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Haiti vom Bandenkrieg gezeichnetTeam ohne eigenes Stadion ist der WM ganz nah

16.11.2025, 05:55 Uhr Bild-AnjaAnja Rau
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Haiti spielte zuletzt beim Gold Cup in den USA mit, wurde aber Gruppenletzter. (Foto: IMAGO/Imagn Images)

Bittere Armut, Banden beherrschen das Land: Haiti ist gezeichnet vom Ausnahmezustand. Doch die Fußball-Nationalmannschaft spielt - und könnte sich erstmals seit 1974 für die WM qualifizieren. Mittendrin ist ein Torhüter aus Deutschlands fünfter Liga.

Haiti hat Curacao und Suriname etwas voraus: Anders als die beiden Mitstreiter im Kampf um die WM-Qualifikation in Mittelamerika war Haiti bereits einmal bei einer Weltmeisterschaft dabei. 1974 in Deutschland. Drei Spiele im Olympiastadion von München - gegen Polen, Argentinien und Italien -, drei Niederlagen und dann war die WM-Historie für das Team aus der Karibik auch schon wieder beendet.

Bis jetzt. Haiti könnte sich zum zweiten Mal qualifizieren, für das Monster-Turnier mit 48 Teams in Mexiko, Kanada und den USA. Es wäre ein ganz spezieller Erfolg, denn das Nationalteam der Insel muss ohne eigenes Stadion auskommen.

Haitis Nationalstadion, das Stade Sylvio Cator, rissen Gangs im März 2024 an sich. Der Fußballverband musste eingestehen, dass er den Besitz der Anlage verloren hatte. Zudem sei die Anlage durch Vandalismus beschädigt worden. Seitdem kann dort keine Veranstaltung mehr stattfinden und es ist fraglich, ob jemals wieder ein Spiel dort ausgetragen werden kann. Einen anderen von der FIFA zugelassenen Spielort hat Haiti nicht zur Verfügung.

Ausnahmezustand ist Normalität

Nicht erst seit der Ermordung von Präsident Jovenel Moise im Juli 2021 ist das Land von Gewalt erfüllt, doch seitdem sind die sehr fragilen staatlichen Strukturen erneut gänzlich zusammengebrochen. Banden füllen das entstandene Machtvakuum, Moises De-facto-Nachfolger Ariel Henry versuchte das Land autoritär zu regieren, ließ keine Wahlen zu, musste aber im März 2024 zurücktreten. Die Situation im Land sei eine "unendliche Horrorgeschichte", heißt es vom Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte. Das Auswärtige Amt warnt Deutsche vor Reisen auf die Insel. Es gilt der Ausnahmezustand, gibt Gefechte und Ganggewalt, so die Gründe. Daher hat auch die deutsche Botschaft ihren Besucherverkehr eingestellt.

Der internationale Flugverkehr ist nur eingeschränkt möglich, der Flughafen der Hauptstadt Port-au-Prince ist nach dem Beschuss mehrerer Passagiermaschinen durch kriminelle Banden vor einem Jahr bis auf Weiteres geschlossen. Don Deedson Louicius, Stürmer der Nationalmannschaft und des FC Dallas, ist in der Nähe des Flughafens aufgewachsen, einige Familienmitglieder wohnen bis heute dort. "Sie können nicht gut leben, alle Orte sind wegen der Banden geschlossen, und die Gewalt ist wahnsinnig", sagte er. "Die Menschen fliehen aus ihren Häusern."

Im ärmsten Land der westlichen Hemisphäre lebten im Jahr 2023 fast 30 Prozent der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze. Normalität sind bedauerlicherweise Brutalität und der Ausnahmezustand. Die Insel teilt sich Haiti mit der Dominikanischen Republik - die bekannt ist für Urlaubsorte mit Traumstränden und Golfplätzen. Ein heftiger Kontrast, geteilt durch eine größtenteils abgeriegelte Grenze.

Duverger fehlt Cosmos Koblenz im Stadtderby

Die Krawalle im eigenen Land bedeuten für Haitis Nationalmannschaft und Trainer Sébstien Migné: Heimspiele müssen in der Ferne ausgetragen werden. Da ergeht es Haiti genauso wie den Teams aus der Ukraine und Israel, die ebenfalls nicht im eigenen Land spielen können.

Curacao ist so zur Heimat abseits der Heimat geworden. Mehr als 800 Kilometer vom eigenen Land entfernt kann das Nationalteam nun die WM-Teilnahme klarmachen. Nach dem 1:0-Sieg gegen Costa Rica entscheidet es sich am Dienstag gegen Nicaragua im Ergilio-Hato-Stadion in Curacaos Hauptstadt Willemstad. Wenn Haiti gegen den Tabellenletzten der Gruppe 3 gewinnt und Honduras erwartungsgemäß gegen Costa Rica Punkte lässt, darf Haiti jubeln.

Mittendrin wäre dann auch Josué Duverger. Der 25-Jährige ist der dritte Torwart - und spielt in Deutschland. Und zwar in der fünftklassigen Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar für den FC Cosmos Koblenz. Dorthin war er im vergangenen Jahr vom portugiesischen Drittligisten DU Santarém gewechselt. Beim FC Cosmos ist man zweifelsohne Stolz auf den Nationalspieler, doch Duvergers WM-Quali-Teilnahme bereitet dem Klub auch Probleme: Denn der Stammtorhüter fehlte somit im Stadtderby gegen TuS Koblenz (2:2).

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Josué Duverger stand bislang sechsmal für Haiti im Tor. (Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Doppelter Jubel auf Curacao?

Das Spiel in Curacao bringt aber noch eine Kuriosität mit sich: Dort könnte eine WM-Qualifikation klargemacht werden, während die Nationalmannschaft von Curacao ebenfalls feiern könnte - das Team unter der Leitung von Niederlande-Legende Dick Advocaat seinerseits kann sich mit einem Unentschieden auf Jamaika für das Turnier qualifizieren. Für Suriname könnte die historische Premiere beim Auswärtsspiel in Guatemala gelingen - wenn das punktgleiche Panama nicht beim Heimspiel gegen El Salvador mehr Punkte holt oder noch entscheidend an der Tordifferenz schraubt. Die beiden besten Gruppenzweiten hätten eine weitere Chance im Playoff-Turnier im März 2026.

Womöglich ist der Jubel auf Curacao am Dienstag also ganz besonders groß: Weil sich Haiti und das eigene Team auf der großen Bühne des Weltfußballs präsentieren dürfen. Dass die Fans aus Haiti wohl nicht beim Turnier dabei sein dürften, ist dann ein weiteres Problem. US-Präsident Donald Trump will sie nicht im Land haben, es gilt das Einreiseverbot. Trump meckerte im Juni über "Hunderttausende haitianische Aliens" die zu Zeiten von Joe Biden in die USA gekomemn seien.

Quelle: ntv.de

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