Redelings Nachspielzeit

SEK-Einsatz wegen Rehhagel Das schlimmste Foul der Bundesliga

Schwer gezeichnet liegt Ewald Lienen am Boden.

Schwer gezeichnet liegt Ewald Lienen am Boden.

(Foto: imago/Sven Simon)

Vor 40 Jahren hält Fußball-Deutschland den Atem an - und die Augen zu. Die Bilder des geschockten Ewald Lienens, der voller Unglaube seinen verletzten Oberschenkel betrachtet, gehen unter die Haut und haben ein böses Nachspiel - für Werder-Trainer Otto Rehhagel.

Am 14. August 1981 ging ein Bild um die Welt. Bielefelds Bundesligaprofi Ewald Lienen lag am Boden und schaute völlig fassungslos auf seinen aufgeschlitzten Oberschenkel. Unmittelbar danach rief er mit wutverzerrtem Gesicht dem gegnerischen Trainer Otto Rehhagel zu: "Du bist daran schuld, du kriegst von mir eine Anzeige!"

Der Werder-Coach, meinte der geschockte Lienen, soll kurz vor dem Foul seinen Spieler Norbert Siegmann mehrfach vehement dazu aufgefordert haben, "härter draufzugehen". Und tatsächlich: Als Lienen mal wieder auf der Außenbahn enteilen wollte, sprang der Werder-Profi mit ausgestrecktem Bein auf den Arminen zu - und traf ihn mit seinen spitzen Stollen seitlich am rechten Oberschenkel. Die Bilder vom weißen Muskel, der aus der klaffenden, knapp 30 Zentimeter langen Wunde herausschaute, und dem völlig entsetzten Ewald Lienen, der seinen eigenen Augen, wie Millionen Zuschauer der "Sportschau" später an diesem Abend, nicht trauen wollte, sind den Fußballfans bis heute präsent geblieben.

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Unglaublich, aber wahr: Der rabiate Norbert Siegmann bekam für sein überhartes Einsteigen mit direkter Verletzungsfolge nur eine Gelbe Karte von Schiedsrichter Medardus Luca präsentiert. Vielleicht hatte sich der Schiri aber auch von Lienens erstem Handeln im Affekt irritieren lassen. Denn der Bielefelder war mit seiner klaffenden Wunde tatsächlich aufgesprungen und hatte - völlig außer sich - erst Siegmann und dann Otto Rehhagel beschimpft. Erst danach war er wieder zu Boden gegangen, bevor er schließlich auf einer Trage mit bandagiertem Oberschenkel vom Platz transportiert wurde.

Morddrohungen gegen Rehhagel

Und Lienen hielt Wort. Noch im Krankenhaus liegend beauftragte er einen Anwalt, der über die DFB-Sportgerichtsbarkeit hinaus eine Klage wegen "vorsätzlicher Körperverletzung" anstrengen sollte. Der Gang vors Gericht blieb schlussendlich allerdings erfolglos. Eine Enttäuschung nicht nur für den Bielefelder. Doch bei allem Ernst der Lage: Lienen lacht noch heute über den damaligen Sitz des Werder-Anwalts in Bremen. Der residierte doch tatsächlich in der Knochenhauerstraße 14.

Beim Rückspiel auf der Alm war schließlich das Polizeiaufgebot etwa viermal so groß wie sonst üblich - und Gästetrainer Otto Rehhagel wurde zu seiner eigenen Sicherheit nicht nur mit einer kugelsicheren Weste ausgestattet, sondern auch von Bodyguards des SEK aufs Spielfeld begleitet. Die speziellen Sicherheitsvorkehrungen waren in der Tat nicht aus der Luft gegriffen. "So wahr ich lebe, wenn ich den Siegmann im Stadion erwische, schlage ich ihn tot", hatte zuvor ein Mann auf der Bielefelder Geschäftsstelle gesagt und ein anderer bei der Zeitung "Neue Westfälische" in der Lokalredaktion angerufen und in den Hörer geschrien: "Um 16 Uhr wird Rehhagel erschossen!"

Doch der Werder-Coach war sich der besonderen Situation durchaus bewusst und ließ Norbert Siegmann vorsorglich lieber gleich in Bremen. Und seine Mannschaft ermahnte Rehhagel, in jeder Situation Ruhe zu bewahren und betont zurückhaltend zu agieren: "Entschuldigt euch bei euren Gegenspielern, selbst wenn ihr denen mal unabsichtlich auf die Füße tretet." Es klappte. Die Partie verlief ohne besondere Vorkommnisse.

"Im weißen Gewand über den Platz"
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Doch der Fall Lienen hatte Auswirkungen auf die gesamte Liga. Beim ersten Spiel nach seiner Verletzungsaffäre wollte der gegnerische Trainer Karl-Heinz Feldkamp im Spiel seiner Lauterer gegen die Arminia alles richtig machen: "Im Grunde genommen hätte ich jeden Mann gegen Lienen stellen können, aber bei dem erfahrenen Briegel war mir das Risiko am geringsten, dass nur irgendetwas passiert. Braver, als er gegen Lienen gespielt hat, geht es nun wirklich nicht mehr."

Doch schon bald ging selbst Ewald Lienens Mannschaftskameraden die übermäßige Schonung ihres Mitspielers auf den Geist. So meinte Kees Bregman: "Der soll nicht glauben, er kann nur noch beten und in einem weißen Gewand über den Platz laufen." Und auch Ewald Lienen meint im Rückblick, dass vor allem die schrecklichen Bilder des aufgeschlitzten Oberschenkels die Emotionen damals hochkochen ließen. Denn die Verletzung an sich war eher harmloser Natur. Genau vier Wochen nach dem spektakulärsten Foul der Bundesligageschichte stand der Bielefelder bei der Begegnung auf dem Lauterer Betzenberg bereits wieder auf dem Platz.

Quelle: ntv.de

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