Bilanz des Fan-Kongresses in Berlin "Vom DFB hätte ich mehr erwartet"
15.01.2012, 17:05 UhrNach fünf Jahren fand in Berlin am Wochenende wieder ein Kongress von Fußballfans statt. Organisiert wurde das Treffen vom deutschlandweit agierenden Projekt "Pro Fans", in dem auch Philipp Markhardt engagiert ist. Sein Fazit fällt trotz der großen Resonanz mit fast 600 Teilnehmern durchwachsen aus, zu wenige offizielle Verbands- und Vereinsvertreter fanden den Weg ins Kino Kosmos. Das nicht vorhandene Interesse vieler Klubs an Fananliegen nennt Markhardt "erschreckend". Dennoch sieht er die Chance, dass der Kongress der Startschuss für einen konstruktiven Dialog zwischen Fans und Offiziellen sein kann.

Philipp Markhardt, 31, ist Fan des Hamburger SV und im Projekt "Pro Fans" engagiert.
(Foto: HSV)
n-tv.de: Herr Markhardt, Sie haben mit dem Netzwerk "Pro Fans" den Fan-Kongress in Berlin mitorganisiert. Was war der Anlass für das erste Fantreffen seit 2007?
Philipp Markhardt: Den Ausschlag hat der Stillstand im Dialog zwischen Fans und Verbänden gegeben. Um genau zu sein, ein wirklicher Dialog war das eigentlich nicht. Daher sind die Fanorganisationen aus der nach dem Fankongress 2007 gegründeten AG Fandialog auch ausgetreten. Und deshalb wurde in Berlin im letzten Jahr von mehr als 6.000 Fans demonstriert. Der Kongress war der nächste logische Schritt.
Mit Hannovers Präsident Martin Kind, DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus und dem DFB-Sicherheitsbeauftragten Hendrik Große Lefert zählten auch hochrangige Funktionäre zu den Teilnehmern. Sind Sie mit der Resonanz zufrieden?
Von Seiten der Fans, Medien und Wissenschaftler auf jeden Fall. 600 Gäste waren auch ungefähr das, wofür die Kapazität gerade noch gereicht hat. Den Vereinsverantwortlichen steht es natürlich frei, wie sie ihre Wochenenden verbringen. Das nicht vorhandene Interesse an Fananliegen ist aber erschreckend. Vom DFB hätte ich etwas mehr erwartet. Auch den Leiter der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) hatten wir eingeladen. Er konnte dann aus dienstlichen Gründen leider nicht teilnehmen, wie uns sein direkter Vorgesetzter schrieb. Das ist natürlich erstaunlich, wo doch die Polizei stets den Unwillen der Ultras und Fans zur Kommunikation bemängelt.
Der Kongress diente auch als Plattform für den internen Austausch der Fans. Wie wichtig ist es für die Anhänger, sich auch mit Problemen und Themen von anderen Vereinen zu beschäftigen, etwa bei steigenden Ticketpreisen?
Sehr wichtig, denn das kann jeden treffen. Verhältnisse wie in England oder Spanien möchten wir hier auf keinen Fall erleben. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Spirale sich auch in Deutschland bereits ordentlich dreht. Die Preiserhöhungen können jedenfalls nicht mehr mit der Inflationsrate begründet werden.
Das Image von Fußballfans hat in den letzten Monaten durch Pyrotechnik und Randale stark gelitten. Kann ein solcher Kongress das öffentliche Bild von Fußballfans da positiv beeinflussen?
Mit Sicherheit kann er dazu beitragen. Es gibt sich allerdings keiner der Illusion hin, dass dies länger als bis zum nächsten, vielleicht nur geringfügigen Vorfall anhalten wird. Denn dann bestimmen wieder Ausdrücke wie "so genannte Fans" und "Chaoten" die Medien und somit die Öffentlichkeit.
Stichwort Medien. Im ZDF-Sportstudio gab es anlässlich des Fan-Kongresses eine öffentliche Diskussionsrunde über Pyrotechnik im Stadion mit Fanvertretern und Offiziellen. Kann dieses Wochenende als Startschuss gesehen werden, der Offizielle und Fans wieder näher zusammenrücken lässt?
Das bleibt abzuwarten. Ich kann mir allerdings beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Verbände erneut eine große Chance verstreichen lassen wollen.
Mit Philipp Markhardt sprach Tim Gräsing
Quelle: ntv.de