Fußball

WM-Countdown (31) Nutzloses Wissen über Tschertschessow

Beweisfoto: Stanislaw Tschertschessow am 29. Oktober 1994 im gar nicht mal so schönen Trikot der SG Dynamo Dresden.

Beweisfoto: Stanislaw Tschertschessow am 29. Oktober 1994 im gar nicht mal so schönen Trikot der SG Dynamo Dresden.

Russlands Fußball-Nationaltrainer stellt seinen vorläufigen Kader für die Weltmeisterschaft vor. Darüber, wer drin ist und wer nicht, wird in Russland nun viel diskutiert. Doch wer redet über den Trainer selbst? Und über Joachim Löw? Wir natürlich!

28 Spieler, die mit ins Trainingslager nach Nowogorsk dürfen. Sieben weitere, die zuhause bleiben müssen, aber sich theoretisch noch Hoffnung auf einen Platz als Nachrücker machen können. Russlands Trainer Stanislaw Tschertschessow hat seinen vorläufigen WM-Kader vorgestellt (endgültig festlegen muss er sich erst Anfang Juni), und halb Russland diskutiert: Gluschakow nur als Nachrücker? Guilherme auch? Und können wir mal über Ignaziew reden?

Alles schön und gut, die Debatten, die Online-Abstimmungen, die guten Ratschläge. Allein: Sie werden nichts ändern - als ob sich Tschertschessow in seine Kernaufgabe reinreden ließe! Statt müßiger Diskussionen widmen wir uns also heute mal der Frage: Was ist das für ein Mann, dem die Russen ihre Fußball-Nationalmannschaft anvertrauen? Also, Stanislaw Tschertschessow …

... kommt aus dem kleinen ossetischen Ort Alagir, nicht weit vom Elbrus, Europas höchstem Berg (jaja, liebe Freunde des Mont Blanc, ihr habt ja Recht, es ist Definitionssache). Vielleicht kommt daher die poetische Sprache, mit der Tschertschessow seine abgeschiedene Heimatstadt beschreibt. Wir würden vielleicht von Fuchs und Hase reden, die sich dort gute Nacht sagen, bei ihm klingt das so: "Wenn du neun Jahre alt bist und in den Bergen von Alagir lebst, wo nicht einmal die Adler hinfliegen - da fragt dich keiner, wo du in Zukunft mal sein willst."

... kann ziemlich gut Deutsch. Das geht unter anderem auf seine Zeit bei Dynamo Dresden zurück - und wer hier einen Witz über das Deutsch der Dresdener erwartet hat: Sorry, dafür bin ich mir zu fein. Jedenfalls: Dresden war es, wo Tschertschessow von 1993 bis 1995 im Tor stand und bei den Fans sehr beliebt war. Wie es dazu kam, und warum es ihm so wichtig war, schnell die Sprache zu lernen, erzählt er hier:

 

... wurde mal von Joachim Löw trainiert. Beim FC Tirol Innsbruck war das, Anfang der Zweitausenderjahre, Löw schon Trainer, Tschertschessow noch Torwart und nicht gerade in Spitzenform. Es kam, was kommen musste: Löw setzte ihn erst mal auf die Bank, Tschertschessow musste sich beweisen. Ihrem persönlichen Verhältnis scheint es nicht weiter geschadet zu haben, wenn man sich aktuelle Fotos der beiden so ansieht:

 

… hat mal den russischen Fußballklub mit den meisten Zischlauten im Namen trainiert. Okay, ich hab nur die oberen beiden Ligen überprüft, dafür aber durch alle bisherigen Saisons, und siehe da: Tschertschessows Klub liegt vorne. Keine schlappen drei Zischlaute wie bei Anschi Machatschkala oder Tekstilschtschik Kamyschin. Auch keine mauen vier wie bei Gasowik-Gazprom Ischewsk oder Sarja Leninsk-Kusnezki. Nein, fünf Zischlaute - die Perlen des kyrillischen Alphabets - bietet nur Schemtschuschina Sotschi. Ein gutes halbes Jahr war Tschertschessow dort als Trainer.

... hat für drei verschiedene Länder in der jeweiligen Nationalmannschaft gespielt - eine Folge der bewegten Jahre, in die seine aktive Zeit fiel: Den Anfang machte Tschertschessow noch als Torwart des sowjetischen Teams, mit dem Jahr 1992 wurde er zum Mitglied der Nationalmannschaft der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Später im selben Jahr schließlich wechselte er ohne eigenes Dazutun zu seiner dritten und letzten Nationalmannschaft, der russischen. Für sie hatte er seine meisten Einsätze als Spieler, sie sollte er später auch als Trainer anführen.

... hatte mal Haare auf dem Kopf. Doch, wirklich! Die haben sich inzwischen verdrückt, der Tschertschessow-Schnäuz hingegen ist ein Klassiker, den der Mann schon seit Jahrzehnten pflegt. Beweisfoto? Aber gerne:

 

Unsere Kolumnistin

Katrin Scheib ist Journalistin, Schalke-Fan und kommt aus dem Rheinland. Als die deutsche Mannschaft 2014 in Brasilien Fußball-Weltmeister wurde, war sie gerade nach Moskau gezogen. Seitdem bloggt sie unter kscheib.de über ihren Alltag und informiert mit ihrem "Russball"-Newsletter jede Woche über den Fußball und die WM-Vorbereitungen in Russland. Und nun schreibt sie für n-tv.de den Countdown, bis das Turnier am 14. Juni beginnt.

... ist unter allen Trainern der diesjährigen WM-Mannschaften der mit dem fünfthöchsten Gehalt. Und klar, man muss solche Statistiken immer mit Vorsicht genießen, aber: Wenn nur die Trainer von Deutschland, Brasilien, Frankreich und Spanien besser verdienen als du, dann läuft schon irgendwas ziemlich gut für dich. Bleibt die Frage: Kann das Leistungsniveau mit dem Gehaltsniveau mithalten? Dann müsste die russische Nationalmannschaft unter Tschertschessow die fünftbeste des Turniers werden - und nicht darum zittern, ob sie die Gruppenphase übersteht.

... ist nicht, ich wiederhole: nicht! der Mann mit dem Kätzchen. Das war sein Vorgänger als russischer Nationaltrainer, Leonid Sluzki. Von dem ist tatsächlich überliefert, dass er seine Spielerkarriere beenden musste, weil die Katze eines Nachbarn sich in einem Baum verklettert hatte. Sluzki, damals noch am Beginn seiner Karriere, kletterte ihr nach, rettete das Tier, stürzte aber selbst so schwer, dass er sich das Knie zerdepperte und ihm nur die Karriere als Trainer blieb (hier erzählt er die Anekdote selbst). Eine wunderbare Geschichte. Nur halt nicht über Tschertschessow.

Alle Folgen des WM-Countdowns finden Sie hier

Quelle: ntv.de

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