Fußball

Bundesliga-Lehren am 6. Spieltag Paderborn wundert sich über den FC Bayern

Paderborns Luca Kilian durfte Philippe Coutinhos Ballkunst aus allernächster Nähe bestaunen.

Paderborns Luca Kilian durfte Philippe Coutinhos Ballkunst aus allernächster Nähe bestaunen.

(Foto: imago images/Revierfoto)

Beim FC Bayern herrschte vor dem 6. Bundesliga-Spieltag auffallend gute Laune, die ist schon wieder passé. In Dortmund war die Stimmung bereits vorher so naja. Dem erneut gedämpften BVB gelingt an einem historischen Spieltag immerhin Außergewöhnliches.

1. Der FC Bayern ermahnt sich

Dass die Menschen in Paderborn am Samstag staunen würden, das war bereits eine ausgemachte Sache. Denn der FC Bayern war zu Gast. Und mit ihm Philippe Coutinho, dieser Fußballer, der Dinge mit und ohne Ball veranstalten kann, die sie in Ostwestfalen so nicht kennen. Also durfte man darüber staunen, wie er Serge Gnabry vor dessen Führungstor freizauberte. Man durfte auch darüber staunen, wie der Brasilianer einen flachen Pass von Abwehrchef Niklas Süle - der Pass sortiert sich irgendwo zwischen den Kategorien sensationell und unmotiviert ein - mit einer Körpertäuschung zu Stürmer Robert Lewandowski rollen ließ, der dann sehr, sehr schön abschloss. Und über diesen Abschluss durfte man auch staunen. Denn zuvor hatte der Pole etwas getan, was man ihm wirklich nicht zutraut. Er hatte freistehend (!) einen Ball neben das leere Tor gesetzt. Irgendwie unverschämt. Ebenso unverschämt wie der sensationelle Thiago-Schlenzer aus 40 Metern an den eigenen Pfosten und auch ebenso unverschämt die Aufholjagd der Paderborner. Erst verkürzten sie zum 1:2, dann zum 2:3. Und schließlich provozierten sie den Meister an diesem 6. Spieltag der Fußball-Bundesliga auch noch zu rüden Kreisliga-Methoden. "Die Bayern haben die Bälle hinten rausgeschlagen", staunte Innenverteidiger Uwe Hünemeier über die letzten Minuten.

Weniger Grund zum Staunen bietet nach dieser Ligarunde der Blick auf die Tabelle. Dort ist zumindest an der Spitze und am Ende alles wie erwartet: Die Bayern führen das Feld an, der Aufsteiger hängt hinterher, ist als einziges Team noch sieglos. Trotz einer erneut sehr mutigen und leidenschaftlichen Leistung. Dazu gratulierte Trainer Steffen Baumgart dann auch seinen Jungs. Ganz anders gingen die Münchener mit der Leistung um. Also mit ihrer. "Wir haben es nicht gut gemacht", schimpfte Joshua Kimmich. "Wir laufen unserem Anspruch hinterher. Auch die letzten Spiele, die wir deutlich gewonnen haben, waren nicht in der Art und Weise, wie wir uns das vorstellen. Ich finde, dass wir ein bisschen zu leichtsinnig mit unserem Ballbesitz umgehen. Wir schaffen es nicht immer, Dominanz durch sicheren Ballbesitz auszustrahlen und dadurch signalisieren wir dem Gegner immer wieder, dass etwas möglich ist." Tatsächlich hatte sein Trainer Niko Kovac vor dem Spiel in Ostwestfalen mehr Dominanz gefordert. Und mehr Effektivität. "Es ist nicht das erste Spiel, das wir in der ersten Halbzeit von den Chancen her dominieren", sagte er. "Man muss auch mal mit zwei, drei Toren Unterschied in die Halbzeit gehen. Das war möglich. Das bemängele ich." Unnötig Kraft habe seine Mannschaft mit Blick auf das Champions-League-Duell am Dienstag bei Tottenham Hotspur (ab 21 Uhr im Liveticker bei ntv.de) vergeudet. "Wir müssen daraus lernen", so Kovac. "Wir machen uns das Leben schwer und ich würde mir wünschen, dass wir uns das Leben leichter machen."

2. Die "M"-orussia macht sich Sorgen

Der Moment, in dem es in Dortmund wieder um die Mentalität geht: Marco Friedl köpft Werder zum 2:2.

Der Moment, in dem es in Dortmund wieder um die Mentalität geht: Marco Friedl köpft Werder zum 2:2.

