Farce mit vier Buchstaben? F-I-F-A Skandale pflastern Blatters Amtszeit
30.05.2011, 20:52 UhrEinen enormen Imageschaden für den Weltfußball hat Fifa-Präsident Joseph Blatter angesichts des jüngsten Korruptionsskandals eingeräumt. Eine hübsch harmlose Beschreibung für den kompletten Glaubwürdigkeitsverlust, den die Fifa in Blatters Amtszeit erlitten hat. Denn es ist längst nicht der erste Skandal.

Joseph Blatter bleibt sich treu: Der skandalumwitterten Wahl zum Fifa-Präsidenten 1998 folgten seither weitere Skandale und Affären.
(Foto: dpa)
Seit 1998 ist Joseph Blatter Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa, am Mittwoch will er sich vom Fifa-Kongress für weitere vier Jahre im Amt bestätigen lassen. Nachdem die hauseigene Ethikkommission den 75-Jährigen praktischerweise vom Korruptionsvorwurf entlastet und Herausforderer Mohamed Bin Hammam schon zuvor aufgegeben hat, steht seiner Wiederwahl aus Fifa-Sicht nichts mehr im Weg.
Es ist ja auch nicht der erste Skandal, den der Fußball-Weltverband unter Blatters Führung tapfer aussitzt. Denn finanziell hat der Schweizer die Fifa angesichts unglaublicher Reserven von inzwischen 1,3 Milliarden Euro zweifellos saniert. Das Image der Fifa ist dafür unrettbar ruiniert, wie eine Auswahl der Skandale in Blatters Amtszeit verdeutlicht.
7./8. Juni 1998, Fifa-Kongress in Paris
Schon die Wahl Blatters zum Fifa-Präsidenten umweht der Hauch des Skandals. Nach der Abstimmung, die der langjährige Fifa-Generalsekretär gegen den Schweden Lennart Johansson gewinnt, werden Korruptionsvorwürfe laut. Der Grund: Die afrikanischen Delegierten, die Johansson zuvor ihre Unterstützung versprochen hatten, stimmen plötzlich doch für Blatter. Als Entscheidungshilfe sollen am Vorabend der Wahl 20 Briefe mit je 50.000 Dollar Inhalt an afrikanische Funktionäre gegangen sein. Mutmaßlicher Absender: Joseph Blatter. Mutmaßlicher Geldbote: Mohamed Bin Hammam.
Kurios überdies: Für den verhinderten haitianischen Vertreter Jean-Marie Kyss lässt Jack Warner, damals noch fest an Blatters Seite, laut Recherchen des britischen Journalisten Andrew Jennings entgegen der Fifa-Regeln einfach seinen Vertrauten Neville Ferguson abstimmen, natürlich für Blatter. Der dementiert später alle Korruptionsvorwürfe, spricht von vorab vereinbarten Zahlungen für "Verbände in schwieriger Lage". Der damalige DFB-Präsident Egidius Braun spricht von einer "schmutzigen Wahl".
Blatters Wiederwahl 2002

Einst reichte Lennart Johansson (l.) gegen Fifa-Präsident Joseph Blatter Strafanzeige ein. Später sollen sie dann wieder gemeinsam angestoßen haben - auf "echte Freundschaft".
Wieder soll gewählt werden, wieder steht Blatter zur Wahl, wieder hat er mit dem von der Uefa unterstützten Kameruner Issa Hayatou einen Gegenkandidaten – und wieder schlagen die Wellen rund um die Fifa-Wahl hoch. Denn vorab versucht sich Fifa-Generalsekretär Michel Zen-Ruffinen an einer Palastrevolution. In einem 21-seitigen Dossier stellt er detailliert Belege für korrupte Praktiken in Blatters Fifa zusammen. Die Vorwürfe lauten auf Finanzmanipulation, geschönte Bilanzen, Bestechung, Amtsmissbrauch und Misswirtschaft im Zusammenhang mit der Pleite des Fifa-Vermarkters ISL im Jahr 2001 - und führen zu einer Strafanzeige von elf Fifa-Exekutivmitgliedern gegen ihren Präsidenten.
Der wird, protegiert vom DFB, dennoch wiedergewählt und schasst anschließend "Brutus" Zen-Ruffinen. Die Strafanzeige gegen ihn lässt der Zürcher Bezirksanwalt Urs Hubmann im Dezember 2002 fallen. Warum, bleibt unter Verschluss. Blatter jubiliert trotzdem: "Mein guter Name ist wiederhergestellt." Beim Neujahrsumtrunk 2004, berichtet das Schweizer Wirtschaftsmagazin "Bilanz", stößt Blatter dann mit Johansson an - auf "echte Freundschaft", wie der Schwede gesagt haben soll.
Tickethandel von Fifa-Funktionären

