"Ich wollte mit Fußball aufhören" Simunic war depressiv
18.11.2009, 16:59 UhrEine Woche nach dem Selbstmord von Robert Enke wird mit dem Thema Depressionen in der Fußball-Bundesliga plötzlich offener umgegangen. Der Hoffenheimer Abwehrspieler Josip Simunic räumt öffentlich ein, phasenweise unter schweren Versagensängsten gelitten zu haben.

Der kroatische Nationalspieler Josip Simunic hat eingeräumt, phasenweise selbst unter schweren Depressionen gelitten zu haben.
(Foto: dpa)
"Ich wollte mit Fußball aufhören. Ich war stark depressiv, körperlich am Ende. Zum Teil habe ich sieben Tage am Stück keine Minute geschlafen", sagte der kroatische Nationalspieler Simunic in der "Sport Bild" über seine Zeit beim Hamburger SV und bei Hertha BSC.
Derweil ist bekanntgeworden, dass immer mehr Leistungssportler Antidepressiva nehmen. Die Zahl der Athleten, in deren Dopingproben diese Medikamente festgestellt wurden, hat sich von 2006 bis 2008 verdreifacht. Das ist das Ergebnis einer Studie der Deutschen Sporthochschule Köln.
"Auffälliger Anstieg" seit 1999
"Wir haben in diesem Zeitraum einen auffälligen Anstieg festgestellt, der über der Gesamtbevölkerung liegt", sagte Professor Wilhelm Schänzer, Leiter des Instituts für Biochemie. Insgesamt nahmen 73 von rund 11.500 Athleten Mittel gegen Depressionen. Dieser Anteil ist sechsmal so hoch wie noch 1999. Damals waren nur acht von etwa 7600 Sportlern betroffen. "Immer mehr Sportler können den mentalen Druck nicht verarbeiten und greifen daher zu Antidepressiva", sagte Professor Mario Thevis, Mitverfasser der Studie.
In einer Studie der Universität Tübingen gab jeder zweite Sportler an, sich durch extreme Anforderungen immer wieder ausgebrannt und kraftlos zu fühlen. Trotz dieser Ergebnisse ist noch unklar, ob der Trend zu Antidepressiva ein besonders ausgeprägtes Problemfeld für den Sport darstellt. "Dass Sportler unter ihrer außergewöhnlichen Belastung häufiger zu Antidepressiva greifen als der Rest der Bevölkerung, können wir noch nicht sagen", meinte Schänzer.
"Hat sich selbst zerfleischt"
Simunics früherer Mentaltrainer bei Hertha BSC, Gerd Driehorst, sagte der "Sport Bild": "Er hatte jeden Tag Versagensängste und Selbstzweifel. Ein Fehlpass im Training reichte und er war am Boden zerstört, hat alles infrage gestellt. Er hat sich selbst zerfleischt."
Simunic sprach nicht darüber, wie es ihm heute geht, forderte aber mehr Menschlichkeit im Umgang miteinander: "Jeder sollte kapieren, dass auch wir Sportler Menschen aus Fleisch und Blut sind. Und dass auch wir Schwächen haben." Nach Angaben von Driehorst hat der 31- Jährige 2001 gesagt, in sechs Jahren spiele er definitiv kein Fußball mehr. "Jetzt tut er es doch. Und das als zweimaliger WM- und EM-Teilnehmer nicht ganz unerfolgreich."
Ex-Bayer-Profi Sebastian Deisler galt vor dem Selbstmord von Hannovers Nationaltorwart Enke als prominentester Fall im deutschen Profigeschäft. Auch der frühere Münchner Michael Sternkopf, heute Marketingmanager beim Drittligisten Kickers Offenbach, hat jetzt bekannt, dass er eineinhalb Jahre Psychopharmaka genommen hat.
Quelle: ntv.de, dpa