Nach einer langen Londoner Party Münchner Champions landen nüchtern
26.05.2013, 19:10 Uhr
Schmuddelwetter in München: Die Ankunft war herzlich, aber unspektakulär.
(Foto: dpa)
Mit dem Champions-League-Triumph in Wembley fällt vom FC Bayern eine riesengroße Last ab. Entsprechend emotional gerät die Party. Und die Fete von London soll nur der Auftakt sein einer Feier-Ära. Die Rückkehr nach München jedoch ist unspektakulär.
Um Viertel nach eins forderte Karl-Heinz Rummenigge die von ihrem Trauma befreiten Fußball-Könige Europas auf, endgültig alle Hemmungen fallenzulassen. "Feuer frei! Trinkt viel, macht die Nacht zum Tage", rief der Vorstandschef von Bayern München dem neuen Champions-League-Sieger und über 1200 Bankettgästen im "Great Room" des noblen "Grosvenor House" am Londoner Hyde Park zu - und der "FC Feiern" ließ die Puppen tanzen.
Matchwinner Arjen Robben hüpfte mit dem Henkelpott, Bastian Schweinsteiger lockerte Erfolgstrainer Jupp Heynckes die Krawatte, und mitten in all diesem Trubel strahlte Uli Hoeneß, als hätte es den Steuerskandal um seine Person nie gegeben. "Endlich, endlich", sei der Pokal wieder "dahoam", sagte Hoeneß ergriffen.
Nach drei Jahren Leid, nach der Niederlage im Finale 2010 und dem "Drama dahoam" 2012 entlud sich beim Rekordmeister nach dem 2:1 (0:0) im "German Endspiel" gegen Borussia Dortmund all die Wut - und hier und da flossen sogar Tränen der Freude. Bei Siegtorschütze Robben nach dem Schlusspfiff, beim sonst eher unterkühlt wirkenden Rummenigge bei der Bankettrede. "Was ist das für ein Klub, für ein Stolz!", hob er an, sprach vom "Sportcomeback des Jahres" und einer Freude "wie nie zuvor".
Die Spieler um Kapitän Philipp Lahm seien wie Söhne für ihn, fuhr er fort, dann stockte er. "Mir treibt es gerade ein bisschen die Tränen in die Augen ..." Eine Stunde später steuerte die Partynacht bei wilden Klängen wie Shakiras "Waka Waka" ihrem emotionalen Höhepunkt zu, als Finanzchef Jan-Christian Dreesen Präsident Hoeneß zu sich auf die Bühne holte. "Wir woll'n den Uli sehen", sangen Hunderte Gäste. Hoeneß, peinlich berührt wie im Stadion, als er aus Schweinsteigers Händen den Pokal entgegennahm und verschämt ein bisschen hochreckte, kam wirklich.
"Alles Gute"
"Es ist ihm unangenehm", beschrieb Dreesen, was alle im Saal sahen. Rummenigge schnappte sich das Mikro, rettete die Situation. "Uli hat ohne Frage schwierige Zeiten hinter sich", sagte er. "Aber was diesen Klub auszeichnet, ist, dass wir alle Freunde sind - und schwierige Zeiten zusammen durchstehen. Deshalb, Uli: alles Gute!" Dann gab er ein letztes Mal den Einpeitscher. "Und jetzt halten wir nicht länger die Party auf, jetzt geben wir Feuer!" Rummenigge gab die Richtung vor, als er auf der Tanzfläche eine Champagnerflasche über seinem Kopf kreisen ließ. Feste Nahrung - es gab Räucherlachs, englischen Spargel und Angus Filet - interessierte kaum jemanden.
