"Das wird ein geiles Spiel" Real zum "Clásico" in Barcelona
29.11.2010, 13:44 Uhr
Lionel Messi und Pepe während des letzten "Clasico" im Duell. Damals siegte Barcelona mit 2:0.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der "Clásico" zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid elektrisiert Spanien. Das 167. Duell der Erzrivalen ist wie stets ein Vergleich der Superlative, birgt diesmal aber besondere Brisanz - weil beide Starensembles an Barcas 111. Vereinsgeburtstag in Topform aufeinandertreffen. Mitten drin im mutmaßlichen Jahrhundertspiel: Sami Khedira und Mesut Özil.
38 Spieltage sind in der spanischen Primera Division pro Saison angesetzt, wirklich relevant sind nur zwei: jene, an denen der FC Barcelona und Real Madrid aufeinandertreffen. Die alljährlichen Jahrhundertspiele elektrisieren nicht nur die spanischen Fußballfans, sie begeistern die ganze Welt. Denn das Duell der spanischen Erzrivalen, das heute ab 21 Uhr im Camp Nou in seine 167. Auflage geht, ist das wichtigste Ligaspiel im Weltfußball. "Es ist das größte Derby der Welt, alle schauen zu. Das wird ein geiles Spiel", sagte der neue Real-Star Mesut Özil voller Vorfreude der "Bild am Sonntag".
Der deutsche Nationalspieler wird in Barcelona seinen ersten "Clásico" erleben, wenn auch im falschen Trikot. Schließlich hat Özil nie einen Zweifel daran gelassen, dass der FC Barcelona sein Traumverein ist. So stand es - welch Sakrileg! - sogar noch nach der Bekanntgabe seines Wechsels zum verhassten Erzrivalen aus Madrid auf der Homepage des deutschen Fußball-Nationalspielers.
In Madrid haben sie Özil die Schwärmereien für den Erzfeind lange verziehen - wenn sie sich überhaupt daran gestört haben. Seit August hat er bei Real gemeinsam mit seinem Nationalmannschaftskollegen Sami Khedira den Respekt der Kollegen und die Herzen der Fans gewonnen. Als in der letzten Woche in der Madrider Presse darüber spekuliert wurde, dass Özil ausgerechnet im "Clásico" seinen Platz in der Startelf an einen defensiven Mittelfeldspieler verlieren könnte, ging ein Aufschrei durch das Real-Fanlager. Inzwischen hat Trainer Jose Mourinho klargestellt: Özil wird, genauso wie Khedira, auflaufen.
Lobeshymnen auf Özil
In einer Internetumfrage der Sportzeitung "Marca" nach dem entscheidenden Spieler im "Clásico" lag der frühere Bremer auf Rang drei - hinter Barcelonas Weltfußballer Lionel Messi und Cristiano Ronaldo, Messis Vorgänger und der teuerste Fußballer der Welt. Der Favorit für die Krone in diesem Jahr, WM-Finaltorschütze Andres Iniesta, verriet vor dem Spiel großen Respekt vor Özil. "Wege und Straßen" müsse man ihm versperren, sagte der Barca-Stratege, Messi bezeichnete Özil als "Waffe". Im Real-Lager überschlagen sie sich ohnehin mit Lobeshymnen. Für Mourinho ist Özil "magisch", für Ronaldo "ein großartiger Spieler". Und Präsident Florentino Perez traut Özil sogar zu, der größte Real-Spieler aller Zeiten zu werden.
Die ungeheure Wertschätzung für Özil ist Beleg dafür, wie schnell er sich bei Real Madrid durchgesetzt hat. Schließlich mangelt es beim "Clásico" keineswegs an prominenten Namen. Beim Anpfiff in Barcelona werden wahrscheinlich 13 Weltmeister auf dem Rasen stehen und 10 der 23 Kandidaten für den Titel des Weltfußballers 2010. Was Özil aus der Masse der Stars heraushebt und aus Real-Sicht so wertvoll macht, sind sein überragendes Spielverständnis in Kombination mit seiner perfekten Ballbehandlung, die sein Spiel an guten Tagen zu Kunst werden lassen. Ganz so wie das Spiel des FC Barcelona, der Fußball lieber zelebriert als spielt und damit, sehr zum Unmut der Real-Fans, in den vergangenen Jahren weitaus erfolgreicher war als die eigene Millionentruppe.
Giganten im Gleichschritt
In diesem Jahr könnten sich die Kräfteverhältnisse wieder verschieben. Das Besondere an diesem "Clásico" ist, dass die Erzrivalen sich beide in Topform befinden und es keinen Favoriten gibt. Real Madrid ist unter Mourinho noch ungeschlagen in Pflichtspielen und hat in der Liga zehn von zwölf Spielen gewonnen, bei einer Tordifferenz von +27. Der FC Barcelona liegt einen Punkt dahinter, hat unter Pep Guardiola aber alle vier "Clasicos" gegen Real gewonnen. In der vergangenen Woche lieferten sich beide Vereine in Liga und Champions League ein wahres Wettschießen. 11:0 hieß die Bilanz von Barcelona aus zwei Spielen, 9:1 lautete die der Königlichen.
"Ich habe Real und Barça beide noch nie so stark gesehen", meinte Miguel Angel Lotina, Trainer des Erstligisten Deportivo La Coruña. "Dieses Mal könnte sogar das - sonst in übertriebener Weise gebrauchte - Etikett des Jahrhundertspiels gerechtfertigt sein", meinte die Zeitung "El Periódico de Catalunya".
Für Spannung sorgt auch das Duell zwischen Messi (Barcelona) und Cristiano Ronaldo (Madrid). Die beiden besten Stürmer der Welt haben jeweils noch eine Rechnung offen: Der Argentinier hat noch nie ein Tor gegen ein Team geschossen, das von Mourinho betreut wurde, allerdings in den vergangenen acht Klassikern gleich sieben Tore erzielt. Der Portugiese Ronaldo hofft sehnsüchtig auf seinen ersten Treffer gegen Barça. Treffsicher sind beide Ausnahmekönner im Moment: Messi erzielte in den vergangenen fünf Liga-Spielen zehn Tore, insgesamt gelang ihm in zehn Pflichtspielen in Folge mindestens ein Tor. Ronaldo traf in der vergangenen fünf Ligapartien Zeitraum neunmal und liegt damit in der Torjägerliste mit 14 Treffern knapp vor Messi.
Spanische Operettenliga
Die Stärke beider Clubs hat aber auch eine gefährliche Kehrseite. Real und Barça haben in Spanien keine Rivalen, die ihnen das Wasser reichen können. In der vergangenen Saison führte die Dominanz dazu, dass Real trotz der aberwitzigen Bilanz von 31 Siegen in 38 Spielen bei nur vier Niederlagen drei Punkte hinter Barcelona lag. In jeder anderen Saison der spanischen Fußballgeschichte hätte Real mit dieser Punktausbeute den Titel gewonnen. Der Abstand zum Drittplatzierten FC Valencia betrug unglaubliche 25 Zähler.
In der Primera División herrschen Verhältnisse wie in Schottland, wo die beiden Glasgower Clubs Celtic und Rangers seit Jahren den Titel unter sich ausmachen. Auch in Spanien konzentriert sich das Interesse immer mehr auf die Duelle der beiden Spitzenclubs, die Spiele von Clubs wie FC Valencia, Atlético Madrid oder FC Sevilla verlieren an Bedeutung. "Wenn sich daran nichts ändert, stirbt die Liga einen langsamen Tod", warnte der Kolumnist John Carlin in der Zeitung "El País".
Quelle: ntv.de, cwo/dpa/sid