Lippens' Gegner nahmen OhropaxDie legendäre "Ente", die nicht nur Berti Vogts rasend machte
Ben Redelings
Fußballer wie Willi Lippens sind einmalig. Der Mann mit dem Spitznamen "Ente" begeisterte auf dem Platz mit seinen Tricks und Späßen ein Millionenpublikum. Später ließ er mit seinen Sprüchen und Geschichten selbst bei Markus Lanz die Lachtränen laufen. Heute feiert Willi Lippens seinen 80. Geburtstag.
Eines Abends saß Willi Lippens, den sie im Ruhrgebiet alle nur "Ente" rufen, bei Markus Lanz in seiner Talkshow. Am Ende des Auftritts vom "Ententainer", wie er sich selbst gerne nennt, hatte nicht nur Markus Lanz, sondern das komplette Publikum Lachtränen in den Augen. Und Willi "Ente" Lippens selbst? Der rieb sich mit einem Lächeln die Hände. Der halbe Niederländer hatte mal wieder geliefert - und die Menschen mit seiner ganz speziellen Art begeistert.
Die Redaktion von Markus Lanz hatte an diesem Abend ganze Arbeit geleistet und dem Talkmaster eine wunderbare Begrüßung für seinen Gast aus dem Ruhrgebiet geschrieben: "Eine Legende. Er hat Bälle mit dem Hintern gestoppt. Er war ein Trickser, der seine Gegner entweder umspielte oder bis zur Bewusstlosigkeit laberte, mit Sätzen wie 'Wenn du einen Ball willst, bring dir selber einen mit'. Über sich selber hat er mal gesagt: 'In meinem Laufstil sind Körpertäuschungen enthalten, die andere nicht erlernen können. Und über seinen Lieblingsgegner Berti Vogts sagte er einmal: 'Der hatte immer Dünnpfiff, wenn es gegen mich ging.' Herzlich Willkommen: Willi 'Ente' Lippens!"
Lippens reagierte gerührt - und legte vor dem neugierigen Studiopublikum gleich munter los: "Ja, das stimmt. Gelabert habe ich damals viel. Es gab ja Gegenspieler, die haben sich Ohropax in die Ohren gehauen!" Lanz schaute das erste, aber nicht das letzte Mal erstaunt zu seinem Gast herüber: "Nein, ernsthaft?" Eine Steilvorlage für Lippens: "Der Becher von Schalke zum Beispiel hat sich immer Ohropax in die Ohren gehauen und dann hat er gesagt: 'Der labert mich tot, den will ich nicht hören.' Aber das war ja auch mein Ding. Ich habe oft zum Beginn des Spiels gesagt 'Du kannst ja gar nichts.' Beim ersten Zweikampf oder so habe ich gesagt 'Was willst du denn, du kannst ja gar nichts, warum bist du überhaupt hier?'"
"Dünnschiss, sage ich mal"
Lanz erinnerte sich an seine Begrüßung - und damit an den Terrier der Nation: "Zu wem? Zu Berti Vogts und solchen Leuten?" Ein Volltreffer, denn der Weltmeister von 1974 war einer der absoluten Lieblingsgegner des Mannes, der einst bei Rot-Weiss Essen seine Profikarriere startete.
Lippens: "Ja, Berti war ein besonderer Fall, für den konntest du mich nachts wecken, nicht wahr?! Da war ich immer für bereit. Der hatte so schöne kurze Beine und wenn ich den Ball zwischen den Beinen hatte und mein Hinterteil rausgestreckt habe, dann war der Weg zu lang für die kurzen Beine, also war der Ball ungefährdet. Der hat wirklich, wenn der gegen mich spielen musste, Magenkrämpfe bekommen. Dünnschiss, sage ich mal. Der konnte nicht mehr schlafen nachts. Für den konntest du mich halt wecken."
Lanz lächelte: "Aber haben Sie sich wirklich auch Sprüche zurechtgelegt, um den Gegner unsicher zu machen?" Lippens schaute irritiert: "Nein, nicht zurechtgelegt. Ich habe mal gegen Preußen Münster gespielt und da gab es einen ekligen Gegenspieler, der mich dauernd getreten hat. Es war ja zu meiner Zeit auch so, dass viele Gegenspieler den Baseballschläger dabeihatten, wenn die auf den Platz gekommen sind. Der hat mich also dauernd gefoult und da habe ich gedacht, irgendwie musst du den loswerden, was sagst du dem jetzt, damit der wütend wird. Wenn einer wütend wird, verliert der ja die Übersicht. Das ist wie beim Boxen. Und so habe ich dann gesagt: 'Trittst du mich noch einmal, dann bums' ich morgen deine Alte' - oder so ähnlich."
Das Publikum lachte herzhaft, ob der Wortwahl des älteren Mannes da vor ihnen auf dem Studiosessel - und Lanz reagierte schnell: "Kurze Nachfrage: Hat er Sie dann getreten?" Lippens: "Er ist hinter mir hergelaufen, auch ohne Ball! Nein, beim nächsten Mal hat es richtig hingehauen und dann war er weg."
