Fußball

Wenig Reiz für neue Spieler Schalke torkelt zwischen Wollen und Können

Applaus für das 1:1 bei Twente Enschede gibt es nur verhalten.

Applaus für das 1:1 bei Twente Enschede gibt es nur verhalten.

(Foto: imago images / Revierfoto)

Für den Gelsenkirchener Fußball-Bundesligaklub wird es immer schwieriger, gute Spieler zu verpflichten. Einerseits, weil dem FC Schalke 04 das nötige Geld fehlt. Andererseits, weil die sportliche Talfahrt einen dramatischen Imagewandel mit sich bringt.

Über die Aussagekraft von Testspielen kann sicherlich trefflich gestritten werden. Sie sind notwendiges Übel auf dem Weg, die richtige Form und das passende taktische System für den Saisonstart zu finden. Allerdings dürfte der Erkenntnisgewinn von David Wagner nach dem 1:1 (0:0) beim FC Twente Enschede im Rahmen geblieben sein. Der Neu-Coach des FC Schalke 04 hatte - wie mit ihm 19.000 Besucher - wenig Offenbarendes gesehen. In diesem frühen Stadium der Vorbereitung fehlte seiner Mannschaft die Kraft, um bei hochsommerlichen Temperaturen von weit über 30 Grad vieles von dem umzusetzen, was der einstige Eurofighter von seinen Schützlingen einforderte. Insofern gab es nach dem Match Lob und Tadel von Seiten des 45-jährigen Fußballlehrers. "Die Jungs wehrten sich, das ist super. Sie sind bei den heißen Temperaturen über Grenzen gegangen", so Wagner. "Aber bei uns ist alles noch ein wenig zu überhastet und zu sehr auf Zufall abgestimmt."

Insofern blieb Wagner die Einsicht, dass seine Wunschvorstellung vom Fußball noch fehlerhaft interpretiert wird. Seine Spieler haben seine Forderung nach raschem Umschaltspiel, präzisen Pässen in die Spitze bei Ballbesitz und Stiften großer Unruhe in der Hälfte des Gegners, wenn der Ball mal nicht in den eigenen Reihen läuft, aber immerhin prinzipiell verstanden. Außerdem fehlten ihm natürlich mit Salif Sané, Daniel Caligiuri, Weston McKenny, Mark Uth, dem erkrankten Sebastian Rudy und dem verletzten Neuzugang Ozan Kabak gleich sechs potenzielle Stammspieler. Doch auch wenn alle Akteure wieder an Bord sind, stellt sich bei den Fans des Gelsenkirchener Traditionsklubs die eine Frage: Ist das Schalker Kollektiv stark genug, um eine weitere Saison von der Qualität der vergangenen Spielzeit zu vermeiden?

Finanzen lassen keinen Großeinkauf zu

Gut möglich, dass die Antwort "Nein!" lautet. Doch was sollen die neuen Verantwortlichen im Umfeld der Mannschaft tun? Sie haben mit Kabak einen defensiven Mann vom Absteiger VfB Stuttgart verpflichtet. Und sie haben mit Benito Rahman einen Offensivspieler von Fortuna Düsseldorf losgeeist. Das weckt nur verhaltenen Optimismus, um die Erinnerungen an die Zumutungen der Vorsaison zu vertreiben, als Schalke nicht nur erfolglos, sondern zudem extrem unansehnlich spielte. Viel mehr aber lässt die finanzielle Situation am Schalker Markt derzeit nicht zu. Sie würden gern, können aber nicht. Das ist so, als ob ein Kleinverdiener mit großen Augen in die Auslage eines arrivierten Autohauses schaut. Gucken darf er, aber mitnehmen darf er nichts. Bleibt allein zu hoffen, dass die hochgelobten alten "Neuen" vom vergangenen Sommer nun funktionieren.

Es gibt durchaus noch Handlungsbedarf. Zum Beispiel hinten links. Mehr noch: Es gibt sogar den Wunschspieler Robin Gosens, der gern kommen würde, weil er nach eigenem Bekunden schon ewig Schalke-Fan ist. Allein: Die zu zahlende Ablöse für den Mann von Atalanta Bergamo in Höhe von zwölf Millionen Euro übersteigt den finanziellen Spielraum der Gelsenkirchener derzeit um einiges. Nur wenn die Spieler Nabil Bentaleb, Hamza Mendyl und Jewhen Konoplyanka, die sich nach beiläufiger Aussage von Sportvorstand Jochen Schneider "nach neuen Herausforderungen umschauen" dürfen, einen Abnehmer finden, ist S04 wieder handlungsfähig.

Immerhin verpflichtete Schneiders Vorgänger Christian Heidel diese drei Spieler einst für insgesamt 40 Millionen Euro, als der Klub nach dem 50-Millionen-Euro-Transfer von Leroy Sané zu Manchester City höchst flüssig war. Die Hoffnung darauf, auch nur einen Bruchteil dieser Ausgaben zurückzubekommen, sind höchst gering. Alle drei gelten aufgrund mangelhafter Leistungen und/oder schwieriger Persönlichkeit lang schon als Ladenhüter. Auf Schalke wären sie gegenwärtig schon froh, wenn die drei Großverdiener nicht mehr auf der Gehaltsliste auftauchen würden.

Schalker Gegenwart ist trist

Die Sanierung des gestürzten Großklubs gestaltet sich demnach aufwändiger als gedacht. Unter anderem auch deshalb, weil Heidel es versäumte, ein Talent wie Keeper Alexander Nübel zu einem Zeitpunkt langfristig an die Gelsenkirchener zu binden, als der junge Mann eine Weiterbeschäftigung über seinen bis 2020 laufenden Vertrag noch als große Ehre empfunden hätte. Nun, so steht zu befürchten, dass auch er im Sommer des nächsten Jahres ohne Ablöse gehen wird - wie zuvor schon die Spieler Joel Matip, Sead Kolasinac, Leon Goretzka und Max Meyer. Unter dem Strich ein geschätzter Verlust im dreistelligen Millionenbereich.

Daraus resultiert zudem ein dramatischer Imagewandel. Noch vor wenigen Jahren galt das königsblaue Schalke als Sehnsuchtsort für viele Fußballprofi hierzulande. Die Gegenwart ist mittlerweile trist und grau. Die Attraktivität eines Engagements beim Vizemeister der vorvergangenen Saison ist geschrumpft, um jeden neuen Spieler muss gebuhlt werden, aus einem Ligagiganten ist ein Bittsteller geworden. Die Einigungsgespräche über die Verpflichtung eines Spielers sind mitunter so schwierig wie die Brexit-Verhandlungen. Und ähnlich wie dort kommen dabei nur selten konstruktive Ergebnisse heraus. Schalke kann im Spannungsfeld mit den Klubs aus Dortmund, Gladbach oder Leverkusen immer weniger bestehen. Das ist bittere blau-weiße Realität. Bleibt in diesen Tagen vor dem Saisonstart nur eine richtig gute Nachricht: Das Stadion ist seit dem 30. Juni abbezahlt, die Arena gehört dem FC Schalke 04. Offenbar investiert Schalke geschickter in Steine als in Beine.

Quelle: ntv.de

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