Fußball ohne Sommermärchen Thomas Broich findet sein Glück
27.03.2011, 17:53 UhrEr kickt in Köln, Gladbach und Nürnberg,doch sein Glück findet er in der Bundesliga nie. Deshalb zieht es Thomas Broich 2010 "maximal weit weg" aus Deutschland, nach Australien. "Down under" wird der Mittelfeldspieler doch noch zum Fußball-Helden.

Als Mozart am Ball galt Thomas Broich in Deutschland einst. Der Durchbruch blieb ihm dennoch versagt.
(Foto: dpa)
Es ist wie bei einer Oscar-Verleihung in Hollywood: Der Hauptdarsteller, der Filmemacher und sein Mitarbeiterstab stehen im Scheinwerferlicht auf der Bühne des Kinos und genießen den Applaus. Die Menschen im voll besetzten Saal sind von dem Film "Tom Meets Zizou - Kein Sommermärchen" begeistert, der zur Premiere des achten internationalen Filmfestivals "11mm" im Berliner Kino Babylon gezeigt wurde. Es ist die einzigartige Langzeitstudie des Grimme-Preisträgers Aljoscha Pause, in dessen Mittelpunkt der frühere Bundesliga-Profi Thomas Broich steht.
Pause begleitete den früheren U21-Nationalspieler neun Jahre lang mit der Kamera vom oberbayrischen Burghausen über Mönchengladbach, Köln, Nürnberg bis ins australische Brisbane. Der Film ist kein Gradmesser für sportliche Erfolge oder Misserfolge. Er offenbart vielmehr einen tiefen, offenen und schonungslosen Blick hinter die Kulissen des Fußballgeschäfts, dessen Mechanismen Broich nicht akzeptiert und an denen er fast zerbricht.
"Maximal weit weg"
"Im Fußball ist alles so aufgeblasen und die Egos so massiv. Je höher man kommt, desto gröber wird es", kritisiert Broich, der den Film als Möglichkeit nutzte, laut über das Geschäft nachzudenken und das Verhalten seiner Protagonisten anzuprangern. Sein früherer Kölner Trainer Christoph Daum ist für ihn ein Selbstdarsteller, der "zu dick aufträgt". Dick Advocaat, der ihn in Gladbach trainierte, attestiert er Feldwebel-Allüren und Humorlosigkeit. Solche Äußerungen hätten in einem normalen Interview zur fristlosen Kündigung geführt. Vor der Kamera des Filmemachers Pause ist es wie eine Befreiung, sich offen äußern zu können.
"Die Bundesliga hat mich Bescheidenheit gelehrt", sagte Broich einen Tag nach der Film-Premiere in Berlin am Samstag im Sportstudio des ZDF. "Ich war einfach nicht gemacht für die Bundesliga." Viele Leute habe die Bundesliga verdorben, weil dort nur das Geld zähle. Und er gibt zu: "Ich habe damals Sachen gemacht, auf die ich heute nicht stolz sein kann." Auf die Frage, warum er ausgerechnet nach Australien ging, sagte er kurz: "Es war maximal weit weg."
Mozart mit der Kugel
Broich liest gerne Dostojewski oder spielt Klavier und gilt daher als außergewöhnlicher Profi. Die Medien verpassen ihm den Titel "Mozart mit der Kugel". Zu Beginn seiner Bundesliga-Karriere, als es im Jahr 2004 steil mit ihm bergauf geht und er als kommender Nationalspieler gilt, ist das kein Problem. Doch als der Erfolg ausbleibt, wird dieses Klischee negativ gegen ihn ausgelegt. Er beginnt sich zu isolieren, empfindet an seinem Beruf immer weniger Freude.
Weil er sich dem Wesen des Profifußballs immer mehr verweigert, ist er zum Scheitern verurteilt. In Nürnberg glaubt er schließlich, nicht mehr Fußball spielen zu können. Der Gedanke an das Training lässt die Beine schwer werden. Er fühlte sich von den Erwartungen fremdgesteuert. Um wieder Zugriff auf sein Leben zu erhalten, hilft nur noch die Flucht. 2010 wechselt er zu Brisbane Roar.
"Hier herrscht weniger Druck, der Fußball ist unaufgeregt und angenehm", lobt Broich seine neue Heimat. Ihm macht das Fußballspielen wieder Spaß und prompt kehrt der Erfolg zurück. Er wird Meister und zum zweitbesten Spieler der Liga gewählt.
Quelle: ntv.de, von Matthias Bossaller, dpa