Fußball

Manchester lebt Derby-Fehde United stemmt sich gegen blaue Neureiche

Manchester City ist großartig - sagen die Fans und findet offenbar auch Gabriel Jesus.

Manchester City ist großartig - sagen die Fans und findet offenbar auch Gabriel Jesus.

(Foto: REUTERS)

United baut auf die Historie, City ist das Team der Gegenwart - dieser Gegensatz prägt das Premier-League-Derby. Während United-Fans ihren Verein kritisch betrachten, haben Citys Anhänger Vertrauen - trotz jüngster Anschuldigungen.

Beim Sommerurlaub in Spanien wurde für Matt Ford ersichtlich, dass sich die Zeiten geändert haben. Zusammen mit einem Freund machte er im August bei einer Besichtigung des Mestalla-Stadions in Valencia mit. Zu Beginn fragte der Führer der Tour nach der Herkunft und den Lieblingsvereinen der Teilnehmer. Matt und sein Kumpel gaben sich als Fans von Manchester United zu erkennen. Außerdem anwesend waren: zwei Anhänger von Leeds United, zwei von Feyenoord Rotterdam, ein paar von Ajax Amsterdam und zwei Südkoreanerinnen, die Manchester City gut finden, weil der Verein "awesome" sei, also großartig. "Wir mussten lachen. Sowas hätte man vor zehn Jahren nicht gehört", sagt Matt. Vor zehn Jahren war United noch der einzige Klub aus Manchester mit Fans in Asien.

Die größere Vergangenheit hat das rote Establishment.

Die größere Vergangenheit hat das rote Establishment.

(Foto: imago/PA Images)

Wenn an diesem Sonntag zum Abschluss des elften Spieltags der Premier League das Manchester-Derby ausgetragen wird (17.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de), dann ist diese Partie einerseits eine lokale Angelegenheit, die Stadien der Kontrahenten liegen nur eine halbe Stunde mit der Straßenbahn auseinander. Andererseits stehen sich zwei Weltmarken gegenüber. United hat eine glanzvolle Vergangenheit als Rekordmeister und dreimaliger Gewinner des Europapokals der Landesmeister und der Champions League und ist immer noch umsatzstärkster Klub überhaupt. Manchester City ist nach der Übernahme von Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan zum herausragenden englischen Verein der Gegenwart aufgestiegen mit drei Meistertiteln in sechs Jahren und gewinnt dank Figuren wie Trainer Josep Guardiola, Kevin De Bruyne oder Sergio Agüero weltweit an Ansehen.

"Selbstironischer, weil wir es sein mussten"

Sir Alex Ferguson wird bei United nach wie vor vergöttert.

Sir Alex Ferguson wird bei United nach wie vor vergöttert.

(Foto: imago/PA Images)

Trotz der internationalen Bedeutung ist das Derby auch für das Publikum in Manchester nach wie vor extrem wichtig. United spielt dagegen an, immer weiter hinter dem Emporkömmling vom anderen Ende der Stadt zurück zu fallen. City trachtet nach Anerkennung und darum, endlich als Mitglied der Elite wahrgenommen zu werden. Das ist ein Unterschied zum größten deutschen Derby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04. Während sich diese beiden Klubs in den Kategorien Fan-Aufkommen, Geschichte und Status ähnlich sind, ist City im Duell mit United immer noch der Herausforderer.

Die Klubs aus Manchester haben viele Jahre aneinander vorbei gelebt und spielten in verschiedenen Welten. Während United unter Sir Alex Ferguson den Fußball in England und Europa dominierte, fristete City eine triste Existenz zwischen der ersten, zweiten und sogar der dritten Liga. Die Fans mussten Frust abkönnen. Das hat sie geprägt. "Wir sind humorvoller und selbstironischer, weil wir es sein mussten. Das ändert sich nur langsam", sagt Dave Wallace von Citys Fan-Magazin "King of the Kippax", benannt nach der Kippax-Tribüne im alten Stadion Maine Road.

