
Die Führungsriege des FC Bayern München steht vor gewaltigen Herausforderungen - oder der Ablösung?
(Foto: IMAGO/Michael Weber)
Der FC Bayern München steht vor der größten Herausforderung seiner Bundesligageschichte. Nie zuvor hat es solch eine dramatische Situation in der Historie des Vereins gegeben. Die nächsten Tage und Wochen werden die nahe Zukunft des Rekordmeisters nachhaltig entscheiden.
Solch eine Situation gab es beim FC Bayern München in seiner fast sechzigjährigen Geschichte in der Fußball-Bundesliga noch nie! Denn zum allerersten Mal brennt es auf allen Ebenen gleichzeitig lichterloh. Immer mal wieder hatte es in der Vergangenheit Phasen gegeben, in denen es auf dem Platz und innerhalb der Mannschaft nicht lief oder es auf der Führungsebene Schwierigkeiten gab - doch dass in beiden Bereichen so viele Probleme auf einmal existieren, ist ein absolutes Novum beim Rekordmeister.
Als man 1965 in die oberste Spielklasse aufstieg, hatte man bereits eine Mannschaft der Zukunft auf dem grünen Rasen. Und tatsächlich sollte diese Truppe im Kern fast bis ins Jahr 1979 erhalten bleiben. Zwar hatte es nach den Rekordjahren bis zur WM 1974 ein langsames Auslaufen der Erfolge auf nationaler Ebene gegeben, doch die Mannschaft schaffte es in dieser Zeit bis zum Mai 1976 sogar noch dreimal in Folge, den Europapokal der Landesmeister zu holen.
Uli Hoeneß sortierte den Klub neu
Danach bestimmten finanzielle Ungereimtheiten und mannschaftsinterne Differenzen immer mehr das Bild der Bayern in der Öffentlichkeit, und sportlich lief es auch nicht mehr so rund wie all die Jahre zuvor. Doch bevor nach den Abgängen von Gerd Müller und Sepp Maier insbesondere die finanzielle Lage der Bayern komplett eskalieren konnte, trat 1979 der Mann in den Vordergrund, der danach vierzig Jahre die größte Ära des FC Bayern München prägen sollte: Uli Hoeneß.
Erst rund um das Jahr 1991 traten erste neue Probleme auf. Die Bayern hatten seit 1985 fünfmal die deutsche Meisterschaft geholt und sich ganz offensichtlich an ihrem eigenen Erfolg sattgegessen. Etwas anderes als sie selbst gab es zu dieser Zeit nicht. Auch ein anderer Meister war nicht denkbar (Uli Hoeneß: "Jeder, der Ahnung hat, weiß, dass Kaiserslautern nicht Deutscher Meister wird"). Als die Roten Teufel am Ende der Spielzeit 1990/91 schließlich doch den Titel nach Kaiserslautern holten, brach in München eine Welt zusammen.
Damals stimmte es zuerst auf Seiten der Führungsebene nicht mehr. Das Binnenverhältnis von Präsident Scherer und Manager Hoeneß schaffte Probleme, die den Klub ordentlich durchschüttelten. Die Lösung: Die Bayern setzten Uli Hoeneß die beiden Vizepräsidenten Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge an die Seite. Und tatsächlich - mit einem gewissen Anlauf - funktionierte diese Idee. Letztendlich sogar bis vor knapp zwei Jahren, als auch Karl-Heinz Rummenigge seinen Posten als Vorstandschef aufgab.
Seit Mitte der neunziger Jahre existierten dann alle Probleme eigentlich nur noch auf dem grünen Rasen und aufgrund der Zusammensetzung der Mannschaft oder wegen der (Aus-)Wahl des falschen Trainers. Doch da die Konstanz auf der Führungsebene immer gewahrt blieb, konnte man auch kurzfristige Fehlbesetzungen, z.B. beim sportlichen Leiter (Christian Nerlinger), schnell wieder korrigieren. Und auch die sportlichen Umbrüche, bei denen man durchaus eine Menge Geld in die Hand nahm, wie 2007, als man u.a. Luca Toni und Franck Ribery verpflichtete, gelangen stets fast geräuschlos, weil auf dem Rasen immer noch ein beständiges Korsett stand, dass den FC Bayern und sein Mia-san-mia-Gefühl verinnerlicht hatte und lebte.
Und so erscheint auch die letzte größere Krise rund um die Doppel-Meisterschaft des BVB 2011 und 2012 im Nachhinein fast schon lächerlich. Matthias Sammer kam für Christian Nerlinger, doch auf dem Platz und an der Seitenlinie zahlte sich die Konstanz mit geringfügigen Veränderungen (im Sommer 2012 waren u.a. Dante und Javi Martinez gekommen) aus. Denn das Gerüst rund um Neuer, Lahm, Schweinsteiger, Robben und Ribéry stand, war bewährt und lieferte schlussendlich wieder die passenden Ergebnisse.
Neustart ins Ungewisse
Nun, elf Jahre später, steht der FC Bayern bei seinem Neustart ins Ungewisse vor einer ganz besonderen Herausforderung. Fast nichts wird in den nächsten Tagen und Wochen des großen, niemals zuvor gekannten Umbruchs mehr so sein, wie es einmal war. Das Fundament des Rekordmeisters muss neu gegossen werden. Doch zuvor sollte man noch einmal innehalten und über die Vergangenheit sprechen. Denn beim Blick zurück wird man auch über die zurückliegenden Fehler (z.B. nicht genug und mit Nachdruck um Max Eberl geworben zu haben) diskutieren müssen.
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Auch die nun oftmals schon geäußerte Kritik, dass sich das Klima im Verein verändert habe, sollte man beim FC Bayern ernst nehmen. Denn wenn sowohl ein FCB-Urgewächs wie Hermann Gerland, als auch ein Mann, der stets nah am Klub dran ist, wie Lothar Matthäus bemängeln, dass sich das berühmte Mia-san-mia-Gefühl nicht mehr nachfühlen lässt, dann sollten alle Alarmglocken gleichzeitig klingeln.
Auch wenn es in den vergangenen Monaten weder die Fans noch die Führung des FC Bayern München gerne gelesen oder gehört haben: Der Klub ist - etwas übertrieben ausgedrückt - auf dem Weg zu einem ganz "normalen" Verein. Die nächsten Stunden, Tage und Wochen werden entscheiden, in welche Richtung dieser Weg in naher Zukunft führen wird. Nur eins ist sicher: Es ist eine riesige Herausforderung für alle Beteiligten - denn eine solche Situation hat es beim FC Bayern in seiner gesamten Bundesligazeit in dieser Form nie gegeben!
Quelle: ntv.de