Fußball

No-Name hat Nase vornWarum wackelt der WM-Platz von Jude Bellingham?

13.11.2025, 17:21 Uhr
imageVon Sebastian Schneider
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Ist wieder zurück: Jude Bellingham. (Foto: Action Images via Reuters)

Mit dem neuen englischen Fußball-Nationaltrainer Thomas Tuchel wird Jude Bellingham nicht so richtig warm. Ein halbes Jahr vor Beginn der Weltmeisterschaft ist sogar der Kaderplatz unsicher.

Schnelle Quizfrage: Was wissen Sie über Morgan Rogers? Kleine Hilfe: Der 23-Jährige ist Mittelfeldspieler in der englischen Premier League, dribbelt dort bei Aston Villa auf. Auf der Insel hat Rogers einen kometenhaften Aufstieg hinter sich. Erst vor wenigen Tagen hat er einen neuen, viel besser dotierten Vertrag unterschrieben. Denn im Sommer kreisten schon die Top-Klubs um ihn: Der FC Liverpool, FC Chelsea, sie alle sollen bereit sein, bis zu 100 Millionen Euro für ihn zu bieten.

Aber die wirklich wichtige Information über Rogers ist eine andere: Er könnte derjenige sein, der Jude Bellingham den Kaderplatz in der englischen Nationalmannschaft klaut. Es könnte sein, dass Rogers zur Mammut-WM in die USA, nach Kanada und Mexiko fährt. Als Englands neue Nummer 10 - und eben nicht der schillernde Star von Real Madrid, der auch die "Three Lions" das eine oder andere Mal gerettet hat, etwa im EM-Achtelfinale gegen die Slowakei. Schon im Oktober fehlte Bellingham etwas überraschend im Kader.

Die Weltmeisterschaft ohne den Ex-Dortmunder ist nicht mehr nur ein abstraktes Szenario, das untermalte Nationaltrainer Thomas Tuchel erst unter der Woche. Bellingham habe derzeit keinen Stammplatz in der Nationalelf. Rogers brillierte in der Abwesenheit des Mittelfeldstars, als dieser mit einer Schulterverletzung laborierte. "Im Moment konkurrieren die beiden miteinander". Es sei aber "ein freundschaftlicher Wettbewerb. Sie respektieren einander und kämpfen um dieselbe Position", sagte Tuchel nach der Kaderverkündung, auf dem auch wieder der Name Bellinghams steht.

Tuchels Mama und seine Machtdemonstration

Keine Sorge: Niemand zweifelt an den besonderen fußballerischen Fähigkeiten, die nur Bellingham hat. Die Dynamik, der Einsatz, das Dribbling, die Passstärke. Und dennoch droht ein sogenannter Ausnahmefußballer, die WM zu verpassen. Denn Nationaltrainer Tuchel will ein "Team England" formen - und nimmt dabei keine Rücksicht auf große Namen. Es soll eine "Brüderschaft" mit klarem System werden, sagte Co-Trainer Anthony Barry zuletzt. Für die Oktober-Länderspiele siebte Tuchel deshalb knallhart aus, es war eine Machtdemonstration. Bellingham, Bukayo Saka, Cole Palmer, John Stones, Trent Alexander-Arnold, Jack Grealish, Phil Foden: Sie alle fehlten im Kader.

Tuchel wollte unterstreichen, dass er mutig genug ist, im Notfall auch die großen Namen daheimzulassen. Auf der Insel wurde das nicht so richtig wohlwollend aufgefasst. Tuchel, das weiß man unlängst auch in Deutschland, ist nicht unbedingt der einfachste Charakter. Im September noch hatte er die englischen Fans kritisiert, sie seien ihm im heimischen Wembley-Stadion zu leise gewesen. Erst im Oktober beim 3:0-Test gegen Wales und dann im lettischen Riga waren alle Konflikte verflogen.

