Fußball

DFL-Vollversammlung in Frankfurt Wie geht es weiter mit der Bundesliga?

Egal, was in Frankfurt beschlossen wird: Jubelnde Fans wird man in den Bundesligastadien wohl vorerst nicht mehr sehen.

Egal, was in Frankfurt beschlossen wird: Jubelnde Fans wird man in den Bundesligastadien wohl vorerst nicht mehr sehen.

(Foto: imago images/Team 2)

Zur Stunde treffen sich die 36 Klubs der Fußball-Bundesliga und der 2. Liga zu einer Krisensitzung in Frankfurt. Dabei geht es nicht nur darum, wann es weitergehen soll mit dem Profifußball in Deutschland - sondern vor allem wie.

Wie ist die aktuelle Situation?

In fast allen europäischen Ländern, also auch in Deutschland, ist der Pausenknopf gedrückt und der Profifußball steht still. Bereits am Wochenende haben keine Spiele stattgefunden. Der 26. und der 27. Spieltag wurden erstmal verschoben - das hat der Vorstand der Deutschen Fußball Liga (DFL) entschieden. Über das weitere Vorgehen sollen die 36 in Deutschland betroffenen Vereine mitentscheiden.

Was wird in Frankfurt besprochen?

Zunächst einmal, das berichtet "11 Freunde", will die DFL den Vereinen den Plan zur Abstimmung vorlegen, auch die Spieltage 28 und 29 zunächst auszusetzen, um dann am 17./18. April den Spielbetrieb wieder aufzunehmen, notfalls mit Geisterspielen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Klubs einen solchen Vorschlag in der Mehrheit ablehnen würden. "Die Realität überholt uns in diesen Tagen regelmäßig und innerhalb von Minuten", sagte Bayer Leverkusens Vereinschef Fernando Carro. Großes Ziel ist es, Zeit zu gewinnen, weshalb auch über internationale Themen wie die EM und die Champions League gesprochen werden wird.

Den Klubs drohen bei weiterer Aussetzung der Spiele enorme Einnahmeausfälle von rund einer Dreiviertel Milliarde Euro. Nicht nur die fehlenden Ticketgelder machen sich negativ bemerkbar, sondern vor allem noch nicht ausgezahlte Fernsehgelder oder Rückforderungen von Sponsoren im Falle eines Saisonabbruchs.

Vor allem für Zweitligisten oder kleinere Bundesligisten könnte eine Absage der Bundesliga-Saison existenzbedrohend sein. "Eine Wiederaufnahme wird fast jeder Verein mit Einbußen verkraften können. Ein Abbruch wird mit der Unterbrechung von Geldflüssen und der Verpflichtung zur Rückzahlung fast jeden Verein in Bedrängnis bringen", sagte Fortuna Düsseldorfs Vorstandsvorsitzender Thomas Röttgermann der "Rheinischen Post": "Die Vereine können es dann alleine nicht stemmen."

Ist die Europameisterschaft gefährdet?

Ja. Denn bei einer längeren Pause ist der bisher anberaumte Termin vom 12. Juni nicht einzuhalten. Zumal bisher niemand weiß, ob die Situation in drei Monaten anders aussieht als heute. Wenn die Europameisterschaft verlegt würde, gäbe das der Bundesliga etwas Spielraum, um die freien Juni Termine für das Beenden der Saison zu nutzen. Ein Entschluss der Uefa zu der EM-Verschiebung wird am Dienstag erwartet, es erscheint ausgeschlossen, dass die Europameisterschaft im geplanten Zeitraum stattfinden kann. Darüber sind sich auch die Funktionäre weitestgehend einig.

"Das Wichtigste ist die nationale Liga", sagte Rudi Völler, Sport-Geschäftsführer des Bundesligisten Bayer Leverkusen, am Sonntag im "Doppelpass" von Sport1 und machte klar: "Der Rest steht hintendran." DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius sagte am Sonntag bereits, er "rechne fest mit einer Verlegung des Turniers." Alle Gedankengänge, die über eine Verschiebung der EM und die vorläufige Aussetzung der Klubwettbewerbe hinausgehen, wären angesichts der Entwicklungen jedenfalls hanebüchen. "Kein Mensch kann aktuell seriös voraussagen, wie lange uns das Thema Coronavirus noch beschäftigen wird", sagte auch Bayern Münchens mächtiger Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge: "Ich bin mir sicher, dass die Uefa mit Präsident Aleksander Ceferin an der Spitze eine seriöse und verantwortungsbewusste Entscheidung treffen wird."

