Fußball

Überfall vs. Ballbesitz RB Leipzig kann Bayern ins Chaos stürzen

Brandgefährlich: Die Leipziger Offensive um Timo Werner.

Brandgefährlich: Die Leipziger Offensive um Timo Werner.

(Foto: dpa)

Nur das Torverhältnis trennt Rekordmeister FC Bayern und Rekord-Aufsteiger RB Leipzig an der Tabellenspitze. Ihr Spielstil könnte aber nicht verschiedener sein. Kann Leipzig die Münchner im Krieg der Fußballwelten bezwingen? Auf jeden Fall.

Die Erwartungen an den finanzstarken Bundesliga-Neuling RB Leipzig waren vor der Saison immens. Vor dem möglichen Finale furioso der Sachsen beim FC Bayern darf als Zwischenfazit festgehalten werden: Die Leistungen in einer herausragenden Hinrunde waren es auch. In der Bundesliga war die Mannschaft von Trainer Ralph Hasenhüttl bis zur Niederlage in Ingolstadt vor zehn Tagen ungeschlagen. Ambitionierte Teams wie Borussia Dortmund, Schalke 04 und Bayer Leverkusen wurden bezwungen, viele andere Mannschaften über 90 Minuten hinweg dominiert, zuletzt Hertha BSC. Folgerichtig findet sich Leipzig vor dem letzten Spieltag 2016 auf Platz zwei wieder hinter dem FC Bayern. Gewinnen die Leipziger, gehen sie als Tabellenführer in die Winterpause, mehr Spitzenspiel geht nicht in der Bundesliga.

Die Taktikanalyse zeigt: Für die Münchner hat sich nicht nur ein neuer Konkurrent etabliert, der sich im Saisonverlauf als äußerst hartnäckiger Widersacher gezeigt hat. Leipzig könnte sich auch im direkten Duell als äußerst unangenehmer Gegner für den FC Bayern entpuppen. Die größte Stärke der Leipziger droht das größte Manko der Münchner zu potenzieren. Denn: Die Sachsen brillieren vor allem in der Arbeit gegen den Ball, womit sie vielfach den Spielaufbau des Gegners neutralisieren. Der allerdings hakte beim FC Bayern im 4-3-3-System von Bayern-Trainer Carlo Ancelotti zuletzt ohnehin.

4-3-3 oder 4-2-3-1?

Mit drei zentralen Mittelfeldspielern, tief vor der eigenen Abwehr postiert, zeigten sich die Münchner schlecht strukturiert in der Spieleröffnung. Lag das Augenmerk im Spielaufbau unter Josep Guardiola noch auf den Innenverteidigern, sollen nun vor allem Thiago und Xabi Alonso die Angriffe einleiten. Ersterer spielt im Schnitt 95,9 Pässe pro Partie – zehn mehr als der Zweitplatzierte in dieser ligaweiten Kategorie. Der große Nachteil: Mehrere Bayern-Spieler sind auf engem Raum positioniert und stehen sich gegenseitig auf den Füßen.

Ein passendes Anschauungsbeispiel lieferte das jüngste Auswärtsspiel bei Darmstadt 98: Bis zur Hereinnahme von Franck Ribéry für Arturo Vidal in der 69. Minute spielte Bayern im 4-3-3 und hatte enorme Schwierigkeiten, durch die kompakte Darmstädter Formation nach vorn zu gelangen. Nach dem Wechsel formierte sich der Tabellenführer im 4-2-3-1. Automatisch war mehr Platz in der Mitte, weshalb die Innenverteidiger Mats Hummels und Javi Martínez über die Halbräume Vorstöße unternehmen konnten, welche für Darmstadt nur schwerlich zu verteidigen waren. Hinzu kam, dass Thomas Müller nicht mehr auf der rechten Seite agieren musste, wo er im aktuellen Bayern-System eine Fehlbesetzung darstellt.

Für die anstehende Partie gegen RB Leipzig stellt sich also die Frage: Setzt Ancelotti auf eine 4-2-3-1-Grundordnung, die einerseits mehr Freiraum im Aufbau, aber auch weniger Kompaktheit bietet? Oder spielt er auf Sicherheit und schickt sein Team wieder im 4-3-3 auf den Rasen? Eines ist klar: Die Bayern wollen in jedem Fall, die Kontrolle über den Rhythmus der Partie übernehmen, von Beginn an. Das hat oberste Priorität in Ancelottis Philosophie.

Meister des Chaos

Nur: RB Leipzig möchte eben jenen Rhythmus unterbrechen und Chaos in der gegnerischen Struktur verursachen. Das Rezept: Pressing, Pressing, Pressing. Die Mannschaft von Ralph Hasenhüttl presst dabei stets im 4-2-4. Dabei versuchen insbesondere die beiden Mittelstürmer, Yussuf Poulsen und Timo Werner, durch ihre Anlaufbewegungen den gegnerischen Spielaufbau in bestimmte Spielfeldzonen zu lenken. Kommen sie wie so oft von außen und laufen im Bogen nach innen auf die gegnerischen Zentralverteidiger zu, soll ein Pass durchs Zentrum erzwungen werden. Anschließend versuchen Diego Demme und Naby Keita, beides ausgewiesene Pressingspezialisten, das Spielgerät zu erobern.

Grundsätzlich gilt: Die Leipziger verschieben defensiv mit großer Präzision. Die Spieler in den Ketten verlieren nie den Kontakt zueinander. Und nach Balleroberungen ist die Angriffsabteilung um den körperlich sehr präsenten Poulsen, den pfeilschnellen Werner und den dribbelstarken Emil Forsberg eine Gefahr für jede Mannschaft – auch den FC Bayern.

Überzahl gegen Überfall

Das heißt: Die Münchener müssen von der ersten Minute an Dominanz etablieren. Um das zu bewerkstelligen, sollte Ancelotti auf die spielerisch noch haklige 4-3-3-Formation zurückgreifen. Trotz der Probleme in der Spielstrukturierung könnte sein Team durch das Zurückfallen von Thiago eine klare Überzahl im Zentrum schaffen und gleichzeitig versuchen, die Halbräume neben Poulsen und Werner zu bespielen.

Die 4-2-3-1-Variante wäre womöglich zu offensiv und würde RB Leipzig, das sich zumeist in der bevorzugten Rolle des reagierenden Parts wiederfinden wird, die Chance ermöglichen, die Offensivabteilung der Bayern vom Rest zu isolieren. Sollten die Bayern das nicht verhindern, könnten sie von Leipzigs Turbosturm überlaufen werden - und die Tabellenführung vor der Winterpause wieder herschenken. Die Erwartungen an das Bundesliga-Topspiel sind immens. Der Druck auf die Münchner ist es auch.

Quelle: ntv.de

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