Fußball

Ronaldo weg, Rashford brilliert "Unaufhaltsamer" macht nicht nur CR7 vergessen

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Rashford trifft und trifft.

(Foto: IMAGO/Shutterstock)

Seit Cristiano Ronaldos Abgang marschiert Manchester United von Sieg zu Sieg. Der Hauptgrund dafür: Marcus Rashford. Seine Kindheit verbringt er in Armut, dann legt er sich mit Boris Johnson an. Nun tanzt und trifft der Flügelstürmer nach Belieben - und gilt gar als "unaufhaltsam".

Marcus Rashford benötigt gegen Everton nur drei Minuten, um seine aktuelle Topform unter Beweis zu stellen. Kurz hinter der Mittellinie erhält er auf seiner linken Seite den Ball und treibt ihn nach vorne. Gegenspieler Ben Godfrey bietet nur Geleitschutz, weil er genau weiß, dass der 25-Jährige bei einer Attacke seinen gefürchteten Turbo zünden wird.

Und genauso kommt es. Natürlich. Ein Bild, an das man sich im englischen Fußball in den vergangenen Wochen gewöhnt hat. Godfrey kann an der Strafraumgrenze nicht mehr anders und greift an, Rashford packt eine kleine Verzögerungsbewegung aus - um dann mit wenigen schnellen Schritten am Verteidiger vorbeizuziehen. Seinen präzisen Pass mit links in die Mitte vorbei an drei Gegenspielern und am Torwart muss Antony nur noch ins leere Tor grätschen. Ein Tor und zwei Vorlagen steuert der Flügelstürmer beim 3:1 Sieg von Manchester United in der dritten Runde des FA Cups über den vom früheren englischen Weltklassespieler Frank Lampard trainierten FC Everton bei.

Anfang der zweiten Hälfte eine ähnliche Szene. Diesmal ist es Seamus Coleman, den Rashford im Strafraum der Toffees schwindelig tanzt. Seine harte Hereingabe - wieder mit links - kann Conor Coady, der zum zwischenzeitlichen Ausgleich getroffen hatte, nur noch ins eigene Tor abwehren. Den 3:1-Endstand übernimmt der englische Nationalspieler in der 97. Minute höchstpersönlich und schiebt einen Foulelfmeter - diesmal mit rechts - cool ins rechte Toreck.

"Mit seinen Dribblings nicht zu stoppen"

Seit der WM in Katar ist United "on fire", wie man in England sagt. Fünf Siege in fünf Partien lautet die makellose Bilanz. Drei in der Liga, einer im Ligapokal, nun auch im FA Cup. Und in allen Spielen hat Rashford getroffen. Der Linksaußen ist der Hauptgrund, warum die Red Devils seit dem Abgang von Megastar Cristiano Ronaldo marschieren. Er lässt das Team von Erik ten Hag nicht nur den Portugiesen nach dessen ohnehin blamabler Saison vollends vergessen - sondern schießt es auch klammheimlich in die Spitzengruppe der Premier League.

Mit 35 Punkten liegt United in der Liga auf Platz vier, hat dabei aber ein Spiel weniger als der drittplatzierte und punktgleiche Newcastle United. Ein Angriff auf den souveränen Tabellenführer FC Arsenal (44 Punkte) dürfte schwer werden, aber nach Rang sechs in der vergangenen Saison und nach dem Horrorstart mit zwei Pleiten zum Auftakt wäre die Qualifikation ein Erfolg für den Traditionsklub. Von Ronaldo spricht jedenfalls niemand mehr.

