Redelings Nachspielzeit

"Sogar Gott ist traurig!" Der selbstbewussteste Fußballer aller Zeiten verlässt die Bühne

Zlatan Ibrahimovic ist als Fußballprofi eine Legende, nun ist er auch Geschichte.

Zlatan Ibrahimovic ist als Fußballprofi eine Legende, nun ist er auch Geschichte.

(Foto: IMAGO/Shutterstock)

Unter Tränen hat der schwedische Ausnahmefußballer Zlatan Ibrahimovic gestern Abend in Mailand seinen Rücktritt verkündet. Mit 41 Jahren beendet einer der schillerndsten Superstars des europäischen Fußballs endgültig seine Karriere. Doch seine einzigartigen Sprüche und Geschichten werden noch lange bleiben!

"Heute hat es geregnet, ich dachte: 'Sogar Gott ist traurig'." Zlatan Ibrahimovic hat sich gestern Abend gewohnt vollmundig-poetisch, aber auch mit einer großen Prise Wehmut in den Ruhestand als Ausnahmefußballer verabschiedet. Es sind bewegende Tage und Wochen für den europäischen Fußball. Prägende Superstars einer ganzen Generation verlassen nach und nach die heimischen Fußballbühnen.

Mit dem Wechsel von Cristiano Ronaldo Anfang Januar dieses Jahres zum saudi-arabischen Erstligisten al-Nassr FC fing es an - und nun werden ihm wohl in den nächsten Tagen Spieler wie Lionel Messi, Karim Benzema oder auch Sergio Ramos folgen. Was Zlatan Ibrahimovic von all diesen Spielern unterscheidet: Der Schwede hängt seine Fußballstiefel mit 41 Jahren nun endgültig an den Nagel.

"Da veränderte sich der Fußball für mich"

Einer der Gründe für seinen Abschied: Zlatan Ibrahimovic vermisst seinen verstorbenen Berater Mino Raiola: "Als Mino uns verlassen hat, veränderte sich der Fußball für mich. Es war nicht mehr dasselbe, denn ich war allein, ich hatte niemanden an meiner Seite, mit dem ich über meine Dinge reden konnte. Nicht nur über Fußball." Wie sehr Ibrahimovic sein langjähriger Berater fehlt, hat er anlässlich seines Todes im April vor einem Jahr gesagt: "Mino ist viel mehr als ein Manager, er ist ein Freund, ein Bruder, ein Vater, alles." Für den selbstbewussten, aber immer auch impulsiven Ibrahimovic war Raiola eine Art Kompass: "Er gab den Kurs meiner Karriere, meiner Triumphe vor, er hat mich aus den schwierigsten Momenten herausgezogen und für mich Tausende von Problemen gelöst."

Mit dem Tod von Raiola hat für Ibrahimovic eine Leidenszeit begonnen. Emotional tief getroffen hat der große schwedische Ausnahmefußballer im letzten Jahr seiner Karriere viel Verletzungspech erleben müssen. Ibrahimovic hat versucht immer wieder aufzustehen, doch nach einem Jahr der vielen Qualen und wenigen Freuden hat er gestern Abend unter Tränen seinen Abschied verkündet: "Ich kann nicht atmen, aber es ist in Ordnung. Hier gibt es so viele Erinnerungen und so viele Emotionen."

Und tatsächlich blickt Ibrahimovic auf ein außerordentliches Leben im Fußball zurück. Zlatan Ibrahimovic selbst hat einmal gesagt: "Man kann viele Filme über mich drehen. Es ist wie bei ›Rambo‹ I bis V - man kann ›Ibracadabra‹ I bis X machen." Doch nicht immer war das, was er erlebt hat, auch geeignet, um im Kino auf der großen Leinwand zu laufen: "Ich habe so viel Scheiße gebaut, dass ich kaum wage, mich an alles zu erinnern." Vor allem seine Kindheit im schwedischen Malmö war nicht immer leicht für den Jungen mit bosnischen Wurzeln.

"Ich bin so perfekt, dass es mich amüsiert"

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Noch heute ist eine Rückkehr in seine alte Heimat, in den Stadtteil Rosengård ("Du kriegst den Jungen aus dem Ghetto heraus, aber nicht das Ghetto aus dem Jungen"), in dem er groß geworden ist, für Zlatan Ibrahimovic immer eine ganz besondere Erfahrung: "Wenn ich heute mit meinen alten Freunden in einen Supermarkt gehe, dann machen die hinterher im Auto ihre Jacken auf, und es fallen lauter Sachen raus. Ich frage die dann, habt ihr sie noch alle? Ich könnte den ganzen Laden kaufen."

