Wie damals unter Sir Alex? Mit Mourinho träumt Man United vom Titel
19.09.2017, 09:43 Uhr
Zwei, die die Hoffnung tragen: José Mourinho und Romelu Lukaku.
(Foto: imago/Digitalsport)
Die Fußballer von Manchester United sind furios in die Saison gestartet. Einige Fans fühlen sich schon wieder an die goldenen Tage unter Trainer Sir Alex Ferguson erinnert. Doch so weit ist es noch lange nicht, glaubt unser Autor.
Der 12. Mai 2013 war zugleich ein Feiertag und ein Tag des Abschieds für Manchester United. Die Fans im Old Trafford schwenkten rote und weiße Fahnen vor dem Spiel gegen Swansea City, "Champions" war in weißen Buchstaben auf der Gegentribüne zu lesen, zu Ehren des 20. Meistertitels, den sich die Mannschaft schon Wochen zuvor gesichert hatte. Als die Fußballer aus dem Tunnel in der Südwestecke des Stadions traten, stellten sie sich zum Spalier auf für den Mann, der United in 27 Jahren zu 13 Meisterschaften, fünf Siegen im FA-Cup und zweimal dem Titel in der Champions League geführt hatte. Die Meisterfeier war zugleich der Ausstand für Trainerlegende Sir Alex Ferguson.
Im Nachhinein wirkt die Veranstaltung wie ein Abgesang. United, der damals dominierende Klub der Premier League, hat seine Dominanz verloren nach Fergusons Weggang. Sein Nachfolger David Moyes scheiterte krachend, vielleicht auch an den Erwartungen. Vielleicht auch, weil er nur verlieren konnte in einem Stadion, dessen größte Tribüne nach seinem Vorgänger benannt ist, in dem ein 72 Meter langes Fan-Banner an seinen Vorgänger erinnert und vor dem eine Statue seines Vorgängers steht. Bei Louis van Gaal konnte ein Sieg im FA-Cup nicht über zwei enttäuschende Spielzeiten hinwegtrösten.
Nach aktuellem Stand ist der Klub in der zweiten Saison unter Trainer José Mourinho und im vierten Jahr nach Sir Alex wieder bereit zu großen Taten. Fans und Medien fühlen sich sogar schon an goldene Zeiten erinnert. "Selbst wenn Manchester United nicht gut spielt, kann die Mannschaft in diesen Tagen solche Ergebnisse holen. Unter Ferguson war es genauso", schrieb die "Sun" am Montag. Solche Ergebnisse - damit war das 4:0 gegen den FC Everton gemeint, das United die Tabellenführung einbrachte, punkt- und torgleich mit dem Stadtrivalen Manchester City. Tatsächlich war das Resultat erstaunlich, denn es passte nicht zum Spiel. Die Partie hätte genauso gut 1:1 ausgehen können.
Tore, Tore, Tore
Und wäre sie vor nicht allzu langer Zeit wohl auch. In der abgelaufenen Saison hat United viele Punkte verschenkt, weil das Team gegen mittelmäßige Klubs nur Unentschieden spielte. Dass das in dieser Saison anders ist, hat der Verein teuer erkauft. Für angeblich 100 Millionen Euro tauschte er in der Sommerpause Wayne Rooney gegen Romelu Lukaku. Dem Angreifer aus Belgien gelangen in seinen ersten sieben Einsätzen für den neuen Arbeitgeber sieben Tore. Auch beim 4:0 gegen Everton - und den traurigen Rooney - traf er.

Hendrik Buchheister, Jahrgang 1986, ist freier Journalist, schreibt gut, gerne, aber nicht nur über Fußball - und berichtet seit dieser Saison aus Manchester über das sportliche Geschehen in England. Im Oktober erscheint sein Buch "Choreo" über Fan-Choreografien im deutschen Fußball.
United hat in dieser Saison wieder einen echten Torjäger. Jemanden, der auch enge Spiele gewinnt. Und es kann nicht schaden, dass der neue Mann keinen Sinn für Sentimentalitäten hat. Viele Profis verzichten gegen ihre ehemaligen Klubs auf den Torjubel. Aus Respekt, wie es dann immer heißt. Eine alberne Sitte. Lukaku legte sich nach seinem Treffer die Hand hinter das Ohr und rannte zu den Everton-Fans. Es war seine provokante Rache dafür, dass sie ihn zuvor verhöhnt hatten.
Das Spiel sah aus wie die Spiele von United meistens aussehen in dieser Saison. Die Mannschaft macht sich ein Spaß daraus, ihre Partien erst spät zu entscheiden, das Ergebnis dann aber deutlich zu gestalten. Lange geduldig sein, dann abschießen, so lief es bei den beiden 4:0-Siegen gegen West Ham und Swansea, beim 2:0 gegen Leicester - und gegen Everton. Das Team lässt seine Gegner lange in dem Glauben, eine Chance zu haben, und zerlegt sie dann in ihre Einzelteile. Schön anzusehen ist der Fußball immer noch nicht, den United in der zweiten Saison unter Mourinho spielt, aber er bringt Tore, Tore, Tore.
Vergleiche mit den ruhmreichen Tagen unter Ferguson sind trotzdem voreilig. Die Macher des Spielplans waren gnädig und haben United einen einfachen Saisonauftakt beschert. Die bisherigen Partien waren Pflichtaufgaben. Außerdem muss sich noch zeigen, ob die Mannschaft genug Ausdauer hat, ihren geduldigen Stil über eine ganze Saison beizubehalten, und das auch noch mit der Mehrfachbelastung durch Liga, Champions League und die nationalen Pokalwettbewerbe. Und dann ist da die Unklarheit um Paul Pogba. Der Mittelfeldspieler legte in seiner zweiten Saison nach seinem Wechsel zu United für die - damalige und längst übertroffene - Rekordsumme von 105 Millionen Euro einen vielversprechenden Start hin, erlitt allerdings eine Muskelverletzung und fällt für unbestimmte Zeit aus. Zwölf Tage oder zwölf Wochen, da wollte sich Trainer Mourinho nicht festlegen.
Die Leidenszeit der United-Fans dauert schon deutlich länger. Schon vier Jahre. Sie begann am 12. Mai 2013.
Quelle: ntv.de