Letzter Gang von Juves Messias? "No Pirlo, No Party"
05.06.2015, 15:46 Uhr
Andrea Pirlo ist Juves Hoffnunsgträger - und das mit 35 Jahren.
(Foto: imago/Fotoarena International)
Andrea Pirlo ist ein Hoffnungsträger. Dabei ist er schon 35 Jahre alt. Doch der "alte Mann" ist die zentrale Figur im Spiel der "alten Dame". Vor dem Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona ist er Turins Hoffnungsträger. Aus gutem Grund.
Er hat ein eigenes Weingut, ist auf dem Platz mehr Künstler als Sportler und besitzt mehr Lässigkeit als die meisten Hollywood-Schauspieler: Juves Mittelfeldregisseur Andrea Pirlo ist nicht nur für Turiner Fans ein höchst ungewöhnlicher Fußballer. Beim Champions-League-Finale am Samstag (20.45 im Live-Ticker bei n-tv.de) in Berlin gegen den FC Barcelona könnte der 35-Jährige mit einem großen Titel von der europäischen Fußball-Bühne abtreten. Der Verlust für die Fangemeinde wäre groß. "No Pirlo, No Party" - der Slogan auf den weißen Fanshirts sind bereits Kult. Genau wie Pirlos stoische Art. Während Weltfußballer Cristiano Ronaldo die Fußballfans polarisiert, herrschen über den Italiener keine zwei Meinungen: Cool, lässig, erfolgreich. Der Weltmeister von 2006 verkörpert die Eleganz im Fußball.
"Wenn ich Andrea mit dem Ball sehe, frage ich mich, ob ich mich überhaupt Fußballer nennen darf", sagte Pirlos ehemaliger Teamkollege Gennaro Gattuso. Juve-Torwart Gianluigi Buffon sah in ihm gar "den Beweis für die Existenz Gottes". Und auch Barcas Andres Iniesta sagte: "Andrea Pirlo ist ein einzigartiger Spieler, der das gegnerische Team mit nur einem Pass zerlegen kann." Seine wehenden Haare, der Vollbart - und natürlich das Weingut, das er sich in Capriano del Colle vor Jahren zugelegt hat, machen das Bild des außergewöhnlichen Profis perfekt. Fast wie ein Feldherr schreitet Pirlo durch das Mittelfeld, immer bereit, dort zuzuschlagen, wo die gegnerische Abwehr auch nur die kleinste Lücke offenbart. Er ist auf den Beinen nicht schnell, aber im Kopf zu schnell für seine Gegner. Seine Pässe, Freistöße und Flanken kommen mit ungeheurer Präzision bei den Mitspielern an. Das musste auch schon die DFB-Elf erfahren.
Das Schreckgespenst der Deutschen
Sowohl im WM-Halbfinale 2006 als auch im EM-Halbfinale 2012 war er einer der Gründe für die deutschen Niederlagen. Mit seiner Vorlage zu Fabio Grosso im WM-Halbfinale 2006 leitete er das 1:0 und damit das Ende des deutschen Sommermärchens ein. Pirlo beherrscht in Topform das Tempo eines Spiels. "Metronom" oder "Architekt" sind nur einige Spitznamen, die er in seiner Heimat trägt. Abseits des Spielfelds beherrscht vor allem eins: Schweigen. Nur selten stellt er sich den Medien. Nicht erst, seitdem er im vergangenen Jahr in die Klatschspalten geriet. Er trennte sich von seiner Frau Deborah, mit der er zwei Kinder hat, und ging eine Beziehung mit einer PR-Managerin ein. Von da an machten Paparazzi Jagd auf ihn.
Dabei schien Pirlos Karriere in völlig andere Bahnen zu laufen. Nach seinem Serie-A-Debüt mit nur 16 Jahren in Brescia wurde er als Supertalent hochgejubelt. Dann aber schnell zum Versager abgestempelt, als er bei Inter Mailand als Spielmacher nicht zurechtkam. Zwei Ausleihen später landete er schließlich beim AC Milan, wo Trainer Carlo Ancelotti sein Talent erkannte und ihn um wenige Meter nach hinten versetzte. Mit Erfolg: Pirlo gewann zweimal die Champions League, mehrere Meistertitel und 2006 die WM. Fünf Jahre später war er den Mailand-Verantwortlichen dann allerdings zu alt. Er wechselte nach Turin. Ablösefrei. Seitdem gewann Juve vier Meistertitel. Und Milan? Nichts.
Doch nun scheint sich auch die Liaison mit der "Alten Dame" dem Ende zuzuneigen. Immer wieder wurden Wechselgerüchte laut. Finanzstarke außereuropäische "Operettenligen" locken den Italiener. Doch vorher hat Pirlo noch ein Ziel: "Für mich wäre es ein Traum, mit Juve den Champions-League-Titel in Berlin zu gewinnen, in derselben Stadt, in der ich Weltmeister geworden bin."
Quelle: ntv.de, Dominik Kortus, sid