Tuchel war schockverliebt in alles: die Fans, die Leistung. Endlich passte alles in seinen Vorstellungen - auch ohne die Topstars. Mit dem 5:0 gegen Lettland lösten die Engländer das erste europäische WM-Ticket. Und das mit einer beeindruckenden Statistik. Gruppe K führt die Tuchel-Elf ohne Punktverlust und mit 18:0 Toren an. Weder Albanien, Serbien, Lettland noch Andorra hatten eine ernsthafte Chance. Und zum Leidwesen Bellinghams brillierte ebenjener Rogers, der nach Tuchels Vorstellungen auf der Zehner-Position die Fäden in der Hand hielt.

Für Bellingham ist das ein Problem, vor allem Tuchel hat klare Anweisungen an ihn. Der detailverliebte Trainer verlangt von dem Ausnahmefußballer, den er auch immer wieder lobt, dass er sein Ego in den Dienst der Mannschaft stellt. Der impulsive 22-Jährige könne sogar für die eigenen Kollegen gelegentlich einschüchternd wirken, monierte Tuchel. Exemplarisch dafür ist eine Szene aus dem letzten Spiel, für das Bellingham nominiert worden war. Es war die 1:3-Testspielniederlage im Juni gegen den Senegal.

Da war es Tuchels Mutter, die Bellinghams Auftreten kritisierte. Dieser hatte sich bei den Unparteiischen heftigst über ein nicht gegebenes Tor aufgeregt. Tuchel sagte später dazu: "Ich sehe das bei meinen Eltern, bei meiner Mutter, dass sie nicht immer den netten, gebildeten und gut erzogenen Kerl sehen kann, den ich sehe." Einige könnten dieses Verhalten als abstoßend empfinden. Im Nachhinein hat Tuchel sich für die Aussage entschuldigt.

Und da ist der Zwist mit Xabi Alonso

Und da schlägt die zweite Ebene zu. Denn Tuchel und Bellingham wird nicht unbedingt das beste Verhältnis nachgesagt. Als Real Madrid vergangene Woche in der Champions League zum FC Liverpool reiste, fehlten Tuchel und sein Assistent Barry auf der Tribüne. Eigentlich eine Randnotiz, aber in der englischen Presse wurde das als "Rückschlag" für Bellingham interpretiert. Die Frage ist, was Tuchel damit erreichen will? Mit dem öffentlichen Anzählen eines der fußballerisch besten englischen Fußballer? War die Nicht-Nominierung ein Denkzettel? Eben eine Machtdemonstration?

Es ist unklar. Anders als die Erkenntnis, dass Bellingham mit sehr detailverliebten Trainern ein Problem zu haben scheint. Auch bei Real Madrid gibt es Berichte darüber. Nach einem schwierigen Saisonstart hat er dort wieder zu alter Stärke gefunden. Nach der Schulterverletzung ist er mittlerweile zurück: In den vergangenen fünf Spielen war er an vier Toren direkt beteiligt. Man könnte also meinen, dass in der Welt der Königlichen alles rosig ist. Dem ist aber nicht so.

In der vergangenen Saison trainierte noch Carlo Ancelotti das unruhige madrilenische Starensemble. Der erfahrene Italiener kontrollierte es, indem er die Leinen möglichst locker ließ. Jetzt agiert mit Xabi Alonso ein völlig anderer Trainertyp, mit dem die freiheitsliebenden Real-Stars offenbar noch etwas fremdeln, glaubt man der aufgeregten spanischen Presse. Die katalanische Zeitung "Mundo Deportivo" berichtete sogar von "Rissen in der Kabine". "Der baskische Trainer, der sehr methodisch vorgeht, scheint nicht die Zustimmung der Spieler zu haben", hieß es. Einer davon ist laut dem Bericht eben Bellingham, der mit Alonso eher ein Problem zu haben scheint.

Mit Morgan Rogers sind solche Themen bislang nicht bekannt. Anders als seine Beziehung zu Bellingham: Beide sind Freunde, kennen sich seit Ewigkeiten. Und, auch das ist eine Info: Beide sind nur keine 20 Autominuten voneinander entfernt geboren. Bellingham in Stourbridge, Rogers in Halesowen. Eine der beiden Städte fährt auf jeden Fall zur Weltmeisterschaft.

Quelle: ntv.de

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