschaft der Deutschen das schöne und letztlich auch erfolgreiche Fußballspiel beigebracht hatte, um seinen Job bangen. Einen Job, der in der Öffentlichkeit längst als Amt gilt, als eine offizielle Stellung. Er ist so etwas wie der Minister für Fußball. Und der Fußball ist ja mitunter auch staatstragend, zumindest hält er sich dafür. Nur Angela Merkel, seit Ende 2005 Kanzlerin der Bundesrepublik, ist länger dabei als er. Und auch wenn Joachim Löw längst nicht mehr unumstritten ist, nehmen wir gerne Wetten an, dass er länger im Amt bleibt als Frau Merkel. Ab und an lädt sie ihn ein, dann essen sie Cordon Bleu. Joachim Löw ist einer, der auch abseits des Fußballs eine gute Figur macht.

"Im Fußball ist alles möglich"

Nur wenn bei der Europameisterschaft im Sommer auch wieder nach drei Spielen Schluss ist, könnte es eng werden für den Bundestrainer. Aber davon soll nun nicht die Rede sein, nicht am Geburtstag. Sein Vertrag mit dem Deutschen Fußball-Bund gilt noch bis 2022, wenn der Weltverband Fifa die WM im Dezember in Katar ausspielen lässt. Erst einmal aber denkt Joachim Löw nur an die EM. Bis es so weit ist, wird er an den Wochenenden auf den Tribünen der Stadien sitzen und sich Spiele und Spieler anschauen. Er wird zur Ruhe mahnen, wenn noch einer sich verletzt und betonen, dass das Lamentieren seine Sache nicht sei. Er wird die Diskussionen aussitzen, ob er nicht Spieler, die er eigentlich aus seiner Auswahl verabschiedet hatte, wieder zurückholen soll. Und wenn es gar nicht anders geht, spielen Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng halt doch; oder zumindest einer von ihnen. "Im Fußball ist alles möglich", hat Joachim Löw jüngst gesagt.

Und sonst? Wird er vor den Testspielen sagen, dass Testspiele nun einmal dazu da seien, um etwas zu testen. Im Trainingslager in Südtirol wird es um den Feinschliff gehen, darum, Spielzüge und Automatismen einzuüben. Dann wird er in den EM-Tunnel eintauchen, voll fokussiert sein. Vorher wird er, Saisonarbeiter aus Leidenschaft, noch sagen, dass er sich darauf freue und die Stimmung im Kader ausgezeichnet sei. Bei den Pressekonferenzen während des Turniers wird er an seinem Espresso nippen, von einer Mammutaufgabe sprechen, die allen alles, wenn nicht gar Übermenschliches abverlange. Er wird vor dem nächsten Gegner warnen, ohne sich und seine Mannschaft zu klein zu machen. Eventuell wird er sich den Hinweis erlauben, dass er sie bei allen Turnieren seit 2008 stets bis ins Halbfinale gebracht hat, mindestens. Bis auf eine Ausnahme. Und vielleicht wird er über die Entwicklungen im internationalen Fußball dozieren, allerdings eher nur, wenn alles so läuft, wie er es sich vorstellt. So, wie es Joachim Löw immer getan hat.

Bundestrainer zu sein, am liebsten und vor allen im Frühjahr und im Sommer, das passt einfach zu ihm. Er braucht nicht das tägliche Kleinklein auf dem Trainingsplatz, den wöchentlichen Kick an der Seitenlinie, die ständige Bewertung seiner Arbeit in tabellarischer Form. Hätte es diesen Job nicht schon vorher gegeben, der Jogi hätte ihn eigens für sich erfunden.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen