
Steffen Baumgart unterstützt durch Emotionen.
(Foto: IMAGO/Herbert Bucco)
Es ist schon verblüffend: Am Wochenende rasteten in Liverpool und Köln die beiden Trainer Jürgen Klopp und Steffen Baumgart bei Fouls gegen ihre Teams auf ähnliche Art und Weise aus. Und tatsächlich: Die beiden Erfolgstrainer vereint eine große Stärke!
"Ich werde meine Emotionen nicht kleinhalten können. Das ist einfach so." Kurz und knackig beschrieb Kölns Trainer Steffen Baumgart nach dem Heimsieg über den FC Augsburg so nicht nur seinen eruptiven Ausbruch in der ersten Halbzeit, als er nach einem Foul an einem seiner Spieler in Richtung der Augsburger Bank Worte schrie, die "nicht die feine englische Art" (Baumgart) waren - sondern auch seine ganz persönliche Art, die immer wieder einen großen Anteil daran hat, dass der FC Partien noch dreht, die fast schon verloren schienen.
Steffen Baumgart erinnert in seinem Auftreten immer mehr an den Liverpooler Erfolgscoach Jürgen Klopp, der an diesem Wochenende in der Partie gegen Manchester City ebenfalls seine Gefühle nicht immer unter Kontrolle hatte - und deshalb folgerichtig sogar vom Platz flog. Interessant ist dabei auch, dass beide in Situationen Emotionen zeigten, die für viele Betrachter der beiden Spiele in Köln und Liverpool vermutlich eher nebensächlicher Natur waren.
Vereint im Erfolgsrezept
Denn Baumgart und Klopp rasteten jeweils bei Foulspielen gegen ihre eigene Mannschaft aus - und signalisierten ihren Teams auf dem grünen Rasen so (un)bewusst, dass sie voll und ganz an ihrer Seite stehen. Das Besondere dabei an Baumgart und Klopp: Man nimmt ihnen komplett ab, dass diese Gefühle authentisch und nicht geplant oder noch schlimmer, gespielt sind. Und genau das ist auch das Erfolgsrezept dieser beiden Trainer.
Wenn man in diesen Tagen mit Anhängern des 1. FC Köln spricht, dann spürt man die tiefe emotionale Verbundenheit mit ihrem Coach Steffen Baumgart. Trotz dreier Niederlagen in Folge - inklusive der Derbyklatsche bei Borussia Mönchengladbach - gibt es kaum ein Wort der Kritik. Und dass, obwohl auch Baumgart selbst weiß, dass die Erfolge der letzten Saison schwer auf seinen und den Schultern des gesamten Klubs lasten: "Unser größtes Problem in Köln ist, dass wir zu gut im letzten Jahr waren und viele der Meinung sind, das geht so weiter. Jetzt haben wir eine Phase, wo wir uns rausarbeiten müssen." Doch das Vertrauen in Baumgart ist groß. Und das liegt nicht nur daran, dass der Verein nach dem Erfolg gegen den FC Augsburg mit 16 Punkten nach zehn Spielen vor dem BVB und in direkter Reichweite zu den europäischen Rängen liegt.
"Ein Spiel ist erst vorbei, wenn ..."
Die Emotionen, die Steffen Baumgart an der Seitenlinie zeigt, helfen nicht nur immer wieder in schwierigen Situationen seinen Spielern auf dem Platz, sondern sorgen auf indirekte Weise auch für ein unsichtbares Band zwischen ihm und den Fans auf den Rängen. Auf den Punkt gebracht: Seine Art kommt an - denn sie ist unverstellt und ehrlich. Und das merken die FC-Anhänger. Er lebt seinen mittlerweile schon legendären Satz - "Ein Spiel ist erst vorbei, wenn der Schiedsrichter pfeift und ich nicht mehr brülle" - mit jeder Faser seines Körpers. Einen solchen Trainer wünscht sich jeder Fan für seinen Verein. Einen Coach, mit dem man gemeinsam ein Spiel durchleiden und im besten Fall hinterher den Sieg zusammen feiern kann.
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Und es zeichnet Steffen Baumgart aus, dass er nach seinen direkten und harten Worten in Richtung der Bank der Augsburger ("Setzt euch hin da. Haltet die Fresse!") sich nicht windet und herausredet, sondern sich Baumgart-typische entschuldigt ("Wenn es einem zu doll war, tut es mir leid"), aber im gleichen Atemzug auch nicht etwas verspricht, was er in Zukunft nicht wird halten können. Denn er weiß: "Das ist bei mir öfter mal so."
Diese Aufrichtigkeit wird ihn auch durch möglicherweise kommende schwere Tage in Köln tragen - denn der Kader und der komplette Klub stehen wahrscheinlich erst am Anfang einer erfreulichen Entwicklung. Doch ob er ähnlich wie Klopp in Dortmund und Liverpool tatsächlich auch das sportliche Rüstzeug hat, um einen Verein ganz nach vorne zu bringen, wird man erst in Zukunft sehen. Bis dahin kann er aber sicher sein, dass ihm die Anhänger des 1. FC Köln so manche weitere "Ergebniskrise" (Baumgart) verzeihen werden. Und das ist auch gut so - weil wohlverdient.
Quelle: ntv.de