Ten Hag weiß nach dem Everton-Erfolg gar nicht wohin mit all seinem Lob und bezeichnet Rashford nach dessen fünften Tor in Serie gar als "unaufhaltsam". "Marcus war derjenige, der nach vorne ging und das Selbstvertrauen und den Glauben zeigte und gute Bewegungen nach hinten machte", so der Trainer. "Ich denke, er war 90 Minuten lang eine Gefahr für die Defensive von Everton. "Es geht darum, ihn auf die richtige Position zu bringen", schwärmt ten Hag weiter, "damit er seine Stärken einbringen kann und mit seiner Geschwindigkeit und seinen Dribblings nicht zu stoppen ist." Mit 13 Saisontoren hat er bereits acht mehr erzielt als in der gesamten Saison 2021/22. Auch Evertons Trainer Lampard erklärt nach der Partie, dass "niemand den 25-Jährigen stoppen kann", wenn er in der Form ist, die er seit der Weltmeisterschaft gezeigt hat.

Armut und Boris Johnson

Rashfords Karriere verläuft nicht immer gradlinig. Beim 1:0-Sieg an Silvester beim Kellerkind Wolverhampton Wanderers musste der formstarke Stürmer zunächst auf der Bank Platz nehmen. Aus "disziplinarischen Gründen". Der Offensivspieler war zu spät zu einer Mannschaftssitzung gekommen. "Ich habe verschlafen", sagte Rashford nach der Partie: "Das ist ein Fehler, der passieren kann. Ich bin natürlich enttäuscht, dass ich nicht starten durfte, aber ich verstehe die Entscheidung. Nachdem es 0:0 zur Pause stand, betrat der Flügelstürmer endlich das Feld - und ließ seine Red Devils prompt in der 76. Minute jubeln.

Ansonsten ist Rashford eigentlich ein Vorzeigeprofi. Als Kind litt seine Familie (vier Geschwister und eine alleinerziehende Mutter) unter Armut, deshalb setzt der 25-Jährige sich heute für arme Kinder ein. Für Aufsehen sorgte sein offener Brief an die britische Regierung im Sommer 2020 mit der Absicht, dass auch in Englands Sommerferien kostenlose Mittagessen an bedürftige Kinder verteilt werden, nachdem das Parlament die Aktion eingestampft hatte. Der damalige Premier Boris Johnson bekam daraufhin viel Kritik ab, telefonierte mit dem Fußball und musste sich am Ende dem öffentlichen Druck beugen.

Anders als viele seiner Premier-League-Kollegen, die bei Twitter, Instagram, Tiktok und Snapchat Videos veröffentlichen, mit schnellen Autos protzen und durch ihr PR-Team belanglose Motivationssprüche posten lassen, steht Rashford ungern selbst im Mittelpunkt. Schon lange legt das United-Eigengewächs seinen Schwerpunkt in sozialen Medien lieber auf soziales Engagement. Dafür zeichnete ihn 2022 die im vergangenen Herbst verstorbene Königin Elizabeth II. gar mit dem britischen Ritterorden aus, dem Order of the British Empire.

Ronaldo vermisst niemand

Aber auch ungewollt steht Rashford abseits des Fußballplatzes immer wieder im Fokus. Im Sommer 2021 erlebte er zusammen mit seinen Nationalspielerkollegen Bukayo Saka und Jadon Sancho rassistische Anfeindungen, nachdem sie im verlorenen EM-Finale gegen Italien ihre Elfmeter vergeben hatten. Rashford wehrte sich in den sozialen Medien und erhielt viel Zuspruch. Bei der Winter-WM darf er trotz Topform meist nicht von Beginn an aufs Feld, erzielt für die "Three Lions" in fünf Spielen aber dennoch drei Treffer.

Die Topform hält seit dem Turnier an. Marcus Rashford ist "nicht zu stoppen." Aber wer weiß, was mit diesem sozial engagierten Superstürmer noch möglich ist. Am Dienstag spielen die Red Devils im Carabao Cup gegen Charlton Athletic, bevor sie in der Liga gegen Manchester City und Arsenal antreten. Gut möglich, dass Rashford auch dann wieder seinen Gegenspieler austanzt und trifft. Cristiano Ronaldo wird jedenfalls niemand vermissen.

Quelle: ntv.de

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