Jogi Löw simuliert den Ernstfall Das Kiewer Experiment
12.11.2011, 11:34 Uhr
Was passiert hier? Die Abwehr wirkte in der ersten Halbzeit zeitweise desorientiert.
(Foto: dpa)
Liegt die Zukunft der deutschen Fußball-Nationalelf in der Dreierabwehrkette? Nein, sicher nicht. Joachim Löw probiert sie beim 3:3 in Kiew gegen die Ukraine dennoch aus. Mit mäßigem Erfolg. Doch der Bundestrainer glaubt, dass eine Spitzenmannschaft den Systemwechsel beherrschen muss.
Er sei "absolut zufrieden", sagte Joachim Löw. Und damit es auch alle mitbekamen, sagte der Bundestrainer es mehrmals, sichtlich abgeneigt, sich sein Experiment schlecht reden zu lassen. War schließlich seine Idee. Oder wie Manager Oliver Bierhoff versprochen hatte: "Jogi wird sich wieder etwas Interessantes einfallen lassen und etwas Neues probieren."
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat sich in Kiew , nachdem sie zur Pause mit 1:3 zurückgelegen hatte. Und die Beobachter im mit knapp 70.000 Zuschauern fast ausverkauften Olympiastadion waren sich einig, dass das mit den drei Gegentoren gegen einen mittelmäßigen Gegner auch daran lag, dass die DFB-Elf in äußerst ungewohnter Formation auflief. Jogi Löws Mannschaft spielte in einem 3-4-2-1-System statt im erfolgreichen 4-2-3-1 oder 4-1-4-1. Aber was genau heißt das?
Proben für den Ernstfall

Jogi Löw kann eigentlich nicht gemocht haben, was er in Kiew sah.
(Foto: dpa)
Die Abwehrreihe bildeten in Kiew drei spielstarke Innenverteidiger, der Münchner Holger Badstuber in der Mitte, rechts sein Vereinskollege Jerome Boateng und links der Dortmunder Mats Hummels. Davor agierte eine Vierkette mit Toni Kroos vom FC Bayern und Sami Khedira von Real Madrid in der Zentrale sowie dem Wolfsburger Christian Träsch auf der rechten und dem Hamburger Dennis Aogo auf der linken Seite im Mittelfeld. Hinter der einzigen Spitze, dem Teilzeit-Kapitän Mario Gomez aus München, kamen der Madrilene Mesut Özil und der Dortmunder Mario Götze zum Einsatz. Nur, warum das Ganze?
Joachim Löw hatte im Hinblick auf die Europameisterschaft im kommenden Jahr in Polen und der Ukraine angekündigt: "Wir dürfen nicht den Fehler machen und uns auf der guten EM-Qualifikation ausruhen. Wir müssen weiter hart arbeiten und das System verfeinern." Hinterher erläuterte er noch einmal, was er damit meint. "Wir haben die Dreierkette geprobt für den Fall, dass wir mal zurückliegen. Wir wollen uns entwickeln, unberechenbar sein."
So interpretiert geht es hier nicht um eine Systemänderung, sondern darum, die Mannschaft taktisch zu schulen in der Hoffnung, dass sie lernt, bei einem Rückstand innerhalb eines Spiels flexibel zu reagieren. Das sollte dann klappen, sagt der Bundestrainer, ohne dass es allzu viele Fragen gebe. "Eine gute Mannschaft muss das können."
"Das hat mit der Dreierkette nichts zu tun"
Funktioniert hat das gegen die Ukraine nur bedingt, drei Gegentore können nicht der Plan gewesen sein. So räumte der Bundestrainer auch ein, dass "wir sicherlich Fehler gemacht haben". Allerdings seien zwei der Tore per Konter nach Eckbällen für die DFB-Elf gefallen, der dritte ukrainische Treffer war ein Schuss aus 30 Metern. "Das hat mit der Dreierkette nichts zu tun." Der Vorteil des Kiewer Experiments ist, dass so möglichst viele offensive Spieler in einer Mannschaft wirken können. Der Nachteil aber dennoch, dass es für eine Dreierkette schwer ist, die ganze Breite des Platzes zu verteidigen - besonders eben bei Kontern.
Ein Risiko, das Joachim Löw offenbar bereit ist einzugehen. Zumindest in einem Testspiel gegen die Ukraine. Denn am Dienstag in Hamburg gegen die Niederlande, ihres Zeichens Zweite der vergangenen Weltmeisterschaft, wird die Welt schon wieder anders aussehen. "Da wird es keine Dreierkette geben." Gegen eine Spitzenmannschaft hält es der Bundestrainer dann doch lieber mit Konrad Adenauer: "Keine Experimente."
Ukraine - Deutschland 3:3 (3:1)
Tore: 1:0 Jarmolenko (28.), 2:0 Konopljanka (36.), 2:1 Kroos (38.), 3:1 Nasarenko (45.), 3:2 Rolfes (65.), 3:3 Müller (77.)
Ukraine: Rybka - Butko, Rakyzkij, Kucher, Selin - Konopljanka, Timoschtschuk, Jarmolenko (82. Alijew) - Besus (41. Nasarenko) - Schewtschenko (67. Gai), Milewskij (66. Devic)
Deutschland: Zieler - Boateng, Badstuber, Hummels - Träsch (46. Schürrle), Khedira (46. Rolfes), T. Kroos (87. L. Bender), Aogo - Götze (66. Müller), Özil (66. Podolski) - Gomez (83. Cacau)
Zuschauer: 69.720 - Schiedsrichter: Carballo (Spanien)
Quelle: ntv.de