Weihnachtswunder an Westfront Weltkriegsfeinde werden zu Fußballgegnern
25.12.2013, 18:39 Uhr
Der Erste Weltkrieg forderte Millionen von Opfern. An Weihnachten 1914 ruhte an vielen Stellen das Kampfgeschehen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Erste Weltkrieg führt Europa an den Abgrund, er kostet Millionen von Menschen das Leben. Doch Weihnachten 1914 kommt es zu einem Wunder. Verfeindete Soldaten steigen aus Schützengräben, verbrüdern sich und feiern gemeinsam Weihnachten. Statt zu kämpfen, spielen sie Fußball.
Wenn verfeindete Soldaten mitten im Krieg plötzlich friedlich gegeneinander Fußball spielen, ist das ein Wunder. Und dieses Wunder fand am Heiligen Abend 1914 statt. Seit Monaten tobte in Europa der Erste Weltkrieg. Vom Ärmelkanal bis an die Schweizer Grenze kauerten die Soldaten in Schützengräben, den Feind vor Augen, den Tod im Nacken. Doch am 24. Dezember 1914 hielt das Töten kurzfristig inne.
An der hart umkämpften Westfront signalisierten verfeindete Soldaten einander, dass sie an Weihnachten nicht kämpfen wollten. Sie verließen ihre Schützengräben, riefen: "We not shoot, you not shoot." Sie sangen Weihnachtslieder, tranken gemeinsam. Und sie spielten vielerorts im Niemandsland der Westfront auf gefrorenem Boden gegeneinander Fußball.
Es war ein Weihnachtsfrieden, der nicht von den Militärführungen der Kriegsparteien autorisiert wurde, sondern in Eigenregie von den kämpfenden Frontsoldaten veranlasst. Auf belgischem Boden schwiegen fast überall während der Weihnachtstage 1914 die Waffen.
Zustande kam der kleine Frieden im großen Krieg, wie ihn der Autor Michael Jürgs in seinem gleichnamigen Buch nennt, auf ganz unterschiedliche Art: Mutige Soldaten sprangen unbewaffnet aus den Schützengräben und gingen langsam auf den Feind zu - nur mit der Hoffnung als Schutz, dass niemand schießen würde. An anderer Stelle sangen Soldaten Weihnachtslieder und hörten, dass der Feind mit gleichen Liedern antwortete, nur in anderer Sprache. Zaghaft trauten sich die Soldaten aus ihren Stellungen. Nach und nach versammelten sie sich in der Kriegswüste des Niemandslandes. Hier, wo noch vor Stunden die Artilleriegeschosse den sicheren Tod bedeuteten, standen sie plötzlich mit Zigaretten und Bier zusammen. Gemeinsam feierten sie Weihnachten, rauchten, tranken und zeigten sich gegenseitig Heimatfotos.
Fußball statt Krieg
Kurz nach dem Weihnachtsfest 1914 erreichte ein Brief von der Westfront Deutschland, er schilderte das Unglaubliche. Leutnant Johannes Niemann schrieb über sein Weihnachten an der Front: "Plötzlich brachte ein Schotte einen Fußball an, und es entwickelte sich ein regelrechtes Fußballspiel mit hingelegten Mützen als Toren. Zwar erreichte so manche Flanke nicht ihr Ziel, der hartgefrorene Acker ließ ein richtiges Spiel eigentlich nicht zu. Aber alle Akteure und auch die Zuschauer waren erfüllt von friedlicher sportlicher Gemeinsamkeit."
Nicht das einzige Spiel an der Westfront. Vielerorts verbrüderten sich verfeindete Soldaten für wenige Stunden oder Tage und spielten gegeneinander Fußball, statt sich zu bekriegen. Besonders britische Soldaten hatten irgendwo immer einen Fußball parat: Ein Soldat der Scottish Guards – ein Regiment der Guards Divison, das bis heute eines der fünf Leibregimente des britischen Monarchen ist - schrieb: "Wir schickten einen mit dem Fahrrad nach hinten in unsere Reservestellung ... und der holte den Ball." Und wenn kein Fußball zur Verfügung stand, dann wurde schnell einer aus Draht und Stroh gebastelt.
Besonders an der belgischen Westfront, wo sich britische und deutsche Soldaten bekämpften, kam es zu der friedlichen Begegnung auf den Fußballplätzen. Es war ein einmaliges Ereignis. Die nächsten Weihnachten an den Fronten des Krieges waren keine Stunden der Waffenruhe mehr. Die Befehlshaber drohten bei erneuter Verbrüderung mit dem Feind mit Kriegsgerichtsverfahren.
Flanders Peace Field
Im nächsten Jahr, 100 Jahre nach den Weihnachtspielen, will das Projekt "Flanders Peace Field" die Erinnerungen an die besonderen Fußballpartien während des Krieges wach halten. Der ehemalige Fußballjournalist und heutige Initiator des Projekts, Henk van Niewenhove, möchte den alten Fußballplatz des niederländischen Dorfes Mesen zur Gedenkstätte für die Fußballspiele machen. Darüber hinaus plant "Flanders Peace Field" kurz vor dem Weihnachtsfest 2014 eine Feierstunde, in der Vertreter der verfeindeten Nationen des Ersten Weltkrieges Reden halten.
Aber auch der Ball soll wieder rollen: In der Stadt Ypern soll ein internationales Jugendturnier stattfinden. Gemeinsam sollen deutsche und britische Kinder erst in Nationenteams gegeneinander und schließlich in gemischten Mannschaft miteinander spielen. Aber auch bekannte Größen des Fußballs sollen zum 100-jährigen Gedenken an den Ersten Weltkrieg die Fußballschuhe schnüren.
Van Niewenhoven sagte gegenüber der "Tagesschau": "Wir hätten schon sehr gerne, dass ein paar Fußballer dabei sind, die 1966 beim WM-Finale zwischen Deutschland und England in Wembley gespielt haben. Das war auch ein sehr symbolisches Match. Wir denken da zum Beispiel an Beckenbauer oder Bobby Charlton. Und wir hoffen, dass das klappt."
Quelle: ntv.de