Die Außenseiterrolle und das Dasein im Schatten von United hat City viele Sympathien gebracht im Rest des Landes, ein bisschen so, wie die neutralen Beobachter im Münchner Derby immer für den TSV 1860 waren, weil sie den FC Bayern nicht mochten. Matt Ford, der United-Anhänger von der Stadiontour in Valencia und Autor für das Fan-Magazin "United we stand", ist der Auffassung, dass Citys Fans durch den Aufstieg unter Scheich Mansour in eine Identitätskrise gestürzt wurden. "Sie können nicht gleichzeitig die beste Mannschaft der Welt und der tapfere Außenseiter sein", sagt er.

United schwelgt in Vergangenheit

Scheich Mansour wird vor allem Dankbarkeit entgegengebracht. Trotz aktueller "Football-Leaks"-Ermittlungen.

Scheich Mansour wird vor allem Dankbarkeit entgegengebracht. Trotz aktueller "Football-Leaks"-Ermittlungen.

(Foto: imago sportfotodienst)

Auch das Leben als Fan von Manchester United hat seine Widersprüche. Der Klub definiert sich über seine Größe und seine Erfolge. Im Old Trafford erinnern Banner an die Titel unter Ferguson und an Ikonen wie Ryan Giggs und George Best. Doch die bislang letzte Meisterschaft liegt schon fünf Jahre zurück. In der Gegenwart sind Uniteds Spiele oft trübselige Veranstaltungen, der 2:1-Erfolg unter der Woche in der Champions League bei Juventus Turin war ein Erlebnis, wie es die Fans lange nicht mehr hatten. In der abgelaufenen Saison landete die Mannschaft 19 Punkte hinter Meister City, in der aktuellen Spielzeit beträgt der Rückstand schon neun Zähler.

Ein großer Teil von Uniteds Hardcore-Fans hat ein zwiespältiges Verhältnis zum eigenen Klub. Als die Glazer-Familie den Verein 2005 übernahm, setzte sich ein Teil des Publikums ab und gründete aus Protest einen eigenen Klub, nämlich den FC United of Manchester. Viele Fans, die weiterhin ins Old Trafford gehen, können sich mit den Besitzern nur schwer arrangieren. Sie werfen ihnen vor, dass es ihnen nicht um sportlichen Erfolg geht, sondern nur darum, Geld mit dem Klub zu machen.

"Wir vertrauen unseren Besitzern"

Die Fans von Manchester City stehen ihrem Eigentümer, Scheich Mansour, deutlich positiver gegenüber - nämlich so gut wie kritiklos. Sie verspüren Dankbarkeit, dass er sie für die vielen tristen Jahre in der Vergangenheit entschädigt. Die aktuell vom Spiegel auf Grundlage der Dokumente aus den Football Leaks vorgebrachten Anschuldigungen, der Verein hätte die Financial-Fairplay-Regeln umgangen, haben ihrer Auffassung nach nur den Zweck, ihrem Klub zu schaden. "Wir sehen die Leaks als einen weiteren verbitterten Versuch des Establishments, uns zu destabilisieren. Wir vertrauen unseren Besitzern", sagt Dave Wallace, der Mann vom City-Magazin.

Die Fans des Vereins haben tatsächlich den Eindruck, dass ihnen ständig jemand Schaden zufügen will, seien es die Medien mit dem Verweis darauf, dass der aktuelle Erfolg nur dank der Millionen von Scheich Mansour möglich sei, oder die Uefa mit ihrem Financial Fairplay, das ihrer Meinung nach aufstrebenden Klubs wie City den Zugang zur Elite erschwert. In der Champions League buhen sie deshalb die Hymne des Wettbewerbs aus - obwohl die Uefa den Verein laut den Enthüllungen im Spiegel nach Verstößen gegen das Financial Fairplay sogar vor höheren Strafen verschont hat.

Quelle: ntv.de

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