Alles beginnt bei Rot-Weiss Essen
Der Abend bei Markus Lanz war genau die Bühne, die Willi Lippens so liebt. Er selbst hat sich einmal als "Muhammad Ali des Fußballs" bezeichnet, der seine Gegenspieler zur Verzweiflung brachte und die Zuschauer in Begeisterung versetzen konnte. Seine berühmteste Anekdote kennt jeder Fußballfan. Damals in Herne sagte der Schiedsrichter: "Herr Lippens, ich verwarne Ihnen". Und die "Ente" antwortete: "Ich danke Sie!" Es war der Anfang eines Fußballer-Lebens voller wunderbarer Geschichten.
Bei Rot-Weiss Essen fing 1965 für den halben Niederländer aus dem Kreis Kleve alles an. Schnell machte er sich einen Namen. Seine Spielweise ("Ich habe nie eine Torchance überhastet vergeben. Lieber habe ich sie vertändelt") begeisterte die Leute. Und seine Füße wurden von der Presse gefeiert und von den Fans bewundert. Damals wurde der junge Willi Lippens gerne gefragt, seit wann er denn diese Senk-, Spreiz- und Plattfüße habe? Und der junge RWE-Profi antwortete lächelnd: "Seit ich in Holland die Berge plattgetreten habe."
Was für eine besondere Marke Lippens auf dem Platz war und welche Entertainer-Qualitäten sein Spiel auszeichneten, zeigen drei Storys ganz besonders anschaulich. Sein Gegenspieler von Werder Bremen, Jürgen Röber, erinnerte sich an eine Geschichte, die seinem Mannschaftskameraden Karl-Heinz Kamp einmal widerfahren ist: "Ich werde nie vergessen, wie der Willi Lippens dem Kamp aus drei Metern anzeigte: Da kriegste ihn hin! Und dann schob er dem ohnmächtigen Kalli vergnügt den Ball durch die Beine."
"Ente" Lippens und sein "bester Freund"
Auch Frankfurts Keeper Peter Kunter konnte so eine Story erzählen. "Komm doch, komm doch!", habe Willi Lippens dem Torwart der Eintracht zugerufen. Nach einem Steilpass stand der Essener damals alleine am Strafraumeck und lockte den Torhüter aus dem Kasten. Und Dr. Peter Kunter tat ihm den Gefallen. Er lief der "Ente" drei, vier Schritte entgegen und musste mit ansehen, wie der "Knicker schön oben im langen Eck" versenkt wurde. Es war das Tor zum 2:1 für Rot-Weiss Essen. Spektakulär erzielt. Aber noch interessanter war: Am Ende stand es 6:3 für RWE, doch dem Eintracht-Keeper war es fast egal. Er konnte Lippens nicht böse sein. Kunter schwärmte von dem wendigen Essener: "Der war die halbe Bundesliga wert!"
Eine andere Geschichte hat damals leider nicht geklappt. Lippens ist noch heute enttäuscht, dass sein Kumpel Sepp Maier ihm an diesem Tag nicht vertraut hat. Lippens erinnert sich: "Wir haben mal gemeinsam eine Tennishalle eingeweiht, gegeneinander gespielt und abends beim Bier festgelegt, dass wir beim nächsten Spiel, wo wir aufeinandertreffen, folgendes machen: Da gibt es einen Torabstoß von Sepp, ich stell mich an den Sechszehner, er spielt mich an, ich spiel ihm den Ball zurück, lauf mich noch einmal frei und dann wirft er ihn noch einmal hinter mir her. Und alle im Stadion hätten sich gewundert, was passiert ist. Aber dann haben wir in Essen gespielt und ich habe da gestanden und gerufen 'Sepp, was ist denn jetzt los hier? Komm, komm.' Aber da hat er gesagt: 'Nix, du haust mir den rein'. Da war das Ding gelaufen."
Die traurige Geschichte einer großen Schiedsrichter-Legende
Willi Lippens wusste immer ganz genau, wem er seine Karriere zu verdanken hatte. Mit Pathos in der Stimme sagt er noch heute: "In jedem Zuschauer habe ich meinen besten Freund gesehen." Bis vor ein paar Jahren meinte er immer, dass er gerne noch einmal einen großen Auftritt hinlegen und vor seinen "Freunden" vor den Ball treten wolle: "Ich würde sogar 20.000 Euro dafür geben, in einem solchen Tempel vor 80.000 Zuschauern mal so richtig aufzuziehen."
Heute feiert der Mann, der einmal sagte - "Man will immer weiterspielen und nie aufhören. Aber irgendwann muss man es halt doch. Dabei fühle ich in mir noch immer den jungen Fußballer, der einst beim VfB Kleve war" - seinen 80. Geburtstag. Liebe "Ente", alles Gute und ein herzliches Glück auf zum runden Ehrentag.
