Redelings Nachspielzeit

Drei Riesenfehler von Uli Hoeneß Die fatalste Bayern-Saison aller Zeiten

Uli Hoeneß hatte in der schlimmsten Bundesligasaison des FC Bayern mächtig Stress.

Uli Hoeneß hatte in der schlimmsten Bundesligasaison des FC Bayern mächtig Stress.

(Foto: imago images / WEREK)

Vor dreißig Jahren befand sich der FC Bayern München in einem Albtraum, aus dem er eine ganze Saison lang einfach nicht aufwachen wollte. Drei Trainer und ein zehnter Platz standen am Ende als Fazit. Doch so schrecklich die Spielzeit damals war - sie war auch der Moment eines zarten Neubeginns!

Vor der Saison hatte Uli Hoeneß noch gut lachen. Mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht erklärte er den überraschten Pressevertretern: "Bayern spielt gegen den Abstieg!" Doch schon drei Monate später war dem allmächtigen Manager das Lachen vergangen. Der FC Bayern München steckte nun tatsächlich mitten im Abstiegskampf - und war intern heillos zerstritten. Doch was im Sommer 1992 als die fatalste und katastrophalste Bayern-Saison aller Zeiten endete, sollte später das Fundament bilden für einen Klub, der seit diesen Tagen nur noch einen einzigen Weg kannte: den des rasanten und imposanten Aufstiegs bei gleichzeitigem exponentiellem Wachstum!

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Aber davon war man im Herbst 1991 noch weit entfernt. Am 12. Spieltag hatten die Bayern wieder einmal zu Hause im heimischen Olympiastadion verloren. Es war die Sorte von "Klatsche", wie sie im Lehrbuch des Fußballs als Paradebeispiel für diesen Begriff aufgeführt werden könnte. Mit 1:4 hatte das Team von Trainer Jupp Heynckes gegen die Stuttgarter Kickers verloren. Fast chancenlos hatte man sich dem Aufsteiger und späteren Absteiger ergeben.

Eine Demontage, die Folgen haben musste. Das wussten alle - auch wenn sie es direkt nach der Partie noch nicht aussprechen wollten. Uli Hoeneß: "Der Jupp ist down. Er schafft es nur, wenn alle Gremien des Vereins hinter ihm stehen." Doch genau das war schon lange nicht mehr der Fall. Und so tat Uli Hoeneß schließlich schweren Herzens das, was er später als "den größten Fehler meiner Karriere" bezeichnen sollte: er warf den mehrmaligen Meistertrainer Jupp Heynckes raus.

"Ich wäre ein Schwein"

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Auch wenn Hoeneß diesen ersten dicken Fehler (nach einer völlig verfehlten Personalpolitik) dieser so dramatischen Saison für die Bayern später bereute, in der damaligen Situation war die Entscheidung fast alternativlos. Heynckes selbst hatte förmlich um seine Entlassung gebettelt, als er öffentlich erklärte: "Ich gebe schon mein Bestes. Aber selbst das ist zu wenig!" Doch wer sollte nun auf dem Trainerposten folgen? Hoeneß spielte auf Zeit: "Ich wäre ein Schwein, wenn ich schon einen im Ärmel hätte!"

Ob das tatsächlich stimmte, weiß man heute nicht mehr, aber was überaus auffällig war: Die letztendliche Entscheidung für den Trainerneuling Sören Lerby war weder besonders originell noch durchdacht. Denn keine sechs Wochen zuvor hatte Kölns Sportdirektor Udo Lattek im verkaufsstärksten Sport-Magazin Europas bereits laut darüber nachgedacht, den Dänen als neuen Coach für den FC zu verpflichten. Eine außergewöhnliche Personalie, die damals viele überraschte. Hoeneß wird den zweiseitigen Artikel natürlich auch gelesen haben - und kurz darauf sicherlich zudem registriert haben, dass die Kölner Lerby absagten, weil dieser noch keine Trainerlizenz besaß. Das schreckte den Bayern-Manager allerdings nicht ab. Und so beging Hoeneß den zweiten fetten Fehler dieser Spielzeit.