Doch auf eine Sache konnte sich Zlatan Ibrahimovic schon immer verlassen: sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Schon in der Jugend nahm er sich Kritik an seinem Spiel eher selten zu Herzen. Als ein Übungsleiter in jungen Jahren mehr Disziplin von ihm forderte, schnauzte der kleine Zlatan ihn wütend an: "Denkst du, du bist meine Mutter?" Auch in seinen unzähligen Sprüchen spiegelte sich stets seine überbordende Selbstachtung wider: "Ich bin so perfekt, dass es mich amüsiert." Als Zlatan einmal einen kleinen Jungen traf, der ihn nicht kannte, fragte dieser den großen Star, ob er denn gut sei. Ibrahimovic antwortete, dass er nicht der Richtige sei, um diese Frage zu beantworten. Daraufhin wollte der Junge wissen, ob er von den gegnerischen Fans denn ausgebuht werde. Da lächelte Zlatan und antwortete: "Und wie!" Der Kleine schnalzte mit der Zunge und meinte zufrieden: "Okay. Dann bist du krass!"

Neben seiner imposanten Erscheinung (1,95 Meter) und seinen überragenden technischen Fähigkeiten umgab den Schweden auf und abseits des Platzes auch stets eine besondere Aura - die Schiedsrichter, Mit- und Gegenspieler, aber auch Journalisten immer auf natürliche Art und Weise auf Abstand hielt. Dass das vermutlich auch besser so war, beschrieb Ibrahimovic einmal mit diesen Worten: "Es gibt schon einige Spieler, die sagen, dass sie durch viel Sex zu besseren Leistungen kommen. Ich habe das auch schon versucht. Aber für mich war Wut immer der bessere Antrieb. Ich merke das immer wieder: Wenn ich auf irgendetwas oder jemanden wütend bin, werde ich richtig gut." Und ein anderes Mal sagte es Zlatan noch etwas deutlicher: "Manchmal wünschte ich, Boxen wäre Teil des Fußballs. So aber muss ich mich zusammenreißen."

"Jetzt bin ich selbst der Traum!"

Der 122-fache schwedische Nationalspieler hat in seiner langen Karriere viele Titel und Triumphe gefeiert. Doch wie es sich selbst für ihn anfühlte, auf dem Platz der große Zlatan Ibrahimovic zu sein, beschreiben am besten seine Worte aus dem November 2012. Damals zelebrierte Ibrahimovic eine Vier-Tore-Gala gegen England: "Als das erste Tor fiel, war ich glücklich. Beim zweiten bin ich durchgedreht. Beim dritten habe ich mich umgeschaut: 'Okay, was sagt ihr jetzt?' Und beim vierten, dem Fallrückzieher-Tor, habe ich mir dann nur noch gedacht: 'Das war's. Ich weiß nicht, was ich sonst noch tun könnte.'"

  • Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
  • Sein aktuelles Buch "60 Jahre Bundesliga. Das Jubiläumsalbum" ist ein moderner Klassiker aus dem Verlag "Die Werkstatt"

  • Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.

Als der Mann, der über sich selbst sagt "Zlatan ist einfach nur ein Mensch. Genauso wie ein großer weißer Hai nur ein Fisch ist", vor gut drei Jahren zum AC Milan zurückkehrte, meinte er noch: "Leute sagen, ich wäre alt geworden. Dabei wärme ich mich jetzt erst richtig auf!" Nun ist nach einer schwierigen Saison mit vielen Verletzungen endgültig Schluss für Zlatan Ibrahimovic. Und obwohl sein Abschied gestern mit viel Wehmut und Tränen verbunden war, geht Zlatan mit der Gewissheit (fast) alles in seiner Karriere erreicht und erlebt zu haben: "Als ich jung war, habe ich geträumt. Ich brauche nicht mehr zu träumen, jetzt bin ich selbst der Traum!"

Und noch etwas anderes steht für Zlatan Ibrahimovic fest: "Hoffentlich werden die Fans mich vermissen. Ich weiß, sie werden es tun." Wie sehr, werden die Fußballanhänger wohl erst wissen, wenn etwas Zeit ins Land gegangen ist. Es sind auf jeden Fall bewegte und bewegende Momente, die der europäische Fußball gerade erlebt. Die alten Helden verlassen die Bühne - und die neuen scharren schon mit ihren Hufen. Doch eins ist jetzt schon gewisse: Ein neuer Ibrahimovic wird nicht dabei sein, wie der Schwede einmal vollkommen zurecht selbst sagte: "Es gibt nur einen Zlatan."

Quelle: ntv.de

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