"Bitterster Moment meiner Karriere" Podolski flüchtet vor dem Mob
06.05.2012, 12:31 Uhr
"Wenn man soviele Niederlagen und Gegentore kassiert, hat man es nicht verdient, in der Bundesliga zu spielen": Lukas Podolski.
(Foto: REUTERS)
Der 1. FC Köln steigt nach einer chaotischen und schlimmen Saison zum fünften Mal aus der Fußball-Bundesliga ab. Für Lukas Podolski, der den Verein nun in Richtung London verlässt, ist es der schwärzeste Moment seiner Karriere. Der Nationalspieler ist untröstlich.
Nach dem Abschied mit dem Abstieg flüchtete die Kölner Fan-Ikone Lukas Podolski vor dem FC-Mob: Die dicke, pechschwarze Rauchwolke hinter dem Tor verhieß nichts Gutes, und so nahm Podolski wie alle anderen Spieler nach dem vorzeitigen Schlusspfiff von Schiedsrichter Florian Meyer die Beine in die Hand und sprintete schnurstracks in die Kabine. Es waren schlimme letzte Sekunden für Podolski im geliebten Trikot mit dem Geißbock, und so war der Nationalspieler nach dem 1:4 (0:1) gegen Bayern München auch untröstlich. "Das ist der bitterste Moment meiner Karriere", sagte der zum FC Arsenal wechselnde Stürmer. Und man spürte, dass er es so meinte.
Fußball-Bundesliga, Saison 2011/12
Deutscher Meister: Borussia Dortmund. Teilnehmer Champions League: Borussia Dortmund, Bayern München, FC Schalke 04. Champions League-Qualifikation: Borussia Mönchengladbach. Europaliga: Bayer Leverkusen. Europaliga-Qualifikation: VfB Stuttgart, Hannover 96. Relegation gegen 16. der 2. Bundesliga: Hertha BSC. Absteiger in die 2. Bundesliga: 1. FC Köln, 1. FC Kaiserslautern
Für Podolski, dessen Rückennummer 10 der FC bis zum Karriereende des Prinzen nicht mehr vergeben wird, war es schon der dritte Abstieg mit seinem FC, zum zweiten Mal verabschiedet er sich danach. "Wenn man soviele Niederlagen und Gegentore kassiert, hat man es nicht verdient, in der Bundesliga zu spielen", resümierte Podolski. Und während auf dem Spielfeld eine Hundertschaft der Polizei die aufgebrachten FC-Fans nach dem schon fünften Abstieg seit 1998 in Schach hielt, sah man in den Katakomben nur noch leere Gesichter. "Das ist ein ganz bitterer und schwarzer Tag. Und es ist ein brutal unnötiger Abstieg", sagte Interimstrainer Frank Schaefer, der mit nur einem Punkt aus den letzten vier Spielen den Absturz nicht vermeiden konnte und nun in anderer Funktion im Klub bleibt. "Diese Mannschaft hätte, wenn sie funktioniert hätte und gut ausbalanciert gewesen wäre, das Potenzial gehabt, den Abstieg aber auch ganz klar zu vermeiden."
Betrunkene Fans klingeln beim Kapitän
Was Schaefer meinte, aber nicht sagte: Die Mannschaft war ein zerrissener Haufen ohne Moral, der als Altlast von Trainer Stale Solbakken zudem körperlich kein Bundesliga-Niveau besaß. "Es ist wichtig, dass diese Mannschaft ein neues Gesicht bekommt", sagte Schaefer.
Die FC-Fans waren auch in der Nacht zum Sonntag nicht zu beruhigen. Betrunkene Anhänger hatten nach der Pleite Redebedarf. Die Fans suchten in der Nacht zum Sonntag die Wohnung eines FC-Spielers auf und klingelten an der Tür, um den Kicker zur Rede zu stellen. Das bestätigte die Kölner Polizei, ohne Namen zu nennen. Nach Informationen des Sportinformationsdienstes handelte es sich dabei um Kapitän Pedro Geromel. Drohungen oder körperliche Übergriffe blieben aber aus.
Nun tagt bereits die Gesellschafterversammlung des 1. FC Köln, um die Folgen des Abstiegs zu besprechen. "Kein Abstieg war so unnötig wie dieser", meinte auch Claus Horstmann. Der Geschäftsführer schloss einen Rücktritt zwar aus, erklärte aber selbstkritisch: "Vor allem in der Rückrunde haben wir auf und neben Platz leider die Performance eines Absteigers gezeigt. Es gab zu viel Unruhe, in vielen Fällen selbstgemacht." Ein halbes Jahr kein Präsident, seit März kein Sportdirektor, zahlreiche Skandale durch Hooligans, unzählige Peinlichkeiten der Profis neben der Platz - so unnötig dieser Abstieg des ersten Bundesliga-Meister sicher war, so verdient und folgerichtig war er auch.
"Die Bitterkeit müssen wir erst mal verdauen"
Das empfand auch Bayerns Coach Jupp Heynckes so. Der Gentleman unter den Bundesliga-Trainern zeigte offen sein Mitleid, äußerte aber auch nie gekannte Kritik am Gegner. "Man muss eine moralisch starke Mannschaft haben, das war heute sicher nicht der Fall", sagte er und ergänzte mit Blick auf den Kölner Publikumsliebling der 60er: "Ich habe immer Hans Schäfer bewundert. Einen Spieler, der vorneweg geht und die Ärmel hochkrempelt. Das ist etwas, was ich beim 1. FC Köln heute nicht gesehen habe." Durch die Blume sicher auch eine deutliche Kritik am vor dem Spiel so feierlich und tränenreich verabschiedeten Podolski, auch wenn dieser von Magen-Darm-Problemen geschwächt ins Spiel gegangen war.
Wie es mit dem FC nun weitergeht ist völlig offen. Der Klub hat keinen Trainer, keinen Sportdirektor. Der bisher einzige Neuzugang, Assani Lukimya von Fortuna Düsseldorf, wird nach dem Abstieg abspringen. Das so guten Mutes angetretene neue Präsidium wurde im ersten Heimspiel nach seiner Wahl gleich Zeuge des Abstiegs. "Das ist ein harter Schlag für uns. Die Bitterkeit dieses schwarzen Samstags müssen wir erst mal verdauen, dann werden wir mit dem Gesellschafterausschuss die weiteren Schritte beraten", sagte Präsident Werner Spinner, der auch die nur von der Polizei verhinderte Eskalation geißelte: "Was nach dem Spiel passiert ist, ist nicht zu akzeptieren. Wir müssen die Gewalt aus dem Stadion kriegen."
Es ist nur eine der vielen Baustellen des FC. Und so war das Fazit von Schaefer das passendste: "Diese schwarzen Rauchschwaden nach dem Spiel hatten absolute Symbolkraft."
Quelle: ntv.de, Holger Schmidt und Patrick Storzer, sid