Fifa-Fiasko: Aussitzen statt Aufklären Präsident Blatter in Erklärungsnot
30.11.2010, 16:40 UhrNach den neuen Bestechungsvorwürfen gegen drei Exekutivmitglieder geraten der Fußball-Weltverband Fifa und sein Präsident Joseph Blatter unter Druck. Doch in Zürich reagiert man gelassen und erklärt den Fall einfach für abgeschlossen. Aufklärung? Fehlanzeige.
Die Fifa hat die neuen Bestechungsvorwürfe gegen drei Exekutivmitglieder als gegenstandslos bezeichnet und den skandalösen Fall einfach für beendet erklärt. Unmittelbar vor der umstrittenen Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 am Donnerstag in Zürich hat der Weltverband damit endgültig jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Es handele sich um Vorgänge, die von den Schweizer Strafbehörden bereits untersucht worden seien, teilte der schwer unter Druck geratene Weltverband mit. "In seinem Urteil vom 26. Juni 2008 hat das Strafgericht Zug keinen Fifa-Funktionär verurteilt", hieß es in einer Presseerklärung. Es sei auch kein Fifa-Mitglied wegen krimineller Delikte angeklagt worden.
Das ist richtig. Unerwähnt ließ die Fifa aber, dass mehrere hochrangige Funktionäre im Juni 2010 - also in der Hochphase der WM - als Wiedergutmachung für erhaltene Schmiergeldzahlungen einer Strafe von insgesamt 5,5 Millionen Schweizer Franken zustimmten, damit ein 2005 eröffnetes Teilverfahren im ISL/ISMM-Prozess beendet wurde. Im Gegenzug verpflichtete sich die Staatsanwaltschaft in Zug, die Namen der nachweislich geschmierten Fifa-Funktionäre nicht zu veröffentlichen, und unterstützte damit die Verdunkelung der Fifa-Korruption. Aus den Gerichtsunterlagen war jedoch ersichtlich, dass Nicolas Leoz und Ricardo Teixeira zu den Schmiergeldempfängern gehörten. Der Fußballweltverband verzichtete trotz seiner immer wieder postulierten Null-Toleranz-Strategie damals darauf, Strafen gegen seine korrupten Mitglieder auszusprechen. Jetzt will es die Fifa ebenso handhaben.
Die nun erfolgte Reaktion auf die Veröffentlichung der Namen im Zusammenhang mit konkreten Summen wirft ein denkbar schlechtes Licht auf den Verband und seinen Präsidenten Joseph Blatter. Der hatte nach der Suspendierung der Exekutivmitglieder Reynald Temarii aus Tahiti und Amos Adamu aus Nigeria wegen Verletzung des Ethik-Codes noch im Brustton der Überzeugung erklärt, dass "alle Zweifel ausgeräumt" und neue Korruptionsfälle ausgeschlossen seien. Leere Worte. Die Verfehlungen des Trios liegen zwar einige Jahre zurück, sind aber Beleg dafür, dass Schmiergelder im Milliardengeschäft Fußball zur Tagesordnung gehören.
"Schaden für den Ruf der Fifa ist sehr groß"
Claudio Sulser, der Schweizer Chef der sechsköpfigen Ethik-Kommission, sprach jedenfalls von einem riesigen Imageverlust. "Der Schaden für den Ruf der Fifa ist sehr groß." Einen detaillierten Maßnahmenkatalog zu einem geänderten Wahlmodus oder striktere Richtlinien für Spitzenfunktionäre präsentierte der Verband aber nicht. Stattdessen bestätigte Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke, beide WM-Turniere würden wie geplant am 2. Dezember vergeben. Präsident Joseph Blatter will sich erst nach einer Sondersitzung der Exekutive an diesem Freitag in Zürich zu dem Urteil und den Folgen äußern.
Blatter, der sich im Fall der suspendierten Hinterbänkler Temarii und Adamu als tatkräftiger Aufklärer gerierte, gerät nun in Erklärungsnot, warum die Fifa mit zweierlei Maß misst. Die Antwort liegt auf der Hand: Bei den beschuldigten Ricardo Texeira aus Brasilien, der allein zwischen 1992 und 1997 insgesamt 9,5 Millionen Dollar von der damaligen Fifa-Hausagentur ISL kassiert haben soll, Nicolás Leoz aus Paraguay, Präsident des Südamerikanischen Fußball-Verbandes, sowie einem hochrangigen Funktionär aus Afrika handelt es sich um Schwergewichte des internationalen Fußballs.
Texeira und Leoz haben ihre Verwicklung in die Affäre über Sprecher zurückgewiesen. Im Fall des Offiziellen aus Afrika, der zudem Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee ist, hat die Weltregierung des Sports bereits eine Untersuchung eingeleitet. "Das IOC hat eine Null-Toleranz-Politik gegen Korruption und wird die Angelegenheit an die IOC-Ethik-Kommission weiterleiten", teilte das IOC mit.
Transparenz? Glaubwürdigkeit? Fehlanzeige!
Schon vor Jahren hat Blatter in dieser Causa eine "Mauer des Schweigens" aufgebaut. Der 74 Jahre alte Schweizer dürfte kein Interesse haben, dass alle unappetitlichen Details der Affäre nun doch noch ans Tageslicht kommen. Insgesamt 138 Millionen Schweizer Franken flossen damals von der Vermarktungsagentur ISL als Schmiergelder in dunkle Kanäle. Eine völlige Aufklärung gab es nie.
Transparenz, Glaubwürdigkeit, Fair Play all diese von Blatter gerne benutzten Schlagworte sind vergessen. "Aufräumen in der Fifa ist jetzt dringend geboten. Ein Aussitzen eines solchen Falles ist nicht mehr möglich. Man muss jetzt ganz grundsätzlich heran gehen und eine strukturelle Erneuerung des Weltverbandes anstreben", forderte die Sportbeauftragte von Transparency International, Sylvia Schenk.
Die Schweizer Filiale der Anti-Korruptions-Organisation forderte sogar die Verlegung der WM-Vergabe. Dass dies ein frommer Wunsch bleiben wird, hatte Franz klargemacht. "Wir ziehen das jetzt durch", sagte das deutsche Exekutivmitglied. Der Kaiser zieht sich aus privaten Gründen im Frühjahr 2011 aus der Weltregierung des Fußballs zurück. Es ist wohl auch eine Flucht vor dem schlechten Ruf der Fifa.
Quelle: ntv.de, cwo/dpa