Über allem, forderte der ehemalige Bundesliga-Funktionär Andreas Rettig im Aktuellen Sportstudio des ZDF, stehe jedoch das "Brot- und Buttergeschäft", also die nationalen Ligen. "Wir können nicht die Existenzgrundlage oder das Schwungrad des Fußballs riskieren, nur weil wir einen nachgelagerten Wettbewerb spielen wollen", sagte er. Ähnlich argumentierte Leverkusens Vorsitzender der Geschäftsführung, Fernando Carro, in der ARD-Sportschau. "Es ist die beste Lösung, im Sommer die nationalen Wettbewerbe zu Ende zu spielen"; sagte das Mitglied des Uefa-Komitees für Klub-Wettbewerbe: "Ich hoffe, dass die Entscheidung so kommt."

Was erwartet die Fans: Wird es weiter Geisterspiele geben?

Es ist derzeit eher unwahrscheinlich, dass bei der Fortsetzung der Bundesliga wieder wie gewohnt Fans in die Stadien gelassen werden. Wahrscheinlicher ist das Szenario, dass die Saison vorerst mit Geisterspielen weitergeführt, wahrscheinlich sogar zu Ende gebracht werden muss. Da ist sich zum Beispiel Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sicher. Auch wenn die fehlenden Ticketeinnahmen enorme wirtschaftliche Konsequenzen für die Vereine hätte, scheint das zunächst das geringere Übel, wenn es um die Frage geht: Fußball ohne Zuschauer oder gar kein Fußball mit der Konsequenz, dass viele Vereine wirtschaftliche Schlagseite bekämen?

Geisterspiele sind für Fortuna-Boss Röttgermann für den Fall einer Saisonfortsetzung keine Option: "Fußball ist nicht Fußball, wenn keine Zuschauer da sind. So beschädigen wir den Fußball." Auch Röttgermanns Kollege Fredi Bobic von Eintracht Frankfurt sieht das ähnlich: "In einer solchen Situation kann man keine Geisterspiele durchführen. Fakt ist: Sportler wollen Sport treiben. Wir wollen alle unsere Ligen zu Ende spielen. Wir alle aber sind auch Menschen mit Gefühlen, mit Sorgen um unsere Familien. Dass sich in einer solchen Situation junge Menschen nicht auf Sport konzentrieren können, muss jedem klar sein." Keiner in der Branche wisse, wie die Zukunft aussehe.

Die Fangemeinschaft "Unsere Kurve" hat vor einer schnellen Wiederaufnahme des Fußball-Spielbetriebs gewarnt und sieht Geisterspiele nicht einmal als Notlösung. Dies teilte die Interessensgemeinschaft am Montag mit. "Die Saison muss so lange unterbrochen werden, wie es gesamtgesellschaftlich notwendig ist. Es darf nicht sein, dass das öffentliche Leben stillgelegt wird, der Profifußball aber weiterhin mit allen Mitteln versucht, eine Scheinrealität aufrecht zu erhalten", hieß es in der Mitteilung. Geisterspiele seien "keine Alternative".

Mäzen Dietmar Hopp von der TSG 1899 Hoffenheim hat sich trotz der Coronavirus-Pandemie gegen eine Beendigung der aktuellen Bundesliga-Saison mit Geisterspielen ausgesprochen. "Die Saison kann man locker in vier Wochen durch englische Wochen im Juni noch ausspielen. Aber die Saison vor leeren Rängen fertig zu spielen, halte ich für lächerlich", sagte der 79-Jährige in einem Interview bei Sport1 (Montag). Derzeit ist die Bundesliga wegen des Virus unterbrochen, eine Verschiebung der Fußball-EM könnte den Vereinen zusätzliche Zeit bis Ende Juni bringen. Für Hopp ist klar, dass das paneuropäische Turnier in zwölf Ländern in diesem Sommer nicht gespielt werden kann. "Eine EM muss abgesagt werden, das Turnier könnte im nächsten Jahr gespielt werden. Das hätte den Vorteil, dass es keine Club-WM geben würde, dieses Turnier wäre sowieso nicht angebracht", erklärte der Milliardär.