Jack Warner wurde jahrelang von Blatter geschützt. Gehen musste er erst, als er dem Schweizer die Gefolgschaft versagte.
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Die Fußball-WM in Deutschland läuft, und die Fifa-Dringlichkeitskommission muss tagen. Verhandelt wird die Personalie Ismail Bhamjee. Das Fifa-Exekutivmitglied aus Botswana hat zwölf WM-Karten über dem Nennwert verkauft und muss deshalb, so das Urteil, "mit sofortiger Wirkung von allen WM-Aufgaben zurücktreten und Deutschland zum frühestmöglichen Zeitpunkt verlassen". Sein Exekutiv-Kollege Jack Warner, der einem Bericht der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young zufolge tausende WM-Tickets zum Normalpreis bestellt und über das familieneigene Reisebüro überteuert verkauft hat, wird lediglich gerügt. Später wird Warner, der Blatter zuverlässig die Stimmen des von ihm geleiteten Kontinentalverbandes Concacaf sichert, Fifa-intern zu einer Millionenspende verdonnert. Das hindert Warner laut BBC-Recherchen nicht daran, bei der WM 2010 Tickets an norwegische Schwarzmarkthändler zu verkaufen.
Die Mastercard-Affäre 2006
Mit 60 Millionen Dollar muss die Fifa das Kreditkartenunternehmen Mastercard entschädigen, weil der Fußball-Weltverband dem Unternehmen zwar ein Vorkaufsrecht auf einen Sponsorendeal eingeräumt hat, dann aber doch einen Vertrag mit Konkurrent Visa abschließt. Das Vorgehen der Fifa beurteilt ein New Yorker Gericht als rechtswidrig. Firma und Fifa einigen sich außergerichtlich auf die millionenteure Entschädigung, die zunächst sogar auf 90 Millionen Dollar beziffert wird. Der damalige Fifa-Marketingchef Jerome Valcke muss vor Gericht einräumen, während der Verhandlungen mit Mastercard gelogen zu haben, verteidigt den Vertragsbruch aber als normales Geschäftsgebaren. Für die Fifa ist Valcke aus ethischen Gründen nicht mehr tragbar, als Hauptverantwortlicher für das finanzielle Fiasko verliert er seinen Job.

Jerome Valcke verursachte als Fifa-Marketingchef einst einen Millionenschaden, durfte aber dennoch als Generalsekretär in die Fifa-Familie zurückkehren.
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Nur: Von Dauer ist die Trennung nicht. Schon im Juni 2007 darf Valcke in die Fifa-Familie zurückkehren – als Generalsekretär und damit rechte Hand von Fifa-Boss Joseph Blatter, dem er bis heute treu dient.
ISL/ISMM-Skandal
Im Juni 2010, mitten in der Hochphase der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika, einigen sich Fifa-Funktionäre mit dem Zuger Strafgericht klammheimlich auf die Einstellung eines Teilverfahrens. Ein Teilverfahren, das bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Pleite des Sportvermarkters ISL/ISMM eröffnet worden war, der bis zu seinem Kollaps im Jahr 2001 ganz eng mit der Fifa - und allen anderen Spitzensportverbänden - angebandelt hatte.
Das Verfahren hatte pikante Details zutage gefördert. Die nämlich, dass hochrangigen Funktionären des internationalen Spitzensports im Bemühen um TV-Rechte und Sponsorenverträge allein zwischen 1989 und 2001 die unglaubliche Summe von 141 Millionen Schweizer Franken an Schmiergeldern gezahlt wurde - "weil sonst nicht mehr gearbeitet" worden wäre, wie ein Ex-Manager vor Gericht aussagte. Damit die Namen der geschmierten Fifa-Funktionäre nicht veröffentlicht werden, erklären sich diese bereit, als Wiedergutmachung 5,5 Millionen Schweizer Franken zu zahlen. Korruptionsverdunkelungsvertrag ist das Wort, das manchen Juristen dazu einfällt.

Ricardo Teixeira, der brasilianische Verbandspräsident und Ex-Schwiegersohn von Fifa-Ehrenpräsident Joao Havelange, soll laut BBC-Recherchen mehrere Millionen an ISL-Schmiergeldern kassiert haben.
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Unklar bleibt, woher die Gelder stammen und ob vielleicht sogar die Fifa selbst die Entschädigungszahlungen leistet. Sicher ist, dass der Fußball-Weltverband bis heute darauf verzichtet, die Schmiergeldempfänger in den eigenen Reihen zur Rechenschaft zu ziehen. Auch dann noch, als die BBC-Sendung "Panorama" Ende November 2010 die drei Fifa-Exekutivmitglieder Ricardo Teixeira (Brasilien), Nicolas Leoz (Paraguay) und Issa Hayatou aus Kamerun als Empfänger von ISL-Geldern enttarnt. Alle drei dürfen am 2. Dezember 2010 mit über die WM-Vergaben ...
Stimmenkauf vor WM-Vergabe 2010
... an Russland (2018) und Katar (2022) abstimmen. Die Doppel-Vergabe der WM-Orte, die von Fifa-Boss Blatter und Generalsekretär Valcke eigenmächtig und ohne stichhaltige Begründung angesetzt worden war und die schon im Vorfeld zu verbotenen Absprachen einlud, sorgt auch so für weltweite Empörung. Schon im Oktober 2010 - kurz vor Blatters Ernennung zum DFB-Ehrenmitglied - hat die englische Zeitung "Sunday Times" enthüllt, dass mit Reynald Temarii (Tahiti) und Amos Adamu aus Nigeria zwei der 24 wahlberechtigten Exekutivmitglieder ihre Stimmen zum Kauf angeboten haben.
Im Mai 2011 beschuldigt der Brite Lord David Triesman bei einer parlamentarischen Anhörung zu Englands gescheiterter WM-Bewerbung weitere amtierende Fifa-Exekutivmitglieder offiziell der Bestechlichkeit und Manipulation. So sollen Worawi Makudi (Thailand), Jack Warner (Trinidad und Tobago), Ricardo Teixeira (Brasilien) und Nicolas Leoz (Paraguay) gegenüber Triesman ihre Stimmen angeboten haben, sofern ihre teils absurden Forderungen erfüllt werden.
Die Fifa-Funktionäre weisen alle Vorwürfe zurück und dürfen im Amt bleiben. Warner wird erst suspendiert, als er gemeinsam mit Mohamed Bin Hammam die Wiederwahl des Schweizers zu verhindern droht. Blatters Fifa bleibt sich treu.
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Christoph Wolf