(Foto: imago images/Nordphoto)

Der Buchstabe "M" ist derzeit der größte Alphabets-Hipster im Ruhrgebiet. Erst musste sich Borussia Dortmund nach einem - sagen wir mal "nicht sehr optimalen Saisonstart" - mit der "Mentalitätscheiße" befassen (Marco Reus) - was eher so halbsouverän gelang. Nun vermissen sie, nach dem außergewöhnlichen Heim-2:2 (siehe 5.) gegen Werder Bremen, Männerfußball (Roman Bürki). Man kann von diesem ganzen Krempel halten was man will, die Wahrheit spricht der souveräne Marco Reus aus: "Ich mache mir Sorgen, dass wir die Spiele nicht gewinnen. Das hat oberste Priorität." Gar keine Priorität genießt derweil die Frage nach dem Trainer. Lucien Favre muss sich trotz nur eines Sieges aus den vergangenen fünf Pflichtspielen keine Sorgen um seinen Job machen. "Wir führen keine Trainerdiskussion", sagte Sportdirektor Michael Zorc den "Ruhr Nachrichten". Dennoch: Vier Punkte ließ der BVB an den vergangenen beiden Spieltagen im Kampf um die ausgerufene Meisterschaft liegen. Dass der Abstand zu Tabellenführer FC Bayern, trotzdem nur drei Punkte beträgt, verdanken die Dortmunder ausgerechnet dem Erzrivalen Schalke 04. Der bremste in Leipzig den Höhenflug der ortsansässigen Rasenballsportler (1:3) - und feierte danach, Obacht, seine Mentalität. So erklärte Torwart Alexander Nübel: "Mentalität schlägt manchmal auch Qualität. Und die haben wir auf den Platz gebracht." Und so lobt die "Bild"-Zeitung die neuen Malocher aus Gelsenkirchen höchst sensibel als "echte Kerle". Es müssen ja auch nicht immer gleich Männer sein.

3. Freiburg ist "im Titelrennen wieder voll dabei"

Nein, Freiburg wird natürlich nicht Deutscher Meister. Das weiß auch Verteidiger Christian Günter, der seinen kleinen Verein scherzhaft im Kampf um die Schale verortete. Und so freuen sie sich im Breisgau ganz realistisch über beachtliche 13 Punkte für den Klassenerhalt: "Ich schlafe gut! Weil unser Abstand zum Drittletzten gut ist", sagte Christian Streich nach dem mit übersichtlicher Qualität herausgekämpften 2:1 bei Fortuna Düsseldorf ernst: "Das, und nur das, ist entscheidend." Auch der eingewechselte Siegtorschütze Luca Waldschmidt gab sich nach dem dritten Auswärtssieg der Saison realistisch: "Die vielen Punkte fühlen sich schön an, aber wir schauen nicht auf die Tabelle." Der dritte Platz "interessiert mich nicht", sekundierte Dominique Heintz.

Aber: Ist da wirklich nichts drin? Die Mahner und Realisten sagen zurecht: Freiburgs bisherige Gegner haben sich nach dem sechsten Spieltag auf den Rängen 12, 13, 14, 16, 17 und 18 der Bundesligatabelle eingereiht, die wahren Qualitätsgegner warten also allesamt noch auf die Bayern-Jäger. Andererseits: Borussia Dortmund ließ gegen die Teams, die am Ende der letzten Saison auf diesen Rängen standen, sieben Punkte liegen. Wären es zwei weniger gewesen, würde man heute in Dortmund nicht über Mentalität diskutieren. Willkommen zurück im Titelrennen, SC Freiburg!

4. Im Keller ist die Laune nicht immer mies

Nicht nur wegen der Umarmung von Frankfurts Adi Hütter war Urs Fischer gar nicht schlecht drauf - trotz Niederlage.

Nicht nur wegen der Umarmung von Frankfurts Adi Hütter war Urs Fischer gar nicht schlecht drauf - trotz Niederlage.

