Fifa-Vizechef: Blatter hat bestochen Katar prüft rechtliche Schritte
30.05.2011, 17:54 Uhr
Jack Warner erhebt schwere Vorwürfe.
(Foto: REUTERS)
Im Fußball-Weltverband Fifa ist das Chaos komplett. Concacaf-Präsident Jack Warner sagt, der amtierende Fifa-Chef Sepp Blatter habe seinen Verband mit einer Million Dollar bestochen, Mohamed bin Hammam sei unschuldig. Der Fifa-Hauptzeuge Chuck Blazer ist dagegen von einer "Verschwörung" der beiden freigestellten Funktionäre überzeugt. Katar prüft rechtliche Schritte gegen den Weltverband.
Der suspendierte Fifa-Spitzenfunktionär Jack Warner bezichtigt Verbandspräsident Joseph S. Blatter der Bestechung. Der Präsident der Concacaf (Fußball-Verband für Nord- und Mittelamerika und die Karibik) behauptet in einer Presserklärung, Blatter habe Warners Verband auf dem Concacaf-Kongress "eine Spende von einer Million Dollar zur freien Verwendung" überreicht. Zudem habe Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke Katar der Bestechung bezichtigt, um bei der Vergabe der WM 2022 gewählt zu werden.
Auf den Protest des Uefa-Präsidenten Michel Platini, das Finanzkomitee habe keine Zustimmung für die Zahlung der Fifa an den Concacaf erteilt, soll Valcke laut Warner gesagt haben, er werde schon "Geld für Blatter finden". Blatter soll den Mitgliedern von Warners Verband zudem "Laptops und Projektoren" geschenkt haben. Inzwischen stellte Platini klar, seine Entrüstung gegenüber Blatter sei scherzhaft gemeint gewesen. Er verwies auf ein privates Präsidenten-Budget, mit dem Blatter "ein oder zwei Projekte" unterstützen könne. Erst im Nachhinein müsse das Exekutivkomitee zustimmen.
Vizepräsident gegen Präsident
Warner sagte: "Blatter muss gestoppt werden." Zudem sprach der Fifa-Vizepräsident Blatters Gegenspieler im Präsidentschaftswahlkampf, den ebenfalls suspendierten Katarer Mohamed bin Hammam, von aller Schuld frei. Die angeblichen Zahlungen an die Concacaf-Mitglieder, die Bin Hammam zum Verhängnis geworden waren, seien ausschließlich für Unterbringung und Flüge geleistet worden. Dies sei üblich, sagte Warner.
Das Ethik-Komitee, das Bin Hammam und ihn selbst suspendiert und Blatter von allen Vorwürfen freigesprochen hatte, bezeichnete Warner als "korruptes Gericht", dessen Mitglieder "von Blatter handverlesen" worden seien. Zudem legte Warner eine angeblich von Valcke versandte E-Mail vor, in der dieser behauptete, Katar habe die WM 2022 "gekauft".
Der Fifa-Generalsekretär bestätigte, eine solche Nachricht geschrieben zu haben. "Es war eine private Mail und wir werden darüber reden", erklärte Valcke. Er sei von Warner in einer Mail gebeten worden, den Präsidentschaftsanwärter Bin Hammam aufzufordern, von seiner Kandidatur zurückzutreten, so Valcke weiter.
Katar weist Vorwürfe zurück
Warner behauptet zudem, Valcke habe in einer Mail über den inzwischen ebenfalls suspendierten Bin Hammam gesagt: "Ich habe es nie verstanden, warum er kandidiert." Vielleicht habe Bin Hammam geglaubt, "dass man die FIFA kaufen könnte, so wie sie die WM gekauft haben", soll Valcke laut Warner geschrieben haben. Diese Anschuldigungen seien bekannt, erklärte Fifa-Mediendirektor Nicolas Maingot: "Wir prüfen das und gehen der Sache nach."
"Sie müssen Jérôme Valcke fragen, was er dabei gedacht hat", erklärte Bin Hammam, "wenn ich Geld für Katar bezahlt habe, müsste man auch die anderen 13 Menschen fragen, die für Katar gestimmt haben."
Der Verband wies alle Bestechungsvorwürfe im Zusammenhang mit der erfolgreichen Bewerbung um die Fußball-WM 2022 zurück. "Katar 2022 bestreitet jegliches Fehlverhalten", schrieb das Organisationskomitee in einer Stellungnahme. Die Katarer schließen auch rechtliche Schritte gegen die Fifa nicht aus.
"Eine Verschwörung von Anfang an"
Der Hauptbelastungszeuge in der Fifa-Korruptionsaffäre legte zuvor nach: Exekutivkomitee-Mitglied Chuck Blazer aus den USA warf Bin Hammam und Warner Bestechung "von Beginn" des Präsidentschafts-Wahlkampfs im Fußball-Weltvervand an vor. "Es war eine Verschwörung der beiden von Anfang an", sagte Blazer in einem Interview der Nachrichtenagentur AP.
Vorwürfe aus dem Lager bin Hamamms, der Skandal sei von Fifa-Präsident Joseph Blatter inszeniert worden, um dessen Wiederwahl am Mittwoch gegen Bin Hammam zu sichern, seien eine "absolute Dummheit". Blazer erwartet weitere Enthüllungen. Es habe auch andere Mitglieder der Karibischen Fußball-Union gegeben, die bestechlich gewesen seien.
Bin Hammam äußert sich per Blogeintrag
Bin Hammam kritisierte die Ethikkommission der Fifa wegen seiner vorläufigen Suspendierung. Der Spitzenfunktionär aus Katar schrieb in seinem Blog: "Ich bin sehr enttäuscht, wie der Stand des Verfahrens auf der Pressekonferenz dargestellt wurde. Ich erwarte, dass dies so weitergehen wird", schrieb er. "Das ist nicht das, was ich unter Fair Play verstehe. Ich behalte mir alle Rechte vor."
Der Katarer griff vor allem Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke an. "Ich hatte immer den Eindruck, dass die Ethikkommission ein absolut unabhängiges Gremium sei. Aber in der Pressekonferenz heute haben wir gesehen, dass der Generalsekretär verdeutlicht hat, dass er derjenige ist, der dieses Komitee beeinflusst", meinte der Präsident der asiatischen Fußball-Konföderation.
Blatter hat beste Chancen
Bin Hammam und Jack Warner sollen beim Treffen der Karibischen Fußball-Union am 10. und 11. Mai versucht haben, für die Wahl Bin Hammams zum Fifa-Präsidenten Stimmen zu kaufen. Der Katarer hatte in der Nacht zum Sonntag seine Kandidatur für die Wahl zum Fifa-Chef überraschend zurückgezogen.
Der ebenfalls zur Anhörung geladene amtierende Präsident Joseph Blatter blieb ohne Sanktion. Der 75-Jährige, der am Mittwoch beim Fifa-Kongress in Zürich für eine vierte Amtszeit als Chef des Fußball-Dachverbandes kandidiert und jetzt keinen Gegenkandidaten mehr hat, war von Bin Hammam beschuldigt worden, von dem Korruptionsvorwurf gewusst, ihn aber nicht angezeigt zu haben.
Blazer hatte mit Informationen an Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke den Stein ins Rollen gebracht. Valcke zeigte die möglichen Verfehlungen Bin Hammams bei den internen Ermittlern an.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa/sid