In dieser langen Nacht war in jeder Sekunde fast mit Händen zu greifen, was Torhüter Manuel Neuer so umschrieb: "Wir sind einfach alle erleichtert, da fällt wirklich eine Last ab." Neuer, neben 40-Millionen-Mann Javi Martínez Bayerns Bester, hatte die Münchner mit seinem wohl besten Spiel im Münchner Trikot anfangs im Rennen gehalten - und so die Bühne bereitet für Robben. Der "Final-Depp" von 2012 legte erst das 1:0 von Mario Mandzukic auf (60.), dann schoss er auch noch den Siegtreffer (89.). "Das war wie ein Traum", sagte er über diesen Moment, der dem FC Bayern zum fünften Mal den Henkelpott bescherte. Was er für Robben bedeutete, war 86.298 Zuschauern in der "Kathedrale des Fußballs" sofort klar. Er sprintete in die Bayern-Kurve, verzog das Gesicht zu einer irren Grimasse und schrie. Seht her! Letztes Jahr habt ihr mich ausgepfiffen - jetzt habe ich euch euren größten Traum erfüllt. "Ich habe nicht vergessen, was im letzten Jahr passiert ist", sagte Robben, "da kam alles hoch."
Coach Heynckes dachte auch an den Niederländer, der sein viertes großes Finale spielte, als er bei seiner kurzen Rede auf dem Bankett davon sprach, wie "unheimlich" er sich für die Älteren in der Mannschaft freue. "Diese Weltklasse-Spieler haben nun auch ihren internationalen Titel, ihre Krönung", sagte er. Und Lahm gab sogar zu, dass dies sein "erster Gedanke" nach dem Schlusspfiff gewesen sei. "Wir haben immer gesagt: Wenn wir eine goldene Generation sein wollen, müssen wir einen internationalen Titel holen." Entsprechend enthemmt feierten die "Super-Bayern" auf dem Rasen.
"Die Leute sollen ruhig kommen!"
Um 21.54 Uhr Ortszeit nahm Lahm aus den Händen von UEFA-Präsident Michel Platini den Cup entgegen, noch 40 Minuten später hüpften er und seine Kollegen über den Platz. Die Fans verabschiedeten ihre Lieblinge mit "Berlin, Berlin"-Sprechchören in die Kabine. In der Hauptstadt wollen die Bayern am kommenden Samstag (1. Juni) beim DFB-Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart das historische Triple perfekt machen. Dort, kündigte Rummenigge im Überschwang an, "haben wir auch mit 1,8 Promille noch eine Chance". Diesen Pegel wollten sich die Profis abseits der Feier mit den VIPs Horst Seehofer, Boris Becker, Thomas Gottschalk oder Wolfgang Niersbach antrinken. Robben gab kurz nach halb drei mit dem Cup in der Hand das Aufbruchssignal.
Vorher hatte er sich noch über eine Anweisung von Chef Heynckes hinweggesetzt. Mit den Worten "unser Weg ist noch nicht zu Ende", hatte der Berlin ins Visier genommen, doch Robben meinte: "Wir haben ihm das ganze Jahr immer gut zugehört - jetzt nicht mehr." Und wie er so dabei war, schob er noch den "Wunsch" des Klubs beiseite, bei der Heimkehr am Sonntag gegen 17 Uhr solle es bitteschön keinen großen Bahnhof geben. "Die Leute sollen ruhig kommen!"
Nach der Landung bei strömendem Regen ging dann aber alles ganz schnell. Lahm und Heynckes trugen den Henkelpott die Gangway herunter auf einen nassen roten Teppich, um den sich Medienvertreter und einige, auch in Bayern-Kluft gekleidete Flughafen-Angestellte drängten. "Mia san Champions", stand auf den blauen T-Shirts, die die Bayern trugen. Angesichts des Regens, Wind und Temperaturen von nur sechs Grad drängten sie sofort in den Mannschaftsbus. Ein "großer Bahnhof" war aber eh nicht geplant, mit den Fans gefeiert werden soll noch einmal am kommenden Sonntag. Und dann? Eilt der FCB auch unter Pep Guardiola von Erfolg zu Erfolg? "Man sollte vorsichtig sein", sagte Heynckes, ehe er sich verplapperte und den Transfer von Robert Lewandowski aus Dortmund vorwegnahm. "Der FC Bayern", sagte Rummenigge, "steht vor rosigen Zeiten." Wer wollte da widersprechen.
Quelle: ntv.de, Marco Mader, sid