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Kurz darauf verschärfte sich die sportliche Lage so sehr, dass Präsident Fritz Scherer seine und die Felle des Vereins langsam aber sicher davonschwimmen sah. Seine Idee: Er holte mit Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge zwei alte, verdiente Spieler des FC Bayern München zurück in den Klub. Als "Notrufsäulen" stellte der "Kicker" die beiden ehemaligen Nationalspieler dar. Und Beckenbauer legte sofort los. Als erstes wies er Manager Uli Hoeneß in seine Schranken: "Der Uli war allein, es sagte ihm keiner, was er verkehrt machte. Und auch ein Uli Hoeneß macht Fehler." Die Diagnose des Kaisers war hart - allerdings auch ziemlich genau auf den Punkt. Und die Saison war ja noch nicht zu Ende. Die Zeit von Trainer Sören Lerby allerdings nach noch nicht einmal zwei Monaten als hauptamtlicher Übungsleiter an der Säbener Straße beinahe schon. Wenigstens gefühlt.

"Sie sind der Einzige, der nichts von Fußball versteht"

Denn obwohl er von seinen Co-Trainern Hermann Gerland und Wolf Werner tatkräftig unterstützt wurde, bekam der Däne - spätestens nach dem kläglichen Aus im UEFA-Cup gegen Boldklubben 1903 - kein Bein mehr auf den Boden. Und so prophezeite bereits Mitte Dezember die "SportBild", dass zum neuen Jahr mit Erich Ribbeck auch ein neuer Coach die Spieler aus dem Winterurlaub begrüßen wurde. Was für eine beschämende, öffentliche Demontage des früheren Bayern-Profis! Doch es sollte tatsächlich noch bis März dauern, bis Ribbeck tatsächlich das Ruder bei den Münchenern übernahm.

Ben Redelings

Ben Redelings ist ein leidenschaftlicher "Chronist des Fußballwahnsinns" (Manni Breuckmann) und Anhänger des ruhmreichen VfL Bochum. Der Autor, Filmemacher und Komödiant lebt im Ruhrgebiet und pflegt sein Schatzkästchen mit Anekdoten. Für ntv.de schreibt er dienstags und samstags die spannendsten und lustigsten Geschichten auf. Weitere Informationen zu Ben Redelings, seinen aktuellen Terminen und Projekten gibt es auf seiner Seite www.scudetto.de.

Und das war, wie wir heute wissen, der dritte große Fehler, den Hoeneß - dieses Mal schon im Zusammenspiel mit Beckenbauer und Rummenigge - in dieser Saison beging. Denn Erich Ribbeck hatte den Zenit seines Könnens bereits weit überschritten. Und das hatten auch die Spieler schnell bemerkt. Eines Tages stand der niederländische Neuzugang Jan Wouters mitten in einer Mannschaftssitzung auf und sagte zu Ribbeck den erhellend klaren Satz: "Trainer, Sie sind der Einzige hier im Verein, der von Fußball nichts versteht."

Als die Spielzeit nach 38 langen Partien endlich vorbei war, stand der FC Bayern auf dem zehnten Tabellenplatz, mit einem Torverhältnis von minus 2 und nur fünf Punkten von einem Abstiegsrang entfernt. Die fatalste Bayern-Saison aller Zeiten war noch einmal mit einem blauen Auge zu Ende gegangen. Doch was man damals noch nicht ahnen konnte: Es war auch der Moment eines zarten Neubeginns. Mit Franz Beckenbauer, Karl-Heinz Rummenigge und Hermann Gerland sollten gleich drei Akteure dieser dramatischen Tage der Spielzeit 1991/92 diesen Verein in den nächsten dreißig Jahren maßgeblich mitbeeinflussen. Und auch Uli Hoeneß hat damals viel gelernt. Vor allem aber eins: Niemals wieder sprach er in späteren Jahren noch einmal davon, dass der FC Bayern gegen den Abstieg spielen würde. Nicht einmal im Scherz.

Quelle: ntv.de

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