Redelings Nachspielzeit

Beckenbauers letztes Spiel Der Abschied "ist für mich wie Sterben"

Drei Legenden unter sich: Fritz Walter, Franz Beckenbauer und Uwe Seeler.

Drei Legenden unter sich: Fritz Walter, Franz Beckenbauer und Uwe Seeler.

(Foto: imago/Sven Simon)

Vor vierzig Jahren bestreitet Franz Beckenbauer für den Hamburger SV sein letztes Bundesligaspiel. Die Verabschiedung des legendären Jahrhundertspielers wird zu einer emotionalen Reise in die Vergangenheit. Ein Ende, das Platz macht für neue Triumphe.

"Die Vorstellung davon ist für mich wie Sterben. Schlimmer noch: Du bist tot und musst als Fremder, als ein anderer weiterleben. Wenn ich an meinen Abschied denke, habe ich Angst vor der Leere." Als Franz Beckenbauer diese Worte sagte, war er gerade einmal 26 Jahre alt geworden. Er war schon der "Kaiser" und der Held des deutschen Fußballs - doch noch standen die ganz großen Titel mit der Nationalmannschaft und dem FC Bayern München vor der Tür. Als er zehn Jahre später, am 29. Mai 1982, beim 3:3 gegen den Karlsruher SC nach 41 Minuten für seinen jungen Mannschaftskameraden beim Hamburger SV, Thomas von Heesen, das Feld verließ, war er endgültig zum Superstar des internationalen Fußballs gereift - und wusste bereits genau, wie es nun für ihn nach seinem Abschied weitergehen sollte: "Dem Fußball bleibe ich auf alle Fälle verbunden. Und genug zu tun gibt's für mich auch sonst noch." Eine durchaus weise Vorausschau auf sein weiteres Leben.

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Zwei Jahre zuvor war Beckenbauer nach seinem Abenteuer bei Cosmos New York noch einmal in die Bundesliga zurückgekehrt. Er sollte für den Hamburger SV auflaufen - doch einer war damals so ganz und gar nicht begeistert von diesem Plan. Die überlieferte Reaktion von Beckenbauers Manager Robert Schwan, als ihm der Ex-Nationalspieler verkündete, er möchte gerne wieder zurück nach Deutschland, lautete: "Franz, du spinnst!" Doch die Fans freuten sich. Beckenbauer wurde beim ersten Training von 5000 Kiebitzen empfangen. Und Mitspieler Manni Kaltz war tief beeindruckt vom Auflauf der Zaungucker: "Sonst gehen sie zu dieser Zeit immer zu Hagenbeck!" Nun aber hieß es "Kaiser" schauen statt Zoobesuch.

Doch das Engagement Beckenbauers beim Hamburger SV kostete natürlich eine Stange Geld. Und so schoss der HSV-Sponsor einen großen Teil des Gehalts bei. Beckenbauers Gegenleistung: Bis zu acht Tage im Monat stand er für Jugendaktionen zur Verfügung. Das schlauchte - und hatte er so nicht erwartet. Denn eigentlich wollte er sich nach den intensiven Jahren - vor allem auch abseits des Platzes - in den USA wieder komplett auf das Sportliche konzentrieren. Doch daraus wurde nichts. Vielmehr wurde der öffentliche Druck immer heftiger - bis sich Beckenbauer sogar Journalisten gegenüber öffnete und von seinen (Alb-)Träumen erzählte: "Ich liege im Bett, sehe eine unendlich tiefe Wasserfläche vor mir und während ich von einem rettenden Stein zum nächsten springe, verfolgen mich Schlangen." Einer der seltenen Einblicke in das Seelenleben des Franz Beckenbauer, der nicht nur tief blicken lässt, sondern auch konträr zu seiner ansonsten so authentisch gelebten Leichtigkeit des Seins stand.

"Leck mich doch am Arsch, der Beckenbauer!"

Wie genau der Medienrummel und das Interesse der Menschen damals aussah, verdeutlichen zwei Zitate nach seinem Debüt, das er bei der 3:2-Niederlage in Stuttgart am 14. Spieltag der Saison 1980/81 feierte. Die Nachrichtenagentur Reuters tickerte damals: "Am Tag, als der Papst nach Deutschland kam, kehrte der Kaiser in die Bundesliga zurück!" Und Beckenbauer selbst meinte nach seinem ersten Spiel: "Als ich die Pfiffe hörte, da wusste ich, ich bin daheim." Die heutige Generation kann sich nicht einmal mehr annähernd vorstellen, welchen medialen Stellenwert der Ehrenspielführer der Nationalmannschaft in diesen Zeiten in Deutschland hatte. Es gab damals sogar eine Art von "Wunderheiler"-Geschichten, die man sich über Franz Beckenbauer erzählte. So soll beispielsweise eines Tages der Vater von Beckenbauers damaliger Lebensgefährtin Diane Sandmann im Krankenhaus gelegen haben. Neben ihm stand noch ein Bett mit einem Koma-Patienten drin. Überliefert ist folgende Szene: Beckenbauer spricht gerade die ersten Worte mit Dianes Vater, als plötzlich im Bett nebenan der Koma-Patient erwacht, sich senkrecht aufrichtet und sagt: "Leck mich doch am Arsch, der Beckenbauer!"

Zum Autor
  • Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
  • Sein aktuelles Buch "60 Jahre Bundesliga. Das Jubiläumsalbum" ist ein moderner Klassiker aus dem Verlag "Die Werkstatt"

  • Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.

Für den Hamburger SV sollte der "Kaiser" - von vielen Verletzungen geplagt - am Ende nur noch in 28 Partien zum Einsatz kommen. Insgesamt lief er in 424 Bundesligaspielen für die Bayern und den HSV auf den Platz und erzielte insgesamt 44 Tore. Er sei "froh, dass jetzt bald alles vorbei" sei, hatte er den Journalisten vor seinem letzten Spiel noch in die Blöcke diktiert, denn "körperlich fühle" er sich "insgesamt recht fit", aber er sei "müde im Kopf". Damals ahnte noch niemand, dass er Anfang 1983 noch einmal für eine Spielzeit in die USA zu Cosmos zurückkehren sollte. Denn erst einmal sagte der "Kaiser" drei Tage nach seiner letzten Begegnung in der Bundesliga mit einem Abschiedsspiel des HSV gegen die deutsche Nationalmannschaft "Servus". Für ihn gehe mit dieser letzten Partie "ein Traum in Erfüllung, wie ihn junge Mädchen oft von einer weißen Hochzeit haben", verkündete Beckenbauer, ohne auch nur annähernd zu erahnen, dass der Fußball in den Jahren danach noch viele schöne (Märchen-)Stunden für ihn parat halten sollte.

Quelle: ntv.de

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