Fußball

Sportlich überfällig, aber … Podolskis Rücktritt zeigt Löws Dilemma

Spezialist für Pressekonferenzen: Lukas Podolski bei der Weltmeisterschaft 2006.

Spezialist für Pressekonferenzen: Lukas Podolski bei der Weltmeisterschaft 2006.

(Foto: dpa)

Es ist gut, dass Lukas Podolski geht. Seine Zeit in der DFB-Elf ist längst vorbei. Aber traurig stimmt es schon. Und der Bundestrainer muss nun einen finden, der ihn und seine Freude am Fußball ersetzt.

Ja, es ist richtig, dass Lukas Podolski geht. Warum, das hat er selbst gesagt: "Alles hat seine Zeit - und meine Zeit beim DFB ist vorbei." Und doch stimmt die Nachricht traurig, dass er nie wieder für die deutsche Nationalelf auflaufen wird. Nicht nur, weil er seit zwölf Jahren stets dabei war und somit zum Inventar gehörte. Sondern auch und vor allem, weil er einer war und ist, der aus der marketingtechnisch perfekt inszenierten Parallelwelt des Weltmeisters als einer herausstach, der den Spaß am Fußball verkörperte wie kaum ein Zweiter.

Und Weltmeister ist er auch.

Und Weltmeister ist er auch.

(Foto: imago/Ulmer)

Er hat sich gefreut, wenn er spielen durfte. Und wenn nicht, dann hat er sich gefreut, dabei zu sein. Lukas Podolski, mittlerweile 31 Jahre alt, stand und steht dafür, worum es im Fußball eigentlich geht; oder besser: worum es bei allem Bohei gehen sollte. Bundestrainer Joachim Löw war stets einer, der das zu schätzen wusste. Darum hatte er ihn in diesem Sommer auch noch einmal mit zur Europameisterschaft nach Frankreich genommen. Ein letztes Mal, wie wir jetzt wissen. Und der treue Lukas hat es ihm zurückgezahlt. Nicht auf dem Rasen, er hat ja kaum noch gespielt.

Aber als in Deutschland eine Diskussion um den leicht anrüchigen Fehlgriff des Bundestrainers entbrannte, ergriff Lukas Podolski am 14. Juni vor Journalisten das Wort und beendete in seiner direkten, aber nicht uncharmanten Art die Debatte: "80 Prozent von Euch und ich auch kraulen sich auch mal an den Eiern." Schlechte Stimmung? Nicht mit Lukas Podolski. Nicht bei dieser EM, überhaupt nie in der DFB-Elf. Auch nicht, als er zuletzt nur noch das war, was Bundestrainer Joachim Löw einst euphemistisch als Ergänzungsspieler bezeichnet hatte.

Er hat sich selbst nie zu wichtig genommen

In zwölf langen Jahren hat Lukas Podolski 129 Mal für die Nationalelf gespielt. Nur Lothar Matthäus mit seinen 150 und Miroslav Klose mit 137 Partien schafften mehr. Mit 48 Treffern ist Lukas Podolski der viertbeste Torschütze des DFB. Er hat, die Älteren erinnern sich, herausragende Spiele gemacht. Sein linker Fuß, er war berüchtigt. Er hatte eine tolle Zeit in der Nationalmannschaft - und die Fans eine mit ihm. Dass er nun zurücktritt, ist also die einzig richtige Entscheidung. Seine Zeit ist vorbei.

Zu den 23 besten Fußballern des Landes, die Löw mit zu einer WM und EM nehmen darf, gehört Lukas Podolski schon länger nicht mehr, auch nicht, als er 2014 mit der deutschen Mannschaft in Brasilien Weltmeister wurde und den größten Triumph seiner Karriere feierte. Seine Berechtigung für eine Nominierung war stets sein Spaß an der Freude, seine Lockerheit und für den Bundestrainer die Gewissheit, einen stets motivierten und ausgeglichenen Menschen im Kader zu haben, der selbst als Bankdrücker nicht stänkert. Und damit sind wir beim dem Dilemma, in das der Rücktritt die DFB-Auswahl stürzt: Nach den Rücktritten von Philipp Lahm, Per Mertesacker und Miroslav Klose nach dem WM-Triumph und nun in diesem Sommer dem Ende der Nationalelfkarrieren von Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski fehlt es an Spieler, die wachrütteln, schimpfen und die Medien für übertriebene Kritik schelten. Legendär ist Mertesackers Eistonnen-Interview während des Turniers in Brasilien, auch Lahm echauffierte sich nach Spiel schon mit gerötetem Kopf vor der Kamera. Schweinsteiger stellte sich schützend vor die Mannschaft, sprach aber an, wenn es etwas anzusprechen gab. Und Podolski, über ihn brauchen wir gar nicht erst zu reden.

Ihren Nachfolgern, der Generation um Toni Kroos, Mario Götze und Marco Reus fehlt es bei aller sportlichen Klasse - noch - an diesen Kompetenzen. Ausnahmen sind Jérôme Boateng, just zum Fußballer des Jahres gekürt, und Thomas Müller, der ebenfalls bisweilen zu sagen scheint, was er denkt. Mats Hummels ist ebenfalls einer, der sich nicht scheut, zu kritisieren, wenn es etwas zu kritisieren gibt. Es ist also nicht alles schlecht. Aber die ehrliche Mundart des Gefühls-Kölners geht ihnen ab. Einer der sagt, was er denkt, das war und ist Lukas Podolski. Einer, der einfach Spaß haben wollte und das jedem Fan, jedem Kollegen, jedem Medium vermittelt hat - immer und überall. Einer, der sich selbst nie zu wichtig genommen hat. Dem deutschen Team hat das verdammt gut getan. Es ist schade, dass er geht, aber sportlich die absolut richtige Entscheidung. Aber vielleicht lässt er sich doch noch überreden - und bestreitet wenigsten weiterhin die Pressekonferenzen. Das wäre ein echter Gewinn.

Quelle: ntv.de

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