Der Bundesliga-Check: Gladbach Plötzlich Spitzenklub
11.08.2015, 10:07 Uhr
Maskottchen Jünter freut sich auf die neue Saison. Die Verantwortlichen um Sportdirektor Eberl und Coach Favre formulieren allerdings sehr defensive Ziele.
(Foto: imago/Schwörer Pressefoto)
Die Borussia aus Mönchengladbach spielt in der Königsklasse. Sie verhalten sich aber nicht so – wirklich prominente Zugänge sucht man vergebens. Sie bleiben sich treu, auch wenn das kurzfristig wenig Erfolg verspricht.
Marco Reus, Dante, Roman Neustädter, Marc-Andre ter Stegen, Max Kruse, Christoph Kramer: All diese Spieler musste Borussia Mönchengladbach in den letzten drei Jahren ziehen lassen. Da würde der eine oder andere wohl in Wehklagen verfallen, nicht so Erfolgstrainer Lucien Favre. "Ich jammere nicht. Ich jammere nie", sagte der Schweizer jüngst der "Süddeutschen Zeitung". Stattdessen tun er und Sportdirektor Max Eberl das, was die Borussia zu dem Aufsteiger der letzten Jahre gemacht hat: scouten, Talente und bezahlbare Spieler holen, tüfteln. Nur eben jetzt in der Champions League.
Was gibt’s Neues?
In Zeiten, in denen einige Fußball-Experten und sogar rechtskonservative Alpha-Journalisten die Hispanisierung des FC Bayern München beklagen, verwundert es ein wenig, dass die Verschweizerung der Gladbacher Borussia so wenig problematisiert wird. Vielleicht, weil das Thema fußballerisch doch gar nicht so relevant ist und die Guardiola-Kritiker eher politische Probleme mit der angeblichen Übernahme des deutschen Vorzeigeklubs durch Südländer haben. Vielleicht auch, weil die Borussia trotz ihrer jüngsten Erfolge noch lange nicht den Status eines absoluten Topklubs wiedererlangt hat und deswegen immer noch unter dem Radar fliegt. Wie dem auch sei: Die Gladbacher führen ihren Schweizer Weg unbeirrt fort. Mit Josip Drmic, Nico Elvedi und Djibril Sow haben sich drei weitere Eidgenossen der Borussia angeschlossen. Uns ist es ja herzlich egal, woher die Herren kommen. Aber wir horchen auf, wenn Lucien Favre in der "SZ" befiehlt: "Merken Sie sich diese Namen!" Und zwar nicht nur Elvedi und Sow, sondern auch noch Mahmoud Dahoud, Marvin Schulz, Andreas Christensen und Tsiy William Ndenge. Mehr Namen, als in ein normal überfordertes Journalistenhirn passen, aber wenn Lucien Favre verspricht, diese ganzen Jungspunde groß zu machen, glauben wir das.
Wie gut kennen Sie Gladbach? Die Borussia aus Mönchengladbach spielt in der Königsklasse. Sie verhalten sich aber nicht so – wirklich prominente Zugänge sucht man vergebens. Wie gut kennen Sie den Verein, der in der Vergangenheit schon so manch großes Talent ziehen lassen musste. Testen Sie Ihr Wissen im n-tv Quiz. Auf wen kommt es an?
Nur mal angenommen, Gladbach träfe in der Champions League auf Manchester City: Die Engländer haben sich im Sommer für 84 Millionen Euro verstärkt, allein 64 Millionen haben die Citizens für Raheem Sterling vom FC Liverpool ausgegeben. Der 21-Jährige kommt als Ergänzung zu einer ohnehin luxuriösen Offensivreihe um Sergio Agüreo und David Silva. Zur Illustration, wie weit die Borussia noch von den Großen entfernt ist, in deren Konzert sie mitspielt: Gladbach hat vor der Saison 25 Millionen Euro investiert – inklusive der 8 Millionen für Thorgan Hazard, der bislang nur von Chelsea ausgeliehen war. Bleiben Josip Drmic (10 Millionen Euro, von Bayer Leverkusen) und Lars Stindl (3 Millionen Euro, von Hannover 96) als Königstransfers. Sie sind keine Zugabe wie Sterling für City, sie ersetzen die Abgänge - wenn auch nicht eins zu eins. Drmic ist mehr ein klassischer Neuner, als es Max Kruse war. Stindl wird von Favre zwar auf der Sechs ausprobiert, hat seine Stärken aber anders als Christoph Kramer eher in der Offensive, er war in der Vorsaison mit 10 Toren und 4 Vorlagen in nur 21 Spielen der beste Scorer für Hannover. Favre muss also sein System anpassen und hoffen, dass die beiden sofort funktionieren – und zwar so, dass es für höchste Aufgaben reicht.
Was fehlt?
Die Euphorie. Zumindest vor den Kameras zeigen sich die Verantwortlichen in Gladbach von ihrem Höhenflug ungefähr so begeistert wie Bernd das Brot von unangemeldetem Besuch. "Zufrieden" sei er, nicht stolz, sagte Lucien Favre der "SZ". Veteran Roel Brouwers mahnte: "Wir dürfen nicht durchdrehen". Die zurückhaltende Transferpolitik von Sportdirektor Eberl trägt genau diese Botschaft. Die Borussen spüren, dass es nach Lange der Dinge lange dauern kann, bis sie noch einen Schritt weiterkommen. Für die Möglichkeiten in Gladbach wäre Stillstand schon ein Erfolg.
Wie lautet das Saisonziel?
Lernen Sie von Max Eberl, wie pures Understatement geht: "Wir wollen einen einstelligen Tabellenplatz." Fast schon offensiv dagegen Trainer Lucien Favre, der ergänzt: "Mit der Hoffnung, wieder nach oben schauen zu können."
Die n-tv.de-Prognose
Lucien Favre und seine Mitstreiter hat schon immer ein ausgeprägter Sinn für Realitäten ausgezeichnet. Nachdem Dante, Marco Reus und Roman Neustädter 2012 gingen, sagte der Schweizer eine harte Saison voraus: "Das ist, als wenn Barcelona Messi, Xavi und Puyol verliert." Die Borussia rutschte von Rang vier auf acht ab, Unruhe herrschte nie. Bedeutet das niedrige Saisonziel also, dass Favre wieder damit rechnet, dass Mönchengladbach sich aus den Europapokalrängen verabschiedet? Wir jedenfalls nicht, Platz sechs sollte drin sein.
Quelle: ntv.de