Fußball

Titelreife Tiefstapler BVB im Höhenrausch

Borussia Dortmund schreibt weiter an seinem Bundesliga-Märchen. Das Team von Jürgen Klopp besticht mit jugendlicher Spielfreude, kombiniert Talent optimal mit Einsatzwillen und hat in der Liga auch das Glück, das in Pokal und Europa League zuletzt fehlte.

Borussia Dortmund ist Tabellenführer und spielt auch wie einer.

Borussia Dortmund ist Tabellenführer und spielt auch wie einer.

(Foto: dapd)

Der schönste Fußball der Liga wurde am vergangenen Bundesliga-Wochenende in Hannover gespielt, nein zelebriert. Gastgeber 96 kam dabei allerdings nicht über den Rang eines Gastes hinaus beim Schauspiel, das Tabellenführer Borussia Dortmund aufführte. Mit spielerischer Leichtigkeit bestimmte der BVB die Partie, diktierte fast die gesamte Spielzeit über Tempo und Rhythmus, ließ 96 nicht zur Entfaltung kommen.

41 Minuten dauerte es, bis Hannovers erste Torchance notiert wurde - nachdem sich Didier Ya Konan den Ball mit der Hand vorgelegt hatte. Zu diesem Zeitpunkt führte Dortmund durch den unvergleichlichen Shinji Kagawa bereits 1:0 und hätte 2:0 führen müssen. Oder 3:0. 4:0 stand es schließlich, als die Partie nach 92 Minuten abgepfiffen wurde und die 10.000 euphorisierten Dortmunder Fans skandierten: "Deutscher Meister wird nur der BVB!"

Fernglas für Uli Hoeneß

Vier Punkte liegt der BVB nach dem besten Saisonstart der Vereinsgeschichte nun vor dem Tabellenzweiten FSV Mainz. Es ist schwierig geworden, eine Statistik zu finden, in der Jürgen Klopps junge Dortmunder nicht an der Spitze liegen: Die meisten Tore, die meisten Torschüsse, die meisten Großchancen, die größte Laufleistung, das torgefährlichste Mittelfeld, die meisten Zweikämpfe, natürlich auch die wenigsten Gegentore. In München hat Präsident Uli Hoeneß bereits das Fernglas abgestaubt, um die Dortmunder bei zwölf Punkten Rückstand nicht aus den Augen zu verlieren.

BVB-Trainer Jürgen Klopp mit Shinji Kagawa, einem seiner Musterschüler.

BVB-Trainer Jürgen Klopp mit Shinji Kagawa, einem seiner Musterschüler.

(Foto: REUTERS)

Das druckvolle Hochgeschwindigkeits-Kombinationsspiel des BVB lässt Spielanalysen und Nachberichte medienübergreifend zu Elogen geraten. Die Versuche, Shinji Kagawas Spielfreude, das Talent von Mario Götze oder die Gestaltungsfähigkeit von Nuri Sahins linkem Fuß zu beschreiben, lassen nur einen Schluss zu: Der Superlativ braucht eine Steigerungsform.

Spielfreude mit System

Nüchtern kommt in all den Lobreden allein die Feststellung daher, dass die Meisterschaft in diesem Jahr nur über den BVB führt. Nach den bisherigen Dortmunder Leistungen in der Liga ist sie ebenso zwingend wie logisch. Das von Klopp und Sportdirektor Michael Zorc seit 2008 geformte und kontinuierlich verstärkte Team vereint Talent mit Einsatzwillen, taktisches Verständnis mit technischer Finesse, Offensivpressing mit hochkonzentrierter Abwehrarbeit, jugendliche Spielfreude mit routinierter Souveränität - und gesundem Realitätssinn. Borussia Dortmund 2010 ist auch im Tiefstapeln titelreif.

Vier Punkte liegt der BVB inzwischen vor Mainz, zwölf vor dem FC Bayern.

Vier Punkte liegt der BVB inzwischen vor Mainz, zwölf vor dem FC Bayern.

(Foto: REUTERS)

"Wir sind bodenständige Westfalen. Wir träumen nicht und tun gut daran, unseren Weg knochentrocken weiterzugehen", kommentierte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke den komfortablen Umstand, dass sich sein Team im Gegensatz zu Pokal und Europa League in der Liga weiterhin kaum Schwächen erlaubt und aktuell keinen Anlass bietet, der einen Einbruch befürchten lässt. Das Lob überlässt er den Medien und der Konkurrenz. "Dieser BVB ist einer Spitzenmannschaft in jedem nur denkbaren Teilbereich absolut würdig", befand Hannovers Trainer Mirko Slomka nach der Vorführung im eigenen Stadion. Niemand widersprach.

Homogenes Spitzenteam

Lieber weitete BVB-Keeper Roman Weidenfeller das Lob selbstbewusst über die Startelf hinaus aus: "In Hannover haben wir auch wieder gezeigt, wie stark unsere Ersatzbank besetzt ist. Die Jungs machen da keinen Stunk, sondern schießen Tore." Die kurz zuvor eingewechselten Offensivkräfte Robert Lewandowski und Jakub Blaszczykowski hielten die Spielkultur nicht auf dem hohen Niveau, sie hoben sie mit den Treffern drei und vier sogar.

Mit Robert Lewandowski und Jakub Blaszczykowski stachen in Hannover gleich zwei BVB-Joker.

Mit Robert Lewandowski und Jakub Blaszczykowski stachen in Hannover gleich zwei BVB-Joker.

(Foto: dpa)

"Es ist eine gewisse Qualität, wenn du Leute reinbringen kannst, die in den meisten anderen Mannschaften der Liga von Anfang an spielen würden", stellt Watzke fest und ist sicher nicht böse, wenn das als Eigenlob für die geschickte, aber durchaus kostspielige Kaderzusammenstellung verstanden wird. Die jüngsten Vier-Millionen-Einkäufe Robert Lewandowski, Lucas Barrios, Mats Hummels und Neven Subotic waren für den noch immer klammen BVB anders als Shinji Kagawa keine Schnäppchen. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Nelson Valdez waren sie aber Volltreffer.

"Totalen Bock aufs Kicken"

Die letzte Dortmunder Mannschaft, die 2001/02 einen Titel gewann, war ein Millionenensemble, das sich die BVB-Spitze leisten wollte, sich der Verein aber nicht leisten konnte. Die aktuelle Mannschaft schafft Werte, auf dem Rasen, den Rängen, selbst auf dem Börsenparkett. Im Schatten der gefeierten Kagawas, Götzes und Hummels' liefern auch Spieler wie der 20-jährige Kehl-Ersatz Sven Bender oder Linksverteidiger Marcel Schmelzer reihenweise überdurchschnittliche Leistungen ab. Die in Kürze erwartete Rückkehr von Kapitän Sebastian Kehl und Patrick Owomoyela, zwei der wenigen Routiniers im Team, wird Qualität und Motivation der Mannschaft kaum senken.

"Bei uns haben alle totalen Bock aufs Kicken. Schon vor dem Spiel halten bei uns sieben, acht Spieler in der Kabine den Ball hoch", verriet Manndecker Hummels jüngst Interna aus der BVB-Kabine. Die wird bis Mittwoch verwaist sein, Klopp hat seinem Team nach den strapaziösen englischen Wochen und vor dem nächsten richtungsweisenden Spiel am Freitag gegen den Hamburger SV kurzerhand freigeben: "Diesen Luxus genießen wir jetzt einfach mal."

Quelle: ntv.de, mit dpa und sid

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