(Foto: imago images/Nordphoto)

Die letzten vier Teams der Tabelle haben gemeinsam nach sechs Spieltagen weniger Punkte geholt (elf), als der Siebte (VfL Wolfsburg, zwölf) alleine. Das könnte für einen großen Chor der abgehängten Wehklagenden sorgen, schließlich haben der 1. FC Union Berlin, der 1. FSV Mainz 05, der 1. FC Köln und der SC Paderborn am Wochenende allesamt verloren. Aber das ist ein klarer Fall von "Denkste!": Bei der Mainzer Heimniederlage gegen den VfL Wolfsburg tobte sich 05-Cheftrainer Sandro Schwarz noch vor dem Abpfiff zum ersten Trainerplatzverweis der Bundesligageschichte, sein Kölner Pendant Achim Beierlorzer sprach der Abwehrarbeit nach der 0:4-Klatsche gegen Hertha BSC die Ligawürdigkeit ab.

Aber bei den anderen Kellerkollegen? "Einen tollen Auftritt" will Unions Trainer Urs Fischer beim eher trüben 1:2 gegen Eintracht Frankfurt gesehen haben und verspricht: "Dann kannst du auch mal mit einer Niederlage umgehen." Und der Paderborner Aufstiegstrainer Baumgart war naturgemäß mit seiner Mannschaft nach dem couragierten 2:3 gegen den FC Bayern nur über das Ergebnis enttäuscht: "Wir haben viel von dem umgesetzt, was wir wollten. Das ist gut, aber es reicht einfach nicht. Die Leistung passt, deshalb spielen wir auch so weiter. Unabhängig vom Ergebnis hat meine Mannschaft ein Riesenspiel geliefert."

5. Auswärts ist das neue Zuhause

Das hätten sie in Dortmund am späten Samstagabend auch nicht gedacht: Mit dem für den Titelkandidaten enttäuschenden 2:2 gegen Werder Bremen stemmte sich der BVB als einziger Klub halbwegs erfolgreich gegen den Trend des Spieltags. Nur einen Punkt - eben den der Schwarz-Gelben - gab es am sechsten Spieltag für die Fans der Heimteams zu bejubeln. Sechs Spieltage ohne einen einzigen Heimsieg gab es in der Geschichte der Bundesliga vorher schon, da reichte es aber jeweils zu mindestens vier Unentschieden. Dieser seit dem Abpfiff der zweiten Sonntagspartie in Köln historische Spieltag wäre das logische Ende einer Evolution: Auswärtsteams holen statistisch gesehen immer mehr Punkte.

Fuhren vor 1989 noch in mehr als 65 Prozent der Spiele die Gäste mit leeren Händen nach Hause, waren es 2010 nur noch 52 Prozent. Und in diesem Jahrzehnt wird in der Regel weniger als jedes zweite Spiel von den Heimmannschaften gewonnen. Bis der historische sechste Spieltag der Saison 2019/20 Alltag wird, wird es aber wohl noch ein wenig dauern. Und die beste Statistik kann eben auch nur die Realität beherrschbar machen, beherrschen wird sie sie nie können: Der SC Paderborn wird wohl auch dann nicht in München gewinnen, wenn die Statistik noch so klar auf seiner Seite ist.

6. Die Fohlenherde galoppiert los

Die Fohlen begeistern, auch wenn noch nicht alles nach Plan läuft.

Die Fohlen begeistern, auch wenn noch nicht alles nach Plan läuft.

(Foto: imago images/Wiechmann)

Groß war die Euphorie in Gladbach, gewaltig die Vorfreude auf die neue Saison: Der neue Trainer Marco Rose sollte der etwas zu routiniert gewordenen Fohlenherde neue Wildheit beibringen, mit viel Energie und einem guten Plan wollte man die Gegner in dieser Runde einfach überrennen. Und dabei begeistern. So sollte es zumindest in der Vorstellung vieler Fans laufen. Dass sich aber auch mit langen, detailreichen Trainingseinheiten über Jahre eingeschliffene Verhaltensweisen nicht einfach abtrainieren und durch die neuen, besseren ersetzen lassen, das lernten sie in Gladbach schnell.

Sie haben noch ein wenig Wiese vor sich, bis der "Rose-Fußball" in seiner vollen Ausprägung aufs Feld gebracht werden kann. Aber bis es richtig rund läuft, erkauft man sich eben die Zeit durch ganz schnöde Siege in Serie. Zuerst die zwei Derbysiege gegen den 1. FC Köln (1:0) und Fortuna Düsseldorf (2:1), die das bittere 0:4 gegen den Wolfsberger AC einrahmen, zuletzt das schon begeisternde 3:0 gegen die TSG Hoffenheim: In Gladbach gestalten sie ihren Lernprozess überaus erfolgreich. Auch, wenn der Plan bisher noch gar nicht richtig aufgegangen ist.

Quelle: ntv.de

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