Wandel durch Annäherung im Fußball Fankongress setzt erste Impulse
15.01.2012, 19:07 Uhr
Mehr als 500 Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, in Berlin aktuelle Problemthemen zu diskutieren und Lösungsansätze zu suchen.
(Foto: dpa)
Fußballfans sorgen für Stimmung in den Stadien. Sie stehen in den Kurven, unterstützen ihre Vereine. Sie repräsentieren das, was Fußball ausmacht. Und trotzdem: Ihr öffentliches Image hat zuletzt stark gelitten. Warum das so ist und wie sich das ändern lässt, wurde auf dem Fankongress in Berlin diskutiert.
Es waren unerfreuliche Ereignisse, die in den letzten Monaten das Bild der Fanszene im deutschen Fußball bestimmten. Der vermehrte Einsatz von Pyrotechnik, schwere Ausschreitungen wie beim Pokalspiel in Dortmund, die drakonische Strafe für Dynamo Dresden, teils hysterische Medienberichte und warnende Statements von DFB, DFL und Polizei – all das konnte zumindest bei flüchtigen Beobachtern einen fatalen Eindruck entstehen lassen: Der Besuch von Fußballstadien ist nicht mehr sicher.
Eine Fehleinschätzung, wie Fanvereinigungen betonen. Ihre Bereitschaft zu konstruktiven Diskussion untereinander und mit den Verbänden sollte der wiederbelebte Fan-Kongress signalisieren, der am Wochenende nach fünfjährige Pause in Berlin stattfand. Mehr als 500 Teilnehmer von Ultra-Gruppierungen, Fanklubs und Fanmedien nahmen im ehemaligen Kino Kosmos an Workshops, Vorträgen und Diskussionsrunden teil. Sie trugen mitunter sarkastische Titel wie "Wir waren beim Fußball und haben es überlebt". Vertreter der Polizei waren in Berlin nicht dabei. Auch vom DFB hätte er etwas mehr Engagement erwartet, sagte Mitorganisator Philipp Markhardt vom Projekt "Pro Fans" gegenüber n-tv.de. Das geringe Interesse vieler Vereine an Fananliegen nannte Markhardt "erschreckend".
Pyrotechnik bleibt verboten
Kontrovers diskutiert wurde in Berlin das Thema Pyrotechnik, das zu Unrecht oft mit Gewalt gleichgesetzt wird. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball-Liga (DFL) bekräftigten dennoch ihre ablehnende Haltung, das Abbrennen von Feuerwerk bleibt in Fußballstadien verboten. "Wir haben das Thema hier natürlich vernommen, auch die Sicht der Fans. Wir müssen erst einmal sehen, wie wir damit umgehen", sagte DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus, der die konstruktive Atmosphäre lobte: "Ich begrüße den respektvollen Umgang auf dieser Veranstaltung, ungeachtet der verschiedenen Standpunkte."
Auf dem Programm standen auch Punkte wie "Möglichkeiten der Mitsprache von Fans in ihrem Verein" oder die "Die Veränderung in der Fankultur". Genauso wichtig bleibt den Fans das Thema der Preispolitik in Bezug auf Eintrittskarten. "Wir brauchen nicht über das Legalisieren von Pyro zu sprechen, wenn sich in zehn Jahren sowieso kein Fan mehr die überteuerten Eintrittspreise leisten kann", betonte Christian Schöler. Er ist Mitbegründer der Initiative "Kein Zwanni – Fußball muss bezahlbar sein", in der sich verschiedene Fanszenen für geringere Ticketpreise einsetzen.
Keine Lösungen, aber Ansätze
Der Fankongress bot den Anhängern eine Plattform zum Meinungsaustausch und offenen Diskussionen, vor allem untereinander. Die Anhänger begrüßten es aber auch, dass Martin Kind, Präsident von Hannover 96, nach Berlin gekommen war. Er sprach zur 50+1 Regel, die im August 2011 auf sein Drängen gelockert worden war und nun theoretisch auch die Übernahme eines Vereins durch Investoren erlaubt.
Kind stellte sich im Anschluss an seinen Vortrag den kritischen Fragen der Anhänger und konstatierte: "50+1 bleibt erhalten, das ist wichtig für den DFB und die DFL. Durch die Erweiterung haben wir mehr Handlungsoptionen erreicht und können damit den nächsten Schritt einer Entwicklung einleiten." Er erkannte aber auch die Gefahren und Ängste vieler Fans an, die durch die Einbindung von Investoren langfristig englische oder spanische Verhältnisse in der Bundesliga fürchten.
Konkrete Ergebnisse wurden in Berlin nicht erwartet und erzielt. In vielen Punkten konnte aber zumindest unter den Fans ein gemeinsamer Konsens gefunden werden. Nun müssen die konstruktiven Ansatzpunkte von den Kongress-Teilnehmern in die Vereine getragen werden. Die Gesprächsbereitschaft auf Seiten von Fans und Offiziellen ist vorhanden, auch wenn der öffentliche Eindruck in den letzten Monaten ein anderer war.
Quelle: ntv.de