Final-Coup in Champions League Spurs-Trainer Pochettino weint - und geht?
09.05.2019, 11:05 Uhr
"Danke, Fußball. Diese Gefühle wären ohne Fußball nicht möglich": Mauricio Pochettino.
(Foto: REUTERS)
Tottenham Hotspur steht mehrmals vor dem Aus in der Champions League. Mit dem nächsten erstaunlichen Comeback bei Ajax Amsterdam bucht das Team seinen Platz im Finale gegen den FC Liverpool. Es könnte die letzte Vorstellung von Trainer Mauricio Pochettino werden.
Als das nächste vermeintliche Fußball-Wunder innerhalb von 24 Stunden feststand, knickte Mauricio Pochettino ein unter dem Gewicht seiner Gefühle. Der Trainer von Tottenham Hotspur schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und fiel auf die Knie. Es sah aus, als würde er beten auf dem Rasen der Arena in Amsterdam. Später weinte er sogar.
Seine Mannschaft hatte es gerade dem FC Liverpool gleichgetan im Halbfinal-Rückspiel der Champions League. Sie hatte ebenfalls ein erstaunliches Comeback geschafft und sich für das Endspiel in Madrid am 1. Juni qualifiziert. Nach dem 0:1 im ersten Treffen gegen das berauschende Ajax hatte Tottenham in Amsterdam nach 35 Minuten 0:2 hinten gelegen - und durch einen Hattrick des Brasilianers Lucas Moura doch noch den Einzug in das erste Europapokal-Endspiel für den Klub aus Nordlondon seit dem Sieg im Uefa Cup 1984 geschafft.
Der entscheidende Treffer, das entscheidende 3:2, fiel in der sechsten Minute der Nachspielzeit, zu einem Zeitpunkt, als sich alle Hoffnungen schon verflüchtigt hatten. Da konnte man schon emotional werden. Es wird oft an das berühmte Zitat von Manchester Uniteds Trainer-Ikone Sir Alex Ferguson erinnert in diesen wilden Champions-League-Tagen. An sein "Football, bloody hell!" nach dem Final-Sieg gegen den FC Bayern 1999, der nach wie vor das vielleicht wundersamste Comeback in der Geschichte des Wettbewerbs ist. Auch Pochettino klang ein bisschen wie der alte Meister aus dem Arbeiterviertel Govan in Glasgow, als er nach dem Spektakel in Amsterdam stöhnte: "Danke, Fußball. Diese Gefühle wären ohne Fußball nicht möglich."
Die Mannschaft war eigentlich schon raus
Ein Final-Einzug ist immer eine bewegende Angelegenheit, doch im Fall von Tottenham Hotspur ist er noch einmal spezieller. Die Mannschaft war eigentlich schon raus aus der Champions League, und das mehrmals. Sie erwirtschaftete in den ersten drei Vorrundenspielen nur einen Punkt. Mit späten Toren gegen Eindhoven, Inter Mailand und den FC Barcelona rettete sie sich in die K.-o.-Phase. Im Viertelfinale gegen Manchester City drohte das nächste Aus nach Raheem Sterlings spätem Treffer im Rückspiel, der dann allerdings zurückgenommen wurde. Zur Krönung das Drama in Amsterdam. Und, bei aller Tragik um die hinreißende Truppe aus den Niederlanden: einen Drei-Tore-Vorsprung - 1:0 im Hinspiel, 2:0 im Rückspiel - gegen einen ausgelaugten Gegner ohne dessen besten Mann muss man auch erstmal verspielen.
Tottenham schleppt sich dem Ende der Saison entgegen. Seit Wochen macht sich bemerkbar, wie dünn der Kader ist, der in dieser Spielzeit nicht durch einen einzigen Transfer verstärkt worden ist. In der Premier League kassierte das Team in den vergangenen elf Partien sieben Niederlagen, zuletzt drei am Stück, gegen Manchester City, West Ham United und Bournemouth. Klub-Ikone Harry Kane fehlt seit Anfang April mit einer Bänderverletzung im Knöchel. Wobei die Heilung gut vorangeht, wenn man sieht, wie er in Amsterdam nach dem Schlusspfiff auf den Rasen lief. Er hofft, im Finale gegen Liverpool wieder mitwirken zu können.
Für Trainer Pochettino sind seine Spieler Helden. Das hat er zuletzt immer wieder gesagt, wegen aller Widerstände, gegen die sie sich durchgesetzt haben. Unter anderem wurde der Klub ja gequält von einer schmerzenden Heimatlosigkeit. Er musste deutlich länger als geplant im ungeliebten Wembley-Stadion unterkommen und konnte erst Anfang April in die neue Spielstätte an der Stelle der alten White Hart Lane einziehen. Durch den Sieg in Amsterdam erreichten seine Profis laut Pochettino eine neue Stufe: "Ich glaube, sie sind jetzt Superhelden!", sagte er. Sollte auch das Finale gegen Liverpool erfolgreich verlaufen, könnten sie dann wohl zu Super-Superhelden werden. Allerdings würden sie in diesem Fall möglicherweise ihren Trainer verlieren. Pochettino hat seinen Abschied in Aussicht gestellt, sollte er mit Tottenham die Champions League gewinnen. Ein größerer, erstaunlicherer Erfolg am Ende seiner fünfjährigen Amtszeit wäre kaum vorstellbar.
Quelle: ntv.de