"Die Moral muss warten" Tévez wird vom Schurken zum Helden
22.03.2012, 14:20 Uhr
Das Comeback von Carlos Tevez im Trikot von Manchester City zählt zu den kurioseren Geschichten, die die Premier League geschrieben hat.
(Foto: REUTERS)
Er sollte nie wieder für Manchester City spielen. Doch nach dem 2:1 gegen den FC Chelsea, an dem Carlos Tévez maßgeblich beteiligt ist, lässt er City wieder auf den ersten Meistertitel seit 44 Jahren hoffen - und sich selbst auf die Wiederherstellung seines unrettbar ruinierten Rufes. "Kotztüten" werden in Manchester vorerst nicht gebraucht.
Arbeitsverweigerung, Wechselabsichten, monatelanger Streit mit dem Arbeitgeber - all das war für einen Moment vergessen, als Carlos Tévez endlich wieder das tat, war er am besten kann. Mit seiner Vorlage zum 2:1 (0:0)-Siegtor für den englischen Fußball-Spitzenklub Manchester City gegen den FC Chelsea schrieb der argentinische Nationalspieler eine der unglaublichsten Geschichten der Premier-League-Saison. Denn eigentlich sollte Tévez wegen der Dauerfehde mit Teammanager Roberto Mancini längst vom Hof gejagt worden sein.
"Nie wieder" werde Tévez unter ihm für City spielen, hatte Mancini vor rund sechs Monaten gesagt, nachdem Tévez sich beim Champions-League-Spiel bei Bayern München im September geweigert haben soll, eingewechselt zu werden. Es folgte eine monatelange Schlammschlacht mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Tévez wurde von City zu mehreren Geldstrafen in sechsstelliger Höhe verurteilt, die Trennung im Winter scheiterte dennoch. Und nun, fünf Monate und 23 Tage nach der "Nacht der Schande" von München, und nun das! "Tev ist der Held!", titelte das Boulevardblatt "Sun" nach der siegbringenden Vorarbeit des Rückkehrers.
Die Arschbacken zusammengekniffen
Manchester lag nach einem Treffer von Gary Cahill (60.) mit 0:1 zurück, als Mancini sich entschied, dass "die Moral warten muss", wie der Independent die Einwechslung von Tévez kommentierte. Der "verlorene Sohn" war vor dem Spiel von den City-Fans mit Applaus, aber auch einigen Buh-Rufen empfangen worden. Als er ins Spiel kam (66.), wiederholte sich dieses Szenario. ManCity drohte zu diesem Zeitpunkt ein schwerer Rückschlag im Titelkampf mit Lokalrivale United, das nun nur noch einen Punkt Vorsprung hat. Er habe gespürt, dass es jetzt an der Zeit sei, "die Arschbacken zusammenzukneifen", sagte Mancini nachher in Anlehnung an ein berühmtes Zitat seines Widersachers Alex Ferguson. Also brachte er Tévez.
Dessen Landsmann Sergio Agüero glich aus (78., Handelfmeter), ehe Samir Nasri (85.) nach Doppelpass mit Tévez für die Entscheidung sorgte. "Carlos hat seine Sache gut gemacht, ich bin glücklich, dass er wieder für uns spielt", sagte Mancini. Tévez' Pass lobte er als "unglaublich.
Carlos wird noch besser werden, noch ist er nicht wieder bei 100 Prozent. Aber wenn er spielt, weiß er, wohin er den Ball spielen muss." Tévez könne im Endspurt noch "wichtig" werden für City in den letzten neun Spielen. Und die Animositäten? "Die waren bereits vor einem Monat ausgeräumt, als Carlos zurückkam", behauptete Mancini. Tévez könnte für das zuletzt schwächelnde City tatsächlich der Mosaikstein sein, der in den vergangenen Spielen fehlte. Speziell im Offensivspiel haperte es da. Der ewig launige Mario Balotelli spielte ebensowenig konstant auf hohem Niveau wie der frühere Wolfsburger Edin Dzeko, Agüero, Nasri oder David Silva. Das zeigte sich auch am Mittwoch, der Guardian attestierte "besorgniserregende Verbindungsstörungen zwischen Gehirnen und himmelblauen Füßen". Und so meinte nicht nur Nasri, dass es "großartig ist, dass Carlos wieder bei uns ist. Er hat großartigen Spirit gezeigt, seit er zurück ist."
Kotztüten wurden nicht gebraucht
Die englische Presse tat sich nach dem 20. Heimsieg der Citizens in Serie (Rekord) schwer, Tévez unvoreingenommen zu huldigen. "Verblüffend, was man doch erreichen kann, wenn man sich bereit erklärt, sich ein bisschen warm und seinen Job zu machen", spöttelte die "Sun". Die "Daily Mail" sah zwar "die schönste aller Welten" für Manchester, war aber froh, dass Tévez das 2:1 nicht selbst erzielt hatte. Dann nämlich, befand das Blatt, hätten einige im Ettihad-Stadion "zu den Kotztüten gegriffen". Wahrer Sieger sei Mancini, der sich im Unterschied zu Tévez die ganze Zeit über "erwachsen benommen" habe. Das sahen auch die Fans so, die Mancinis Namen sangen, als dieser Tévez brachte. "Nach dieser Nacht kann sich das Blatt wenden", sagte Mancini. Er sprach vom Titelkampf. Doch dieser Satz hätte auch für Carlos Tévez gepasst.
Quelle: ntv.de, sid