Andere Bosse wie Hans-Joachim Watzke von Borussia Dortmund oder Bayerns Karl-Heinz Rummenigge hatten vor der Sitzung unter anderem auf die große finanzielle Bedeutung und sonst ausbleibende TV-Gelder nach dem 26. Spieltag hingewiesen. "Wenn wir in dieser Saison nochmal spielen, werden es Geisterspiele sein. Niemand in der Bundesliga geht noch davon aus, dass wir noch Spiele mit Zuschauern haben werden", sagte Watzke am Sonntag in einer Sonderausgabe der ARD-"Sportschau".

Will die Liga Geld von außen?

Watzke stellte klar, dass es ihm nicht darum gehe, bei zu erwartenden Einnahmeverlusten im Fall einer lang andauernden Spielpause, Hilfe vom Steuerzahler einzufordern. "Es schreit niemand aus dem Profigeschäft nach dem Staat", betonte Watzke. Große Vereine wie der FC Bayern München oder der BVB würden die Krise schon meistern, weil sie ein genügendes finanzielles Polster hätten. Auf kleine Vereine, vor allem im Amateurbereich könne die Krise jedoch fatale Auswirkungen haben. Selbst einen freiwillige Gehaltsverzicht von gut verdienenden Fußball-Profis schloss Watzke als solidarischen Beitrag nicht aus. "Das könnte ein Thema werden. Aber ich bin da nicht so zuversichtlich."

Eine klare Meinung hat Jörg Schmadte, Geschäftsführer des VfL Wolfsburg: "Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich die Vereine darum bitten, diesen Aspekt nicht aufzugreifen", sagte er im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", "das würde nämlich zu null Verständnis führen und einen Imageschaden mit sich bringen, der aus meiner Sicht nicht mehr reparabel erscheint."

Ein Solidarfonds der Bundesligisten könnte heute auch ein Thema sein, dass es zu einem Finanzausgleich zwischen den Großklubs und den kleineren Wettbewerbern dürfte allerdings kaum am Ende der DFL-Tagung stehen. "Am Ende können nicht die Klubs, die ein bisschen Polster angesetzt haben in den letzten Jahren, die Klubs, die das nicht getan haben, dafür auch noch belohnen", sagte Watzke. Zudem: Wenn eine Tranche des TV-Geldes zurückgezahlt werde müsse, zahlten Vereine wie der BVB, 2005 selbst vor dem Kollaps, und der damalige Helfer Bayern München "anteilsmäßig auch mehr zurück". Selbstverständlich, nachdem sie zuvor mehr bekommen haben.

Für die Vereine der 3. Liga, die unter dem Dach des DFB ausgetragen wird, hat der Verband "Hilfe bei der "Liquiditätssicherung" zugesagt.

Was beeinflusst die Saison noch?

Bei jeder Regelung wird der Zeitplan weiter verzerrt, nicht nur für die Bundesliga, auch für den europäischen Wettbewerb und die Europameisterschaft. Eine Verschiebung der Bundesligen auf das zweite Halbjahr ist unmöglich, weil das die Gestaltung vieler Profiverträge nicht erlaubt: Verträge, die zum Saisonende auslaufen, enden am 30. Juni. Hinzu kommt, dass derzeit immer mehr Spieler und auch ganze Mannschaften als Vorsichtsmaßnahme in Quarantäne versetzt werden. Wird das mehr, wird es nicht möglich, komplette Spieltage abzuhalten. "Ich denke, dass das die absolut richtige Entscheidung war", hatte Borussia Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl jüngst gesagt. "Wir bekommen ja mit, dass es nun schon einige infizierte Spieler in der Bundesliga und der 2. Liga gibt, die zur Absage einzelner Spiele geführt hätten. Da macht es im Sinne des Wettbewerbs mehr Sinn, den Spieltag komplett zu verschieben."

Und natürlich geht es um sehr viel Geld im Falle eines Saisonabbruchs: fehlende Ticketeinnahmen und Fernsehgelder und nicht einzuhaltende Sponsorenverträge setzen den Klubs der deutschen Profi-Ligen ernsthaft zu. Für einen Saisonabbruch selbst fehlt zudem jede rechtliche Grundlage. Außerdem geht es natürlich auch um die Fragen: Wer wird Meister? Wie werden Auf- und Absteiger ermittelt? Wer qualifiziert sich für die kommende Saison für die europäischen Ligen? Eine Regelung, wie diese Fragen im Falle eines Abbruchs der Saison beantwortet werden, sind in den DFL-Statuten nicht verankert.

Quelle: ntv.de